Die Finanzen vieler Kommunen bessern sich - vor allem das Barvermögen steigt rapide
Die Finanzen vieler Kommunen bessern sich - vor allem das Barvermögen steigt rapide
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Barvermögen: Liquide Mittel wachsen rapide

22. März 2019
Das Barvermögen einiger Kommunen steigt rapide – auf eine aktuelle Rekordhöhe von über 50 Milliarden Euro. Das ist ein Ergebnis des Kommunalen Finanzreports 2019, der erst im Sommer veröffentlicht wird. Im KOMMUNAL-Gastbeitrag beleuchtet Rene Geissler diesen Umstand exklusiv vorab.

Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen geht weiter auseinander. Eine Konsequenz: Die Überschüsse schlagen sich finanzstatistisch als „Bar- und Sichteinlagen“ nieder. Sie sind bundesweit seit 2012 jedes Jahr gestiegen. Schaut man sich die regionale und zeitliche Entwicklung an, so fallen zwei Aspekte auf: Das Wachstum beschleunigte sich seit 2015 und das Niveau variiert zwischen den Ländern. Beide Beobachtungen lassen sich auf die Finanzierungssalden zurückführen. 2015 bis 2017 waren Rekordjahre mit kumuliert rund 19 Mrd. Euro Überschuss. Die Hälfte davon verblieb, vereinfacht gesagt, in den Kassen. Allerdings traf dies nicht alle Ländern. Die liquiden Mittel sind dort hoch, wo auch die Überschüsse hoch waren. 

René Geißler arbeitet bei der Bertelsmann-Stiftung und ist dort der Experte für kommunale Finanzen.
René Geißler arbeitet bei der Bertelsmann-Stiftung und ist dort der Experte für kommunale Finanzen.

Interessant ist der Vergleich der Werte 2017 mit denen aus 2012. Die Sichteinlagen sind in (nahezu) allen Ländern gestiegen. Die drei Länder an der Spitze und die drei am Ende blieben gleich. Die Spannweite zwischen den Extremen ist weitergewachsen. Die hohen liquiden Mittel in Bayern und Baden-Württemberg sind noch eindrücklicher angesichts der dort sehr hohen Investitionen. Das heißt, obgleich die bayerischen Kommunen doppelt so viel investieren wie der Durchschnitt, verbleiben am Ende des Jahres dennoch so hohe Mittel. Spiegelbildlich verhält es sich im Saarland oder NRW. 

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Das Sparbuch der Kommunen 

Traditionell dienen die Kassenkredite dazu, die unterschiedlichen Haushaltslagen abzubilden. Doch dieser Blick ist verkürzt. Die „Bar- und Sichteinlagen“ ermöglichen uns, nicht nur den „Dispo“, sondern auch das „Sparbuch“ der Kommunen zu betrachten. In den meisten Ländern finden wir ein „entweder / oder“ zwischen Kassenkrediten und liquiden Mitteln. Dies spricht für eine relativ homogene gute oder schlechte Lage in den Ländern. In einigen Ländern treten beide Indikatoren parallel in bedeutenden Größenordnungen auf. Hier gibt es offenbar sowohl „arme“ als auch „reiche“ Kommunen. Rein mathematisch lässt sich nun für jedes Land eine Netto-Position berechnen. Natürlich bedeutet dies nicht, dass die Guthaben einer Kommune die Schulden der Anderen decken sollen. Die Differenz dieser Netto-Position als Bestandsgröße verdeutlicht jedoch die vollkommen unterschiedlichen Verhältnisse, mit denen die Kommunen leben müssen. Zwischen Bayern und dem Saarland liegen je Einwohner rund 3.000 Euro. Die Disparitäten sind also sehr viel größer, als beim bloßen Blick auf die Kassenkredite.

Um ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zu gewinnen, haben wir die Untersuchung anhand aller 396 NRW-Gemeinden vertieft. Nordrhein-Westfalen ist ein typisches Beispiel für die Gleichzeitigkeit von Schulden und Rücklagen und die extremen interkommunalen Differenzen. So beläuft sich die Netto-Position zwischen der „ärmsten“ Stadt Oberhausen und der „reichsten“ Stadt Verl auf über 11.000 Euro je Einwohner. Die Verteilung zwischen „arm“ und „reich“ ist dabei im Zeitverlauf stabil. Betrachtet man die Entwicklungen bei Finanzierungssalden, Kassenkrediten und liquiden Mitteln in Zusammenhang zeigt sich ein rationales Verhalten der Gemeinden. Verschuldete Gemeinden nutzen Überschüsse primär für den Abbau der Kassenkredite. Das Wachstum der Liquidität entfällt somit auf Gemeinden ohne Kassenkredite. Vor allem die kreisangehörigen Städte haben in Bezug auf das Haushaltsvolumen weit überproportionale Bestände. 

Grafik 2 Finanzen

Auch bei Finanzen ist nicht alles Gold, was glänzt

Allerdings hat die Entwicklung auch eine Kehrseite.Denn das Wachstum der Liquidität ist nicht nur Folge guter Haushaltslagen, sondern auch Indikator mancher lokaler Probleme. Ein Teil der anwachsenden Liquidität resultiert aus geplanten Ausgaben, die nicht umgesetzt wurden; zum Beispiel, weil Investitionen nicht verbaut oder Personal nicht eingestellt werden konnte. Vielen Gemeinden fehlen in Folge der Zinsstruktur auch schlicht Anlageoptionen für eine bessere, langfristige Verwendung der Gelder. Die mittlerweile verbreiteten „Negativzinsen“ sind eine Folge dessen.

Zusammenfassend lassen sich somit drei zentrale Erkenntnisse ableiten: Die Bar- und Sichteinlagen sind ein valider Indikator zur Beurteilung der Haushaltslagen. Sie decken im Zusammenhang mit den Kassenkrediten die tatsächlichen finanziellen Disparitäten zwischen den Kommunen überhaupt erst auf. Und Drittens ist ihr Wachstum auch Indiz bestimmter Probleme, wie zum Beispiel ausgefallene Investitionen und Einstellungen oder fehlende sinnvolle Anlageoptionen. 

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