Ein Heimatministerium zieht nur eine "eindimensionale Schablone" über das Land, statt Chancen zu ergreifen!

Heimatministerium: Dörfer brauchen Digitalisierung – keine neuen Ministerien!

Seit der Bundestagswahl läuft die Diskussion über ein eigenes Heimatministerium für die ländlichen Räume. „Wir dürfen keine Schablone über das Land ziehen mit gleichen Antworten auf unterschiedliche Probleme in unterschiedlichen Regionen“, hält KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt dagegen.

Es ist schon auffällig, dass die Diskussion um ein Heimatministerium ausgerechnet jetzt beginnt – nach einer Bundestagswahl, bei der die „großen Parteien“ in ländlichen Gebieten überdurchschnittlich verloren haben. Und einer Wahl, bei der Rechtspopulisten auch und vor allem in kleinen Orten bedrückend gute Ergebnisse eingefahren haben. Aber ändert sich das wirklich, wenn man – wie jetzt diskutiert – das Landwirtschaftsministerium um den Begriff der Heimat erweitert? Nach dem Motto: der ländliche Raum ist Heimat! Sind Städte also keine Heimat? Oder soll Heimat gar als Gegenpol zu einer multikulturellen Gesellschaft fungieren? Das wäre nicht nur falsch, sondern auch fatal für die aktiv gelebte Kultur gerade auf dem Land. Vom Schützenfest, über Karneval, Heimatmuseen oder Weinfeste: Hier wird Kultur gelebt – multikulturell.

Heimatministerium: Stadt und Land nicht gegeneinander ausspielen!

Immerhin eines zeigt die Diskussion: Auch in der Bundespolitik kommt endlich an, dass viele Menschen auf dem Dorf abgehängt sind. Schulen und Kulturinstitutionen wurden geschlossen, Datenautobahnen erinnern eher an Schotterpisten und der öffentliche Nahverkehr wird immer weiter ausgedünnt. Wer das wirklich ändern will, muss an vielen Stellschrauben drehen, aber sicherlich nicht in erster Linie am Begriff der Heimat „herumdoktern“. Was Deutschlands Dörfer brauchen ist ein Digitalisierungsschub, kein neues Ministerium. Und was die ländlichen Regionen auch nicht gebrauchen können ist, wenn nun wieder eine Schablone über das Land gezogen wird. Die Probleme sind zu unterschiedlich um für alle gleiche Antworten zu finden. Da gibt es ländliche Räume weit ab von Großstädten, die aufgrund ihrer kulturellen oder wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte eben nicht abgehängt sind. Und da gibt es Orte auch in der Nähe von Großstädten, die trotzdem mit Abwanderung zu kämpfen haben. Die Entwicklung auf dem Dorf zeigt zudem, dass die Bedürfnisse der Menschen dort sich in den letzten beiden Generationen sehr den Bedürfnissen der Menschen in Großstädten angeglichen haben. Die Arbeitsweise hat sich radikal verändert, auch auf dem Land lebt nur noch ein kleiner Bruchteil der Bewohner von der Landwirtschaft. Es ist also nicht an der Zeit, Stadt und Land wieder einmal gegeneinander auszuspielen. Mindestens das sollte uns eine Lehre aus den Wahlen in den USA sein. Donald Trump wurde auch deshalb gewählt, weil die Landbevölkerung die Überheblichkeit der Städter abstrafen wollte. „White Trash“ wurden die Trump-Anhänger in den Kleinstädten von den New Yorkern getauft. Abfälliger konnten die Großstädter über die vermeintlich so „eindimensionalen Provinzler“ kaum noch sprechen. Ein Heimatministerium angedockt an das Landwirtschaftsministerium wäre am Ende genau das. Ein Ministerium für „die Provinz“, eindimensional in seinen schablonenhaften Entscheidungen, die dann für alle gelten sollen, aber kaum jemandem helfen werden. Und die Städter zeigen wieder auf die Dorfbewohner, sobald sich ein Projekt bei ihnen nicht finanzieren lässt. Schuld ist dann immer der jeweils Andere.

Was sind die Alternativen zu einem Heimatministerium?

Aber was hilft dann? Mit zwei Beispielen möchte ich zumindest einen Denkanstoß geben: Erstes Stichwort: öffentlicher Personennahverkehr! Rund 200 Bürgerbusvereine gibt es deutschlandweit. Das sind von Bürgern organisierte Vereine, die meist mit Kleinbussen eine Ergänzung zum häufig sehr ausgedünnten ÖPNV vor Ort bieten. Mehr als die Hälfte dieser Bürgerbusvereine gibt es in Nordrhein-Westfalen. Nicht ohne Grund: Hier bekommt jeder gegründete Verein eine Organisationspauschale von 5000 Euro sowie Unterstützung bei der Anschaffung von Kleinbussen. Geld, das gezielt eingesetzt wird und bürgerschaftliches Engagement unterstützt. In sehr ländlichen Regionen wichtig, in vielen Vororten von Städten hingegen eher selten erfolgreich. So unterschiedlich ist Deutschland!

Stichwort Nummer Zwei: Ärztemangel! Für Brandenburg ist die Charite in Berlin zuständig für die Ärzteausbildung, so vereinbart zwischen den beiden Bundesländern. Warum sollte ein ausgebildeter Arzt, der für das jahrelange Studium nach Berlin gezogen ist, später wieder in Uckermark zurückkehren? Nach all den Jahren hat er in Berlin Wurzeln geschlagen, wohlmöglich bereits eine Familie gegründet. Und dann mit Frau und Kind in die Uckermark, wo zahlreiche Schulen geschlossen wurden? Warum werden Ärzte eigentlich nicht im ländlichen Raum ausgebildet?

Wir brauchen mehr Mut von Verwaltung und Politik!

Fazit: Das Thema „gleiche Lebensbedingungen“ muss in allen Ministerien gelebt werden, nicht allein in einem „Heimatgefühl-Ministerium“. Landes- und Bundesverwaltungen brauchen deutlich mehr Mut, ungewöhnliche Projekte vor Ort zu finanzieren. Die Politik muss Verwaltung darin bestärken, unkonventionelle Projekte zu unterstützen. Frei nach einem Werbeplakat aus dem Wahlkampf: „Zukunft wird aus Mut gemacht!“