Lörrach ist überall - wie wir in der Flüchtlingspolitik gesellschaftlichen Sprengstoff in sachliche Bahnen lenken können 
Lörrach ist überall - wie wir in der Flüchtlingspolitik gesellschaftlichen Sprengstoff in sachliche Bahnen lenken können 
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Leitartikel

Flüchtlingspolitik: Wenn Ohnmacht in Protest umschlägt

Lörrach ist überall – ein Oberbürgermeister wird zum Buhmann für die Fehler in Berlin. „Die Migrationspolitik wird schon lange auf Kosten derjenigen ausgetragen, die auf den Sozialstaat besonders angewiesen sind“, meint Christian Erhardt und fordert mehr Differenzierung in der Flüchtlingspolitik.

Die Flüchtlingspolitik hat entscheidend dazu beigetragen, dass inzwischen 84 Millionen Menschen in Deutschland leben. Und das, obwohl die Sterberate die Geburtenrate deutlich übersteigt. Vier Millionen Menschen zusätzlich in den letzten Jahren bei rund 250.000 neuen Wohnungen im Jahr – das muss schon rein mathematisch schiefgehen. Und so werden landauf, landab wieder neue Zeltlager errichtet. So sieht in Kurzform und zugespitzt das Erbe der Merkel-Jahre aus, die den Missstand verwaltet und Lösungen immer wieder auf die Zukunft verschoben hat. Zwar ist der Plan aufgegangen, Menschen aus der ganzen Welt bei uns aufzunehmen. Aber es gab nie einen Plan, wie es dann weitergehen soll. So lange genug Geld und genug Platz da war, konnte man die Probleme immer wieder schön verschieben. Jetzt ist kein Verschieben mehr möglich, und so fällt Bund und Ländern nur noch das Abwälzen der Probleme ein – auf die Kommunen.  

Die Bundesregierung wird in der Flüchtlingspolitik den eigenen Gesetzen nicht gerecht

Zwar kommen die meisten Asylbewerber weiter zunächst in die Erstaufnahmezentren der Bundesländer. So sieht es auch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung theoretisch vor. Weil die Erstaufnahmezentren aber überlaufen, wird der Druck auf die Kommunen erhöht. Die Ankommenden werden immer schneller auf die Städte und Gemeinden verteilt. Das verstößt gegen geltendes Recht. Das sagt nämlich, dass Menschen mit geringer Bleibeperspektive bis zu 18 Monate in der Erstaufnahme bleiben sollen – um sie nach Prüfung von dort abzuschieben. Doch niemand in der Bundesregierung ist ernsthaft daran interessiert, die Zahl der Einwanderer deutlich zu reduzieren und Abschiebungen zu beschleunigen. Berlin torpediert die Ziele gar durch Schließung des Abschiebeflughafens am BER. Und so wird doch wieder verschoben – auf den Verschiebebahnhof.  

Flüchtlingspolitik - Christian Erhardt spricht Klartext

Endstationen sind dann Orte wie die Wölblinstraße in Lörrach. Dort stehen Sozialwohnungen. Viele ältere Menschen leben in den einfachen Wohnungen. Längerfristig war schon ein Abriss im Gespräch. Nun sollen die Mieter für Flüchtlinge weichen, hat die Stadt beschlossen. Natürlich werde niemandem gekündigt. Aber wer nicht geht, wacht halt eines Morgens in einem Flüchtlingsheim auf. So werden Mieter und Flüchtlinge gegeneinander ausgespielt. Nicht aus Hass, sondern aus Ohnmacht in der Flüchtlingspolitik. Denn zur Unterbringung der Flüchtlinge ist die Stadt verpflichtet, komme, was wolle. Der Oberbürgermeister wird zum Buhmann. Obwohl die Ursachen nicht in Lörrach, sondern im Elfenbeinturm in Berlin liegen. „Flüchtlinge sind für den Wohnungsmarkt kein Problem“ erklärt dann auch noch die zuständige, gerade in Hessen wahlkämpfende Innenministerin Nancy Faeser. Die Außenministerin Annalena Baerbock fordert weiter „mehr Migration aus Drittstaaten“. Und der Bundeskanzler wird nicht müde, den Kommunen in warmen Worten gebetsmühlenartig zu versichern: „Wir lassen Sie nicht allein“ – um aber genau das dann zu tun!  

Medienschelte: Welch fatale Rolle die Medien in der Flüchtlingspolitik spielen 

Viele Medien, die nun über den Fall berichten, kippen mit verharmlosenden und sicher gut gemeinten Kommentaren weiteres Öl ins Feuer. Als Menschen im Revier für den Kohleabbau umgesiedelt werden sollten, war der Aufschrei groß. Interessanterweise besonders groß in den Milieus, die jetzt gar nicht verstehen wollen, warum es ein Problem ist, wenn eine 80- jährige, schwerbehinderte Rentnerin in Lörrach zum Umzug in einen Nachbarort aufgefordert wird. Es hilft nicht, wenn Politik und Medien versuchen ein Bild zu malen, dass ein erzwungener Auszug Deutschland besser macht. So schlägt vor Ort die Ohnmacht in der Flüchtlingspolitik in Protest um. Die kritischen Kommentare zu dem Thema haben in diesem Falle ausnahmsweise weder das Internet noch rechtsextreme Parteien ausgelöst – sondern eine verfehlte Migrationspolitik. 

Lörrach und die Folgen für die Flüchtlingspolitik - wie wir gesellschaftlichen Sprengstoff in sachliche Bahnen lenken können 

Das Beispiel Lörrach zeigt, wie groß der gesellschaftliche Sprengstoff des Themas ist. Neben den Kommunalpolitikern müssen es vor allem diejenigen ausbaden, die dringend auf sozialen Wohnungsbau angewiesen sind. Und selbst Menschen, die gut verdienen, wird die Luft durch astronomisch steigende Mieten abgeschnürt. Deutschland hilft gerne, aber wir müssen die Bevölkerung auch vorbereiten, mehr bauen und die Kosten kommunizieren.

Wer das - wie in der Flüchtlingspolitik seit Jahren üblich - nicht macht, zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und er lädt die Folgen bei denen ab, die wenig haben.



Wer gute Migrationspolitik möchte, muss endlich aufhören, alles in einen Topf zu werfen. Wir differenzieren zu wenig zwischen Schutzbedürftigen, Fachkräften und der großen Gruppe von Menschen ohne Bleiberecht. Nur eine konsequente Abschiebung von Menschen, die kein Bleiberecht haben, macht Platz für Menschen, die unseren Schutz benötigen. Und das sind nicht alles Fachkräfte. Das Thema steht noch mal auf einem ganz anderen Blatt. Die Vermischung ist nichts weiter als ein Romantisieren der Flüchtlingspolitik. Genau das führt zu dem gesellschaftlichen Sprengstoff. Lörrach ist überall! Ohnmacht kann jederzeit in Protest umschlagen. Klare Regeln und eine klare Kommunikation helfen, das zu verhindern. Wobei Kommunikation beidseitig sein muss – an Menschen, die schon hier leben aber auch an diejenigen, die erst ankommen!