Wischi-Waschi-Bund-Länder-Gipfel zu neuen Coronaregeln - eine Analyse
Wischi-Waschi-Bund-Länder-Gipfel zu neuen Coronaregeln - eine Analyse von Christian Erhardt

Peinlicher Auftritt

Coronaregeln: Riesen-Streichliste beim Bund-Länder-Gipfel

Viel konkretes zu vermeldet gibt es vom jüngsten Bund-Länder-Gipfel eigentlich nicht. Am Ende einer sechsstündigen Zoff-Veranstaltung liegt die Einigung immerhin in Appellen. Und darin, dass man sich in gut einer Woche auf konkrete Maßnahmen einigen will. "Würden die kommunalen Gesundheitsämter arbeiten, wie Bund und Länder, wären wir mit Corona hoffnungslos überfordert", analysiert Christian Erhardt den Tag.

Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet. Anders lässt sich die Vorlage von Kanzlerin Merkel zumindest vordergründig nicht beschreiben. Angela Merkel hatte am späten Abend eine Beschlussvorlage an die Medien gegeben, die es in sich hatte. Noch deutlich stärkere Beschränkungen sollte es geben, die Zahl der Schüler in den Schulklassen etwa sollte halbiert werden, selbst bei Schnupfen und Heiserkeit sollten die Bürger in eine Art 7-tägige Kurzquarantäne geschickt werden. Das Papier hatte auch KOMMUNAL heute früh noch vor Beginn der Sitzung veröffentlicht. Die Ministerpräsidenten erfuhren aus den Medien von der Beschlussvorlage. HIER finden Sie das Papier noch einmal im Wortlaut! 

So war der Streit vorprogrammiert. Doch, dass es am Ende zu einem Peinlich-Beschluss mit einer Pressekonferenz werden würde, die selbst erfahrene Hauptstadt-Reporter kopfschüttelnd zurückliess, das hatte heute früh wohl kaum jemand geglaubt. Doch kommen wir zunächst zu den - wenn auch dürftigen - Fakten:

Darauf haben sich Bund und Länder konkret geeinigt

Die Dynamik der Infektionen sei gebremst, eine Trendumkehr aber noch nicht erreicht, waren sich die Teilnehmer immerhin einig. Das beschlossene Papier selbst enthält eine ganze Reihe von Appellen. Allerdings bleibt es bei allen Punkten bei Appellen, konkrete neue rechtlich bindende Beschlüsse wurden nicht gefasst. Hier finden Sie die Einigung im Wortlaut:

Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen:

  • sich bei Atemwegserkrankungen telefonisch bei ihrer Ärztin bzw. ihrem Arzt krankschreiben zu lassen. Die Ärztin bzw. der Arzt bespricht mit den Betroffenen auch, ob die Krankheitszeichen so relevant sind, dass eine Testung, Untersuchung oder eine weitergehende Behandlung erforderlich sind.
  • auf private Feiern gänzlich zu verzichten.
  • private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten auf einen festen weiteren Hausstand zu beschränken. Das schließt auch Kinder und Jugendliche in den Familien mit ein.
  • auf freizeitbezogene Aktivitäten und Besuche in Bereichen mit Publikumsverkehr sowie nicht notwendige private Reisen und touristische Tagestouren verzichten
  • auf nicht notwendige Aufenthalte in geschlossenen Räumen mit Publikumsverkehr oder nicht notwendige Fahrten mit öffentlichen Beförderungsmitteln verzichten.
  • Besuche insbesondere bei älteren und vulnerablen Personen nur dann zu unternehmen, wenn alle Familienmitglieder frei von jeglichen Krankheitssymptomen sind und sich in den Tagen davor keinem besonderen Risiko ausgesetzt haben.

Darüber hinaus wurde festgehalten: 

  • Die bewährten Maßnahmen in bestimmten Ausbruchsclustern (z.B. Unternehmen, Einrichtung, Freizeitgruppe, Glaubensgemeinschaft, Familienfeier) werden fortgesetzt.
  • Die Länder werden Impfzentren und -strukturen so vorhalten, dass eine kurzfristige Inbetriebnahme möglich ist.
  • Ab Dezember erhalten besonders gefährdete Personen 15 FFP2-Masken gegen eine geringe Eigenbeteiligung.
  • Stärkung der Krankenhäuser durch finanzielle Absicherung

Coronaregeln: Spannender ist, was nicht im Papier steht 

Was sich wie viel Einigkeit liest ist jedoch in Wirklichkeit ein an Formelkompromissen und mehr noch - Formelappellen - kaum zu überbietender Vorgang. Keine Lockerungen aber auch keine Verschärfung der Maßnahmen - so viel NICHTS war nach sechsstündiger Beratung lange nicht. Wie weit die Positionen auseinander lagen zeigt sich besonders gut an der "Schnupfen-Quarantäne", die Kanzlerin Merkel offenbar gegen alle Widerstände durchdrücken wollte. So werden zumindest mehrere Teilnehmer zitiert, die aber namentlich nicht genannt werden wollen. Laut Statistik haben etwa 15 Millionen Deutsche im Laufe des Winters eine Erkältung. Sie alle müssten sich also in Quarantäne begeben. Wer das wie kontrollieren soll oder ob sich Kollegen wohlmöglich gegenseitig beim Gesundheitsamt anschwärzen können sollen - das alles ist ohnehin völlig unklar. Und wie die ohnehin personell völlig unterbesetzten Gesundheitsämter in den Kommunen das dann stemmen sollen....denken wir besser gar nicht darüber nach. 

Die Länderchefs derweil haben sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Sie räumen zwar eine Knallhart-Forderung der Kanzlerin nach der anderen ab. Konkrete Vorschläge zu den künftigen Coronaregeln waren aber auch nicht zu hören, geschweige denn ein eigenes Papier mit konstruktiven Vorschlägen, wie es weitergehen soll. 

Genau diesen schwarzen Peter hat das Kanzleramt ihnen nun aber zugeschoben. Nächste Woche Mittwoch, am 25. November soll es den nächsten Gipfel geben. Und dann - sechs Tage vor Auslaufen der aktuellen Coronaregeln - sind sie gezwungen, sich zu einigen. Die Beschlussvorlage dazu soll dieses Mal von den Ministerpräsidenten kommen.

Erwarten dürfen wir vermutlich ein Weiter-So.. "nachjustieren" war schon bei dieser Pressekonferenz das Wort der Stunde. Nach dem Motto: Wir müssen die jetzigen Maßnahmen bewerten und dann schauen, ob es ausreicht (das ist eher die Lesart der Kanzlerin und von Bayerns Ministerpräsident Söder)...diejenigen, die eigentlich lockern wollen (etwa Berlins Regierender Bürgermeister Müller) erklären dann: "Wir müssen abwarten und erst mal bewerten und danach über geeignete Maßnahmen reden"....weniger konkret geht es kaum noch. 

Was kann nach so viel Wischi-Waschi noch kommen? 

Dass die Wischi-Waschi Pressekonferenz am Ende abgebrochen wurde, ohne alle Fragen der Journalisten zu beantworten, zeigt, dass zwar die Nerven blank, die Lösungen aber noch nicht im Ansatz auf dem Tisch liegen.

Würden unsere Gesundheitsämter in den Kommunen so arbeiten, wie dieser Bund-Länder-Gipfel, wir würden im Chaos versinken. Keine Entscheidungen fällen, Appelle versenden, sich nicht trauen klar zu benennen, wo die Probleme liegen und am Ende Wortungetüme produzieren, die toll klingen, aber an Banalität kaum zu überbieten sind. Wie gut, dass die Kommunalpolitik da deutlich handfester ist! Mögen sich Länderchefs und Kanzleramt bis kommende Woche Mittwoch davon möglichst viel abschauen und nachmachen!