Bewegung in Dörfern
Die ausgebildeten Bewegungsbegleiter helfen den Senioren beim Fitbleiben.

Seniorentraining

„Bewegung in die Dörfer“ - Fitness für Senioren

Im Alter so lange wie möglich selbstständig zu bleiben – das wünschen sich die meisten. Mit gesundheitsfördernden Konzepten können Kommunen aktiv dazu beitragen. Besonders erfolgreich ist dabei der Landkreis Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz mit dem Projekt "Bewegung in die Dörfer". KOMMUNAL stellt es vor - mit konkreten Tipps zum Nachmachen.

Freude an der Bewegung und Begegnung  zu schaffen- das gelingt dem Landkreis Mayen-Koblenz mit einem sportlichen Projekt. Die Anerkennung bleibt nicht aus: Die rheinland-pfälzischen Sozialversicherungsträger zeichneten  „Bewegung in die Dörfer“ mit dem Innovationspreis für Prävention und Gesundheitsförderung aus. „Unser Ziel  ist es, dabei auch diejenigen zu erreichen, deren Bewegungsfähigkeit im Alltag bereits eingeschränkt ist“, betont Projektleiterin Lea Bales von der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz.

Die Ursachen für derartige Probleme reichen von Erkrankungen wie Arthrose oder Rheuma über eine verminderte Seh- oder Hörfähigkeit bis hin zu einer beginnenden Demenz. Ängste vor einem Sturz kommen oft hinzu. Verringert sich die Mobilität immer mehr, kann dies im schlimmsten Fall eine Pflegebedürftigkeit begünstigen. Dem gilt es rechtzeitig vorzubeugen.

Bewegungsgruppen gegründet - Dörfer machen mit

Auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet man dennoch bewusst. „Die Freude an der Bewegung und an der Begegnung mit anderen steht bei uns im Mittelpunkt“, erklärt Lea Bales den niedrigschwelligen Ansatz des Projekts. „Es geht nicht nur darum, dass ältere Menschen ihre körperliche und geistige Fitness verbessern. Wer an den Übungen teilnimmt und dabei neue Kontakte knüpft, tut zugleich etwas für sein psychisches Wohlbefinden.“ Seit der Auftaktveranstaltung im April 2016 ist es gelungen, in 32 Gemeinden des Landkreises Mayen-Koblenz eine Bewegungsgruppe zu gründen.

Die Freude an der Bewegung und an der Begegnung mit anderen steht bei uns im Mittelpunkt.“

Projektleiterin Lea Bales

GKV fördert das Gesundheitsprojekt 

Die Zahl der teilnehmenden Seniorinnen und Senioren ist inzwischen auf 400 gestiegen. Überwiegend sind sie zwischen 70 und 80 Jahren alt. „Sogar einige 90-Jährige machen mit“, freut sich Lea Bales. Als Initialzündung diente eine Kampagne, die das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium vor fünf Jahren auf der Weg gebracht hat. „Ich bewege mich – mir geht es gut“ - lautet das Motto. Der öffentliche Raum mit seinen Grünflächen, Parks und Wegen soll zum Bewegungsraum werden. Grundsätzlich sind alle Altersgruppen angesprochen. Im Fokus steht jedoch insbesondere die ältere Generation. Im Oktober 2020 hat das „GKV-Bündnis für Gesundheit“, eine gemeinsame Initiative der Gesetzlichen Krankenkassen, die Projektförderung übernommen.  

Landessportbund maht mit bei Ausbildug der Bewegungsbegleiter

Das Herzstück besteht in der kostenlosen Qualifizierung der ehrenamtlichen Bewegungsbegleiter. Bei dieser Aufgabe kooperiert die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz mit dem Landessportbund Rheinland-Pfalz und den drei großen rheinland-pfälzischen Turnerbünden. In den Schulungen lernen die Teilnehmer, wie man einfache und sichere Übungen durchführt und wie man Alltagskompetenzen fördert. Zusätzlich erhalten sie einen Trolley mit Übungs- und Bewegungsmaterial, beispielsweise Bälle und Tücher. Im Landkreis Mayen-Koblenz sind inzwischen 70

Bewegungsbegleiterinnen und Bewegungsbegleiter aktiv. Die Landeszentrale für Gesundheit sorgt außerdem dafür, dass die Kampagnenidee in den Landkreisen bekannt wird und leistet die nötige Aufbauarbeit. Dreh- und Angelpunkt sind die örtlichen „Runden Tische“. Ihr Zweck ist es, dass sich engagierte Ehrenamtliche, Vereine, Initiativen, Institutionen und Einzelpersonen in den einzelnen Gemeinden zusammensetzen, um Bewegungsangebote zu planen.

Ortsbürgermeister einbinden

Zunächst gilt es, die lokalen Voraussetzungen zu prüfen. „Beispielsweise muss man darauf achten, dass Grünflächen gut erreichbar sind und keine großen Steigungen aufweisen. Und bei schlechtem Wetter sollten zusätzlich barrierefreie Räumlichkeiten im Ort als Ausweichmöglichkeit verfügbar sein.“ Es habe sich bewährt, die Ortsbürgermeister zu solchen Gesprächen einzuladen, unterstreicht die Projektleiterin. „Sie kennen die Strukturen und sind unverzichtbare Türöffner.“ Außerdem werden Möglichkeiten diskutiert, wie man die Zielgruppe am besten erreichen kann. „Meist ist es sinnvoll, die Vorstellung eines neuen Bewegungsangebots mit praktischen Übungen zu verbinden. Dann wissen Interessierte gleich, wovon man spricht.“ Dass alle Angebote kostenfrei sind, ist ein zusätzlicher Pluspunkt, der vielen Älteren den Zugang erleichtert.

Damit sich örtliche Netzwerke über die Gemeindegrenzen hinaus austauschen können, lädt die Kreisverwaltung einmal im Jahr zu einem landkreisweitem „Runden Tisch“ ein. Dabei wird immer wieder deutlich, dass es keine Patentrezepte gibt. „Was in einem Ort möglich und umsetzbar ist, funktioniert nicht automatisch auch im Nachbarort“, stellt Lea Bales fest. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Zusammensetzung einer Gruppe. In einigen ist der Anteil von Menschen mit Demenz größer, in anderen wiederum der Anteil der Jüngeren. Das muss man bei der Auswahl der Übungen berücksichtigen. Trotzdem kann jeder von den Erfahrungen der anderen profitieren, zum Beispiel bei der Gestaltung spezifischer Übungseinheiten für fittere Senioren.

Die intensiven Netzwerkaktivitäten rund um das Projekt haben sich auch positiv auf eine altersgerechte Gestaltung der Infrastruktur ausgewirkt.

So hat die Kreissparkasse Mayen jeder Gemeinde in ihrem Geschäftsgebiet eine sogenannte Seniorenbank gesponsert. Diese verfügt über eine erhöhte Sitzfläche, eine ergonomische Rückenlehne sowie über Arm- und Fußstützen und erleichtert somit das Aufstehen. Inzwischen haben vor Ort mehrere private Unternehmen dafür gesorgt, dass weitere Gemeinden im Landkreis eine solche Bank bekamen.

Bewegung in den Dörfern
Gegen Alzheimer in Bewegung bleiben.

Es war möglich, das Projekt nach dem ersten Lockdown im August fortzuführen, wenn auch mit Einschränkungen und zusätzlichem Arbeitsaufwand. Dass die Übungen größtenteils im Freien stattfinden können, hat sich als großer Vorteil erwiesen, weil dies das Infektionsrisiko verringert. „Anfangs musste ich die Senioren allerdings häufig daran erinnern, die Maske beim Verlassen des Stuhls aufzusetzen, den Sicherheitsabstand einzuhalten und die Hände zu desinfizieren“, schildert Nicole Leimig-Nelius, Bewegungsbegleiterin in St. Sebastian, „aber nach einer Weile funktionierte es reibungslos.“ Die Landeszentrale für Gesundheit stellte während der letzten Monate sicher, dass die Bewegungsbegleiter regelmäßig über die jeweils geltenden Hygieneschutzverordnungen informiert wurden. „Trotz aller Erschwernisse überwog die Freude, dass ein Stück Normalität zurückgekehrt war“, so der Eindruck von Lea Bales. Viele Ältere hätten sehr darunter gelitten, dass ihre Kontaktmöglichkeiten so stark eingeschränkt waren.

Umso größer sei die Enttäuschung darüber gewesen, dass die Angebote wegen des zweiten Lockdowns seit November erneut nicht stattfinden können. Gemeinsam hoffe man, in naher Zukunft wieder starten zu können.

Tipps für andere Kommunen

  • Alle Akteure, auch Sport­vereine sowie Bürgermeister, einbinden
  • Lokale Bedingungen vorab eingehend prüfen
  • Öffentlichkeitsarbeit zielgruppenorientiert gestalten
  • Die Vorteile von „Bewegung in die Dörfer“propagieren:
  • Kostenlose Teilnahme
  • Keine Verpflichtung
  • Bewegung im Freien
  • Interessantes Aktionsfeld für Ehrenamtliche

Fotocredits: Fotos (2): Kreisverwaltung Mayen-Koblenz