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Datenautobahn statt Schotterpisten

19. Januar 2016
Der Ausbau schneller Internetleitungen gehört zu den größten Herausforderungen vor allem von Kommunen in ländlichen Räumen. Was Kommunen erwarten können, welche Fördergelder es gibt – der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, hat sich in Bonn mit Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, zum Interview getroffen.
  1. Herr Höttges, immer wieder ist der Vorwurf zu lesen, mit Ihrer Vectoring-Strategie gefährde die Deutsche Telekom den flächendeckenden Glasfaserausbau in Deutschland. Was ist an diesen Vorwürfen dran?

Der Vortsandsvorsitzende der Telekom Timotheus Höttges im Gespräch mit dem Geschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg

Absolut nichts. Der Vectoring-Ausbau ist ein Glasfaserausbau. Allein im vergangenen Jahr hat die Telekom dafür mehr als zehntausend Kilometer Glasfaser verlegt. Richtig ist, dass wir dafür nicht jedes Rosenbeet umgraben müssen. Bei Vectoring wird die Glasfaser nicht bis zu den Häusern, sondern bis zu den grauen Kästen am Straßenrand verlegt. Fakt ist: Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo Kunden bis zu 1.500 Euro für den Bau eines Glasfaseranschlusses bis ins Haus zahlen, gibt es in Deutschland die nötige Zahlungsbereitschaft noch nicht. Deshalb ist Vectoring derzeit die bessere Alternative für den Festnetzausbau und für einen schnellen Abbau der digitalen Spaltung im Land.
(Hinweis der Redaktion: Informationen zum Thema Vectoring finden Sie am Ende dieses Interviews).

  1. Was bringt denn der von Ihnen beantragte Ausbau in den so genannten Nahbereichen? (dies sind die Bereiche im Umkreis von ca. 550 m um die knapp 8.000 Hauptvermittlungsstellen der Telekom Deutschland, Anm. d. Red.) Die Wettbewerber kritisieren das ja massiv …

Mit dem vollständigen Ausbau der Nahbereiche besteht die Riesenchance, die Breitbandziele für Deutschland tatsächlich zu erreichen. Allein die Telekom könnte bis 2018 knapp 80 Prozent der Haushalte mit mindestens 50 MBit/s versorgen – und das vollständig eigenfinanziert ohne öffentliche Mittel. Wir würden bundesweit alle Nahbereiche ausbauen. Nach Berechnungen der Bundesnetzagentur würden die ländlichen Gebiete übrigens überproportional von unserem Ausbau profitieren.

  1. Ist es Ihr Ziel, mittels der Vectoring-Technologie Wettbewerber aus dem Markt zu drängen und sich ein neues Monopol zu sichern?

Im Gegenteil! Durch Vectoring gibt es nicht weniger, sondern mehr Wettbewerb. Auch Konkurrenten profitieren vom Ausbau, weil sie unser Netz mit nutzen können. Das ist bei den Kabelnetzbetreibern und einigen Stadtnetzbetreibern nicht der Fall. Die haben bei superschnellen Anschlüssen in einigen Gegenden faktisch ein Monopol.
Mit Vectoring bieten wir den Kunden eine Alternative. Auch regulatorisch ist Infrastrukturwettbewerb übrigens gewünscht und ein übergeordnetes Ziel. Außerdem gilt: Der Glasfaserausbau bis in die Häuser bleibt wie bisher möglich und wird für kein Unternehmen eingeschränkt. Wer wirklich so ausbauen will, kann das einfach tun. .

  1. Lassen Sie uns doch bitte einmal in ihr Labor schauen: Welche Bandbreiten können mit Vectoring erreicht werden und was wird da in Zukunft technisch noch möglich sein?

Für die Kupfer- und Vectoringtechnik gibt es deutlich mehr Innovationen als für die reinen Glasfaseranschlüsse. Wir arbeiten derzeit an der Einführung von Super-Vectoring. Diese Technik ermöglicht bis zu 250 Mbit/s beim Herunterladen von Daten. Und das ist sicher nicht das Ende der Fahnenstange. Wenn wir die Glasfaser dann noch näher an die Haushalte bringen, können wir die so genannte G.fast-Technologie einsetzen. Damit ist dann ein Gigabit pro Sekunde möglich. Zudem gibt es auch im Mobilfunk immer schnellere Übertragungsgeschwindigkeiten. Perspektivisch werden die Techniken immer mehr ineinandergreifen. Bestes Beispiel: Der innovative Hybrid-Router der Telekom.

  1. Ihre Wettbewerber behaupten, die Deutsche Telekom betreibe „Rosinenpickerei“. Werden Sie vor allem dort aktiv, wo es bereits kommunale Ausbauplanungen gibt?

Für den Ausbau um die Hauptverteiler hatten wir im vergangenen Jahr beantragt, sämtliche der so genannten Nahbereiche flächendeckend auszubauen. Davon würden rund 6 Millionen Haushalte profitieren, 1,4 Millionen würden erstmals einen schnellen Internetanschluss bekommen. Das ist das Gegenteil von Rosinenpickerei. Unser Angebot ist eine Mischkalkulation: Wir gleichen die wenig lukrativen Bereiche in ländlichen Gebieten durch die Ballungszentren aus. Noch ist offen, ob die Entscheidung der Bundesnetzagentur so einen Ausgleich ermöglicht. Bisher ist vorgesehen, dass die Wettbewerber einige Bereiche exklusiv ausbauen können. Was sie daraus machen und was das für den Ausbau insgesamt bedeutet, ist leider noch nicht abzusehen. Außerhalb der Nahbereiche ändert sich an der bisherigen Regulierung nichts. Für 85 Prozent des Marktes bleibt also alles beim alten.

  1. Wie organisiert die Deutsche Telekom die Kommunikation mit den Entscheidungsträgern in Städten und Gemeinden? Welchen Stellenwert haben Kommunen im Kundensegment der Telekom?

Die Kommunen sind für uns auf der einen Seite bedeutende Kunden, die in unserer Public-Sparte bei T-Systems betreut werden. Dafür haben wir ein flächendeckendes Vertriebsteam aufgebaut. Da geht es dann z. B. um die richtige TK-Anlage für die Verwaltung, E-Government-Lösungen oder den passenden Internet-Auftritt. Andererseits sind die Kommunen der wichtigste Partner beim kooperativen Breitbandausbau, denn ohne eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit funktioniert das nicht. Es muss eng abgestimmt werden, wo wir im geförderten Bereich unterstützen können. Aber auch bei unserem Eigenausbau können die Kommunen mit uns zusammenarbeiten und z. B. Genehmigungsprozesse im Rahmen des Wegerechts beschleunigen oder die Bürger über die neuen Möglichkeiten der superschnellen Anschlüsse informieren. Wir haben ein Team von regional verantwortlichen Experten aufgestellt, die den Vertretern der Kommunen mit Rat und Tat bei allen Fragen zur Verfügung stehen.

  1. Zurück zum flächendeckenden Breitbandausbau: Warum haben wir auch im Jahr 2016 immer noch so viele schlecht versorgte Haushalte in Deutschland? Sind da nicht auch die Unternehmen noch stärker gefordert?

Zunächst ist die Breitbandversorgung ja bereits deutlich besser geworden. Laut dem Jahresbericht der Bundesnetzagentur nutzen inzwischen 75 Prozent der Haushalte einen Breitbandanschluss. Die Investitionen der Branche sind auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren – allein die Telekom investiert derzeit jährlich rund vier Milliarden Euro in Deutschland. Das ist eine erhebliche Kraftanstrengung, wenn man sich vor Augen führt, dass die Umsatzentwicklung der Branche in den vergangenen Jahren nur eine Richtung kannte: abwärts. Der Ausbau in Festnetz und Mobilfunk geht weiter voran. Wichtig ist allerdings auch, dass die öffentliche Hand für wirtschaftlich schwierige, ländliche Gebiete passgenaue Förderprogramme aufstellt..

  1. Was würden Sie einem Bürgermeister in einem unterversorgten Gebiet raten? Wie kann er möglichst rasch eine bessere Versorgung für seine Stadt oder Gemeinde sicherstellen?

Wenn sich kein Unternehmen findet, für das sich der Ausbau wirtschaftlich rechnet, gibt es inzwischen Einiges an Fördermitteln. Die öffentliche Hand stellt Mittel in Milliardenhöhe bereit – nicht zuletzt aus den Beträgen, die wir für die Nutzung von Mobilfunkfrequenzen bezahlt haben. Das sollten die Kommunen nutzen. Wir stehen mit unserem Team für jede Kommune bereit, um über mögliche Lösungen zu sprechen. Entscheidend ist, dass die EU-Kommission schnell grünes Licht für den Einsatz von Vectoring auch in Fördergebieten gibt.

  1. Welche Rolle spielen die Endverbraucher, die nicht bereit sind, für eine leistungsstarke Versorgung mehr zu zahlen? Könnte durch entsprechend höhere Preise der Ausbau in dünn besiedelten Regionen wirtschaftlich werden?

Die Preise kann ein Anbieter im Wettbewerb nicht beliebig festlegen – schon gar nicht in einem stark regulierten Markt wie der Telekommunikation. Deshalb brauchen wir möglichst effiziente Lösungen für den Breitbandausbau, die den Spagat zwischen Zahlungsbereitschaft und technisch Machbarem hinbekommen. An Vectoring kommen wir auch deshalb nicht vorbei. Die Menschen müssen jetzt schnelle Anschlüsse bekommen und nicht irgendwann.

  1. Das Thema Flüchtlinge dominierte die Schlagzeilen des Jahres 2015 und wird es wohl auch in diesem Jahr tun. Ihr Unternehmen engagiert sich aktiv für Flüchtlinge. Was tun Sie konkret?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Unternehmen eine soziale Verantwortung haben. Das gilt vor allem in schwierigen Situationen, wie wir sie durch die Flüchtlingskrise derzeit erleben. Die Telekom hat mehr als 60 Erstaufnahmeunterkünfte mit WLAN ausgestattet. Wir stellen außerdem Immobilien bereit und mehr als 500 unserer Mitarbeiter haben sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beworben, um die Antragsberge abzuarbeiten. Wir bieten zudem Praktikumsplätze an und wir haben das Onlineportal http://refugees.telekom.de live geschaltet. Hier finden Flüchtlinge in acht Sprachen zahlreiche Informationen zum Leben in Deutschland, zu rechtlichen Rahmenbedingungen und zu lokalen Hilfsangeboten. Vor allem beindruckt mich aber, wie viele Mitarbeiter sich ehrenamtlich engagieren. Allein in Deutschland haben sie mehr als 40 Projekte initiiert. Das macht mich stolz auf unsere Telekom!
INFO-Service:
Vectoring gilt als Möglichkeit, die Bandbreiten im Festnetz deutilch zu erhöhen. Durch die Technik werden elektromagnetische Störungen ausgeglichen, die es zwischen den Kupferleitungen auf dem Weg in die Haushalte gibt. Die nötige Technik muss in den Kabelverteilern verlegt werden und ermöglicht Bandbreiten von bis zu 100Mbit/s.

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