Die Coronakrise verändert die Art, wie wir denken, sagt Ilona Benz in ihrem Kommentar
Die Coronakrise verändert die Art, wie wir denken, sagt Ilona Benz in ihrem Kommentar

Krise als Chance

Coronakrise: Niemals war mehr Anfang als jetzt

Brauchen wir das alles wirklich zum Überleben oder kann das weg? Die Coronakrise ist der Anfang einer riesigen Chance zur Veränderung unseres Wirtschaftssystems, meint Gastautorin Ilona Benz.

Ein ganzes Land hält den Atem an. Restaurants, Einzelhändler, Fitnessstudios, Frisöre, Schwimmbäder, Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen bleiben geschlossen. Verkehrsbetriebe schränken den Bahn- und Busverkehr, Airlines den Flugverkehr ein. Kultur wird nicht mehr im Theater oder im Museum, sondern im Netz angeboten. Der Studienbetrieb an Hochschulen und Universitäten war ausgesetzt. Auf öffentlichen Plätzen wehten Absperrbänder. Menschen horteten Lebensmittel und schränken ihre sozialen Kontakte ein. Keine gemeinsamen Barbesuche mehr nach Feierabend, kein gemeinsamer Sport im Verein, keine Kinobesuche, nicht einmal mehr der Besuch der Großeltern war erlaubt. Social Distancing war angesagt und erlaubt nur noch, was zum Leben unbedingt erforderlich ist. 

Corona könnte nur ein leiser Vorgeschmack auf das sein, was in großen Schritten auf uns zu kommt.

Ilona Benz

Coronakrise ist nicht nur für die Digitalisierung eine Chance

Situationen, die uns vor wenigen Monaten nur als Szenen in endzeitlichen TV-Serien oder Katastrophenfilmen begegneten, finden plötzlich vor unserer Haustür statt. Es mag daher seltsam anmuten, in dieser Situation eine große Chance für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft erkennen zu wollen. Trotzdem gibt es sie. Es wird eine Zeit nach Corona geben und wir werden uns in einer Phase noch nie da gewesener Gestaltungsfreiheit befinden. Wenn eine Wirtschaft runterfährt und die Menschen auf alles außerhalb der lebensnotwendigen Bereiche verzichten, liegt darin auch ein Funke des Neuanfangs. Ein neuer Anfang für Wirtschaft und Gesellschaft jenseits des Märchens vom Wohlstand für alle durch ewiges Wirtschaftswachstum.

Die Frage nach der Coronakrise wird sein: Was macht uns wirklich aus? 

Derzeit erleben wir an vielen Stellen, was eine Gesellschaft wirklich ausmacht: gegenseitige Unterstützung, Rücksichtnahme und Solidarität. Wir erledigen Einkäufe für Ältere, drehen Lernvideos für das Homeschooling, wir hacken gegen das Virus, spenden und verzichten auf jahrelange, lieb gewonnene Gewohnheiten, die nun für andere lebensbedrohlich werden können. Jeder, der kann bringt sich für das Gemeinwohl ein. Besser kann sich Demokratie kaum ausdrücken. Und plötzlich erscheint der Rückblick auf das Leben in der Konsumgesellschaft fast schon absurd.

Wozu immer mehr Konsum und noch mehr Wachstum, wenn uns das in Krisenzeiten nicht nur nicht hilft, sondern auch noch in die nächste (Klima)Krise führt? Corona könnte nur ein leiser Vorgeschmack auf das sein, was in großen Schritten auf uns zu kommt. Viele große Denker und kluge Köpfe haben Vorschläge für einen umfassenden Umbau unseres Wirtschaftssystems vorgelegt. Die Zeit ist reif, diese Vorschläge aus den Schubladen herauszuholen und sie als ernsthafte Alternative zu dem bisherigen „weiter so“ in Betracht zu ziehen. Nie war mehr Anfang als jetzt (Walt Whitman).