Die Digitalisierung spielt für viele Kommunen eine große Rolle...
Die Digitalisierung spielt für viele Kommunen eine große Rolle...

Digitalisierung: Kommunen starten durch!

28. Juni 2018
Baden-Württemberg ist ein attraktives Land. Die Digitalisierung ist ein wichtiger Faktor dafür, dass das so bleibt. Das Land hat daher zusammen mit dem Gemeindetag schon im Jahr 2015 eine Digitalisierungsoffensive gestartet. Im KOMMUNAL-Gastbeitrag ziehen die Macher eine erste Bilanz.

Text: von Franz-Reinhard Habbel und Ilona Benz

Das Ziel der Offensive: Jede Gemeinde soll sich auf der Basis ihrer örtlichen Bedarfe und mit ihrer eigenen Geschwindigkeit auf den Weg machen können. Ganz bewusst setzt die Initiative dabei nicht auf punktuelle Leuchtturmförderung, sondern möchte seine Vision von der digitalen Zukunftskommune in die Fläche bringen. Es sind insbesondere die kleineren Gemeinden des ländlichen Raums die von den Aktivitäten der Initiative profitieren sollen. In Kooperation mit Startups und privaten Unternehmen hat der Gemeindetag für seine Mitgliedsstädte und -gemeinden bisher insgesamt 13 Beratungsworkshops durchgeführt. Die Themenpalette richtet sich stets nach den Bedarfen der Städte und Gemeinden und reicht von (E-)Mobilität, Nahversorgung über Energie, E-Government und Parkraummanagement bis hin zum innovativen Wohnungsbau. Im Rahmen der ersten Ausschreibung haben bereits im Jahr 2017 über 90 Städte und Gemeinden Fördermittel für Bürger-Apps, WLAN-Hotspots, digitale Ratsinformationssysteme oder E-Ladestationen erhalten.

Ilona Benz ist einer der Köpfe hinter dem Digitalisierungsprojekt
Ilona Benz ist einer der Köpfe hinter dem Digitalisierungsprojekt

Die Digitalisierung im Einzelhandel

Ein Ansatz ist etwa der vor wenigen Wochen gestartete Ideenwettbewerb Lokaler Online-Marktplatz. Lokale Einzelhändler fühlen sich durch den stark wachsenden Online-Handel zunehmend unter Druck gesetzt. Diese Entwicklung bedroht nicht nur einzelne private Existenzen, sondern gefährdet die Nahversorgung vor Ort. Wie wäre es, wenn den Bürgern eine Alternative zu Amazon und Co. geboten würde? Ein alternatives Angebot mit denselben Annehmlichkeiten wie sie die Menschen vom Online-Handel gewohnt sind. Das heißt, die Option zur taggleichen Lieferung und eine 24/7-Verfügbarkeit des gesamten Sortiments. Anders als bei Amazon hätten Bürger jedoch die Möglichkeit, regionale Produkte und Spezialitäten aus ihrer Heimat zu bestellen, sowie sich über weitere Dienstleistungs- und Behördenangebote in ihrer Gemeinde zu informieren. Maximal 200.000 Euro und einen Fördersatz von bis zu 80% können kreisangehörige Städte und Gemeinden des ländlichen Raums zum Aufbau eines lokalen Online-Marktplatzes erhalten.

Hier geht es zum Erklärvideo, das zeigt, wie das Projekt funktioniert

Ein weiteres Projekt: Digitalisierung und Heimat. Heute beziehen Menschen neues Wissen aus Wikipedia, skypen mit Verwandten am anderen Ende der Welt, halten den Kontakt zu Freunden und Bekannten über Facebook, buchen ihre Unterkunft für den nächsten Urlaubsaufenthalt über Airbnb und verlagern die Lerngruppe in einen WhatsApp-Gruppenchat. Das Internet bildet mittlerweile beinahe jede Lebenssituation digital ab. Neue Gemeinschaften, sogenannte Netz-Communities, sind dabei entstanden. Die bisherigen Räume für Beziehungen und die Gemeinschaften stehen vor neuen Herausforderungen. Sie müssen ihre Attraktivität erhöhen.

Digitalisierung: Was für Projekte gibt es bereits?

Die Leuchtturmprojekte befassen sich unter anderem mit digitalen Bürgerportalen, wie zum Beispiel in Heidelberg, wo nicht nur Verkehrsdaten gesammelt werden, sondern im Winter gleich auch das Streufahrzeug zu den Straßen und Brücken geschickt werden kann, oder eine Digital-App in Karlsruhe, die unter anderem in Apotheken- und Tankstellen funktioniert und Echtzeitinformationen zur Verkehrslage und Parkplatzmöglichkeiten bis hin zu Kultur- und Freizeittipps enthält bis hin zur digitalen Zusammenführung und Vernetzung des seit den 60er Jahren gewachsenen Wohnquartiers „Alter Eselsberg“ in Ulm mit dem neu entstehenden Areal „Am Weinberg“. Ärzte, Apotheker, Händler oder Verkehrsbetriebe erhalten auf diese Weise neue Möglichkeiten ihre Dienste anzubieten. In Ludwigsburg werden die Bürger über ihr digitales Bürgerkonto künftig sowohl Antworten auf die Frage, welche Unterlagen zum Heiraten benötigt werden, als auch Informationen zum nächsten freien Parkplatz oder zur Entwicklung des Pollenflugs erhalten. Auch für neue Modelle der Nachbarschaftshilfe eröffnet die digitale Plattform vielfältige Möglichkeiten.

In Tuttlingen geht es um Telemedizin und in Karlsruhe um interaktive und digitale Lerntische an Schulen sowie intelligente Mobilität in Böblingen. Digitalisierung am Beispiel Baden-Württemberg zeigt, dass die Modernisierung von Infrastrukturen und Institutionen von unten erfolgen muss.

Wie gestalten wir die Digitalisierung richtig?

Auch zeigt sich die neue Rolle Kommunaler Spitzenverbände als Impulsgeber, Koordinator und Projektbegleiter. Die Städte und Gemeinden sind es, die Probleme am sachgerechtesten lösen und die Herausforderungen vor Ort individuell bewältigen können. Die Digitalisierung menschlich und zukunftsorientiert zu gestalten, ist die große Herausforderung der Zeit. Um den notwendigen Gestaltungs- und Handlungsraum der Kommunalpolitik zu erhalten und weiter auszubauen, ist neben einer auskömmlichen Finanzausstattung auch weniger Regulierung notwendig. Das Gebot der Stunde heißt Selbstverwaltung, Selbstorganisation und Selbstverantwortung. Die Zukunft wird lokal gemacht.

Schlagwörter