Rathaus der Zukunft
So könnte das Arbeiten der Zukunft aussehen.
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Experte für Stadtplanung

Baut die Rathäuser um!

Der Stadtplaner Thomas Krüger sieht durch Corona auch gravierende Veränderungen auf die öffentliche Verwaltung zukommen. Nicht nur, was die Digitalisierung angeht. Im Interview mit KOMMUNAL prognostiziert er zudem, dass kleine Orte besser durch die Krise kommen können als große Städte.

KOMMUNAL Herr Professor Krüger, was ist die architektonische Antwort auf die Corona-Krise?

Thomas Krüger: Wir brauchen wieder mehr Freiräume in den Innenstädten. Plätze zum Erholen, Spielen und Sporttreiben, Treffpunkte in Parks und auf Plätzen. Zudem werden künftig weniger Büroflächen benötigt, dafür könnten mehr Wohnungen geschaffen werden. Das belebt die Innenstädte. Wir müssen davon ausgehen, dass die Menschen nicht mehr um 9 Uhr ins Büro kommen und um 17 Uhr ihren Schreibtisch verlassen.

KOMMUNAL: Wie sieht das Büro von morgen aus?

Die Büros von morgen werden zu Kommunikationszentren. Wenn ich Stillarbeit mache, kann ich das auch von zuhause oder unterwegs machen. Das sagen Arbeitswissenschaftler schon lange. Das Büro erfüllt zukünftig viele Funktionen: Dazu gehören Räume für kleine und große Besprechungen, Projekträume, Gemeinschaftsräume, aber auch Ruheräume. Eine vielfältige und inspirierende Arbeitsumgebung. Die Büroarbeit auf einer Art Campus!

KOMMUNAL: Wird sich auch die öffentliche Verwaltung umstellen müssen?

Aber ja! Das Rathaus kann und sollte umgebaut werden! Dafür spricht sehr viel.  Wie kreativ Verwaltung sein kann, hat sich in der Corona-Krise gezeigt. Homeoffice war gezwungener Weise plötzlich möglich. In Frankreich machten schon vor Corona 30 Prozent der in Büros beschäftigten Arbeitnehmer Homeoffice, in Deutschland waren es bisher unter zehn Prozent. Künftig werden auch bei uns mindestens 30 Prozent drin sein.

Was bedeutet das für die Attraktivität des Lebens auf dem Land und in kleineren Städten und Gemeinden?

Sie werden davon profitieren, dass die Menschen nicht jeden Tag an den Arbeitsplatz in die großen Zentren fahren müssen. Wir entzerren damit die Verkehrsströme. Die Menschen kaufen mehr in der Nähe ihrer Wohnung ein, in der Mittagspause gehen sie dann ins Café im Ort. Damit können sich auch sogenannte Schlafstädte, also Vororte der großen Städte, in lebendige Wohn- und Arbeitsorte wandeln.

Professor Thomas Krüger
Professor Thomas Krüger: "Das Handwerk könnte in die Städte zurückkehren."                       Foto: Privat

Wieweit wird Corona dem Einzelhandel  nachhaltig schaden? Corona hat den Strukturwandel enorm beschleunigt. Der Online-Handel bekam einen starken Schub. Das lässt sich nicht zurückdrehen. Die Innenstädte stehen vor einem grundlegenden Wandel. Die Einbrüche im Einzelhandel werden in kleinen Städten aber nicht so gewaltig sein wie in größeren Städten. Denn absehbar ist, dass die großen Magneten, das sind in der Regel die Handelsketten, ihre Angebotspolitik verändern. Sie werden nicht mehr überall präsent sein. Die Ladengeschäfte der Zukunft werden weniger und sie werden kleiner. Der stationäre Einzelhandel wird aber nach wie vor eine Rolle spielen, auch wenn er digitaler wird.

Was raten Sie den Kommunen?

Die Zentren sollten noch mehr die Funktion der Nahversorgung erfüllen.  Die Menschen müssen dort ihre Lebensmittel bekommen. Sie gehen dort zum Friseur, zum Bäcker und zum Fleischer. Überall dort, wo das Zentrum eine vitale Funktion hat, zeigt sich der Strukturwandel weniger ausgeprägt. Auch Wochenmärkte sind ein wichtiger Anziehungspunkt. Die Kommunen sollten auch andere Nutzungen befördern. So könnte das Handwerk wieder in die Innenstädte zurückkehren. In Zukunft wird auch Co-Working in den kleinen Städten eine Rolle spielen. Büroflächen sollten künftig variabel und zweitweise nutzbar sein.

Oft haben die Städte aber keinen Einfluss auf den Branchenmix.

Das ist tatsächlich nicht einfach und geht nur im Gespräch mit Eigentümern, Händlern, Dienstleistern und Gründern. Lokale Konzepte zu entwickeln heißt auch, sich mit mehreren Eigentümern zusammenzusetzen und sich fragen: Wo wollen wir in fünf Jahren stehen? Die privaten Akteure müssen ihre Betriebe weiterentwickeln, Experimente wagen, neue Kombinationen von Handel, Handwerk, Dienstleistung und Kultur schaffen. Zusätzlich sollte der Gesetzgeber auf die Lage im Einzelhandel reagieren. Das bestehende Recht ermöglicht es derzeit den großen Online-Plattformen, 24 Stunden und 7 Tage zu öffnen und dabei in Deutschland wenig Steuern zu zahlen.

Wie wichtig sind gute Verkehrsanbindungen?

Innenstädte müssen gut erreichbar sein. Das gilt für die großen wie für kleine Städte. Wichtig ist dabei, dass Bahn und Kommunen an den Mobilitätsknoten investieren. Ob Elektroräder oder auch Ringbussysteme. Je attraktiver das Angebot ist, desto stärker wird es angenommen. Gerade wer auf dem Land lebt, kann allerdings schwer auf das Auto verzichten. Wir sind uns alle einig: Der Klimawandel muss gebremst werden. Das Hauptproblem ist meines Erachtens nicht der Pkw, sondern es ist der zunehmende Güterverkehr auf der Straße. 20 Liter auf 100 Kilometer- dieser Verbrauch ist für einen Lkw ein niedriger Wert! Meist haben wir dreifachen Verbrauch im Vergleich zum Pkw. Es muss noch mehr in die Schiene investiert werden und die Lkws müssen auf Wasserstoff umgerüstet werden. Und inzwischen hat der Berufsverkehr weniger Bedeutung als der sogenannte Freizeitverkehr. Die Kinder werden zum Sport oder zum Musikunterricht gefahren oder man besucht die Oma. Deshalb ist es wichtig, dass Kommunen noch mehr in neue umweltschonende Formen der Mobilität investieren.