Bürgermeister Macnab muss am Freitag um Mitternacht das Rathaus räumen
Bürgermeister Macnab muss am Freitag um Mitternacht das Rathaus räumen
© Benjamin Lassiwe

Wegen Brexit

Bürgermeister muss um Mitternacht abtreten

Der Schotte Iain Macnab ist seit zwölf Jahren ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Brunsmark in Schleswig-Holstein. Nun ist aber zwangsweise Schluss. Wenn Großbritannien am Freitag um Mitternacht aus der EU austritt, ist auch Macnab seinen Posten als Bürgermeister los.

Morgen, am späten Freitagabend wird sich der Bürgermeister von Brunsmark im Herzogtum Lauenburg einen schottischen Whiskey aus dem Sherryfass genehmigen. Der Grund: Er verliert dann automatisch seinen Posten als ehrenamtlicher Bürgermeister. So will es ein Gesetz.

Die Regeln sind da eindeutig: Wer nicht Bürger der EU ist, darf auch nicht Bürgermeister in Deutschland sein und auch sonst kein politisches Amt ausüben. Obwohl er seit über 30 Jahren in dem kleinen Dorf lebt. 

Morgen will er daher den Amtsschlüssel im Rathaus abgeben, mit seiner Rockband proben und sich dann einen schönen schottischen Whiskey zum Schlafengehen genehmigen.  

Wir haben den Bürgermeister ab Abruf im vergangenen Sommer besucht. Damals war noch nicht klar, wann genau der Brexit vollzogen wird. Lesen Sie hier noch einmal die Geschichte eines Schotten in Schleswig-Holstein, der nicht mehr Bürgermeister sein darf, obwohl er und die Bürger im Ort es sich so sehr wünschen würden. 

Das neue Schild mit dem Gemeindewappen hat Iain Macnab vorsichtshalber noch nicht an seiner Einfahrt angebracht. Der 69-jährige Schotte ist ehrenamtlicher Bürgermeister von Brunsmark, einer 170 Einwohner zählenden Gemeinde in Schleswig-Holstein, im Kreis Herzogtum Lauenburg, vier Kilometer von der Eulenspiegelstadt Mölln entfernt. Er ist Bürgermeister, aber nur bis zum Brexit. Denn als britischer Staatsbürger müsste Macnab sein Amt räumen, wenn das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlässt.

Vom Journalist zum Bürgermeister

In den 1970er Jahren war der Schotte nach Deutschland gekommen: Freunde von Iain Macnab, der in Schottland als Journalist arbeitete, spielten in Hamburg in einer Band, er wurde Tontechniker. Später wird er Junior-Partner in einer EDV-Firma, dann eröffnet er um die Jahrtausendwende eine eigene Hosting-Firma.

Vor 16 Jahren ging er dann in Brunsmark in den Gemeinderat. Und er baute eine alte Schule zum Wohnhaus aus. „Ich war immer ein Fan der lauenburgischen Gegend“, sagt Macnab. „Zentrale Lage, ländliches Leben und Plattdeutsch.“ Vor mehr als 20 Jahren ging er dann in Brunsmark in den Gemeinderat. Einige Jahre später schlug ihn seine Wählergemeinschaft als Bürgermeister vor: Macnab war der Kandidat, auf den sich das ganze Dorf einigen konnte.

„Das musste damals mit dem Innenministerium in Kiel geklärt werden“, sagte Macnab. „Es ging, aber das Bürgermeisteramt ist der Gipfel meiner Karriere.“ Denn EU-Bürger dürfen sich in Deutschland nur auf der kommunalen Ebene politisch engagieren.

Aber wieso hat Macnab nie über einen deutschen Pass nachgedacht? „Ich sehe keine Vorteile darin“, sagt der Schotte. „In Großbritannien bin ich krankenversichert und wenn ich hier in Deutschland als Selbständiger alt werde, kann es passieren, dass ich meine Krankenkasse nicht mehr bezahlen kann.“ Der Pass erlaube ihm, eines Tages nach Schottland zurückzukehren.

Bürgermeister erklärt die Auswirkungen des Brexit

Wie er selbst den Brexit sieht? „Es wird katastrophale Auswirkungen auf Großbritannien haben“, sagt Macnab. „Ich schätze, dass Großbritannien auseinanderbrechen wird.“ Eine schottische Unabhängigkeit sieht er kritisch: Ein unabhängiges Schottland werde sich die kostenfreie Gesundheitsversorgung beispielsweise nicht mehr leisten können. Der Lebensstandard werde sinken. Macnab tritt deswegen für ein zweites Referendum ein, um Großbritanniens Verbleib in der EU zu sichern. Selbst an der Brexit-Abstimmung teilnehmen konnte er nicht: Er lebt dafür schon zu lange in Deutschland.

Hierzulande dagegen sieht Macnab Probleme beim Föderalismus. „Die Ebene der Gemeinden und der Ämter funktioniert fantastisch“, sagt Macnab. „Aber je weiter Anliegen nach oben rutschen, desto mehr Probleme gibt es.“ Als Bürgermeister hat sich Macnab in den letzten Jahren intensiv für Brunsmark eingesetzt. Zusammen mit dem Gemeinderat und der Amtsverwaltung gelang es, ein neues Feuerwehrhaus zu bauen. Die Gemeinde hat ein neues Löschfahrzeug angeschafft, ein Auto, das genau auf die Bedürfnisse von Brunsmark zugeschnitten ist. „Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Amt haben wir hier Glasfaserleitungen zu 99 Prozent aller Häuser“, so der Schotte. „Und im kommenden Jahr werden 100 Prozent aller Haushalte Glasfaser haben.“

Ein Problem ist aus seiner Sicht dagegen die Bildungspolitik: Die Schulen müssten von den Gemeinden im Amt über eine Umlage finanziert werden. „Bildung ist aber eine nationale Aufgabe“, sagt Macnab. „Wir haben Dörfer in der Gegend, die sind beinahe pleite gegangen, weil sie so viele Kinder haben – und das ist falsch: Wir müssen uns auf Kinder freuen und dürfen nicht sagen, wie schlimm es ist, noch mehr Kinder im Ort zu haben.“

Warum ihm die Arbeit so gut gefällt

Warum er gerne Bürgermeister ist? „Weil man etwas erreichen kann“, sagt Macnab. „Wenn der Gemeinderat, der Bürgermeister und das Amt zusammenhalten, dann kann man etwas schaffen.“ So hat die Gemeinde 150.000 Euro aus EU-Mitteln für ein Gemeindehaus erhalten, wo auch Fahrradtouristen unterkommen können. Auf Initiative von Ian Macnab und einigen anderen Einwohnern hat Brunsmark ein Festival für keltische Musik geschaffen, das im August wieder im Ort stattfindet. Schwierig sei es dagegen mit dem Straßenbau: Das Dorf liegt in einer Sackgasse.

Gelder vom Land gibt es aber nur für Verbindungsstraßen zwischen Dörfern. Straßenausbaubeiträge indes will er auch nicht nehmen. „Dazu stehe ich so, wie der Teufel zum Weihwasser“, sagt Macnab. „Ich werde mich hüten, so etwas von den Bürgern zu nehmen.“ Zum einen wohne er als Bürgermeister nicht direkt an der Dorfstraße: „Ich würde im Dorf zum Buhmann, würde ich das machen.“ Zum anderen ist der Straßenausbau aus seiner Sicht eine Aufgabe der Allgemeinheit. Brunsmark setzt deswegen darauf, die Straße erst auszubauen, wenn das neue Feuerwehrhaus und das dazugehörige Auto abbezahlt sind. Dann werde man die Straßen mit Hilfe des Gemeindehaushalts finanzieren, ist er sich sicher.

Ian Macnab selbst wird dann allerdings vermutlich nicht mehr Bürgermeister sein. Wenn der Brexit kommt, will er sich einen schottischen Whisky aus dem Sherryfass genehmigen – und sich anschließend weiter für das Dorf und für seine Informatikfirma engagieren. Aber die Zeit als Bürgermeister von Brunsmark, die wird dann vorbei sein – weil die Menschen in Großbritannien vor knapp drei Jahren für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben.