Dem Dorf gehört die Zukunft - und mit werden die Bürgermeister immer wichtiger, sagt unser Gastautor
Dem Dorf gehört die Zukunft - und mit werden die Bürgermeister immer wichtiger, sagt unser Gastautor

Ländlicher Raum

Glokale Bürgermeister machen Zukunftspolitik

Kommunalpolitik wird in Zeiten der Globalisierung immer wichtiger, sagt der Zukunftsforscher Daniel Dettling. In seiner KOMMUNAL-Kolummne erklärt er die Gründe.

Je mehr die Globalisierung voranschreitet, umso wichtiger wird der Bürgermeister vor Ort - aus unserer Kolumne zur Zukunft der Kommunalpolitik! 



Der Nationalstaat scheitert permanent an den großen Themen: Klimaschutz, Integration, Demokratie, Gesundheit, Bildung, Mobilität, Kampf gegen den Rechtsextremismus. Während die neuen Glokalisten in den Bürgermeisterämtern weltweit Fortschritte machen – und zusammenarbeiten. Im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung identifizieren sich die Bürger mehr mit ihrer unmittelbaren Heimat als mit ihrer nationalen Herkunft. 

Während die Demokratie auf nationaler und supranationaler Ebene in der Krise steckt, gewinnt sie auf kommunaler und städtischer Ebene eine neue Vitalität. Die Bürgermeister werden zu den Akteuren des Wandels. 

Vor vier Jahren tagte zum ersten Mal das „Global Parliament of Mayors“. Vom 2017 verstorbenen amerikanischen Professor für Zivilgesellschaft, Benjamin R. Barber, initiiert, repräsentiert es heute mehr als 200 Millionen Menschen weltweit. Mit seinem Bestseller „If Mayors Ruled the World“ entfachte Barber eine neue Debatte über die Zukunft der Demokratie. Die gemeinsame Erkenntnis der Bürgermeister: Stadtpolitik ist effektiver und zukunftsorientierter als nationale Politik. 

Beispiel Klimawandel. 80 Prozent der CO2-Emissionen kommen aus den Städten. Während immer mehr Großstädte den „Klimanotstand“ ausrufen, sind etliche kleinere Kommunen längst weiter. Mit ihren Stadtwerken setzen sie auf kommunalen Klimaschutz. Durch den Ausbau erneuerbaren Energien entsteht eine stärkere Wertschöpfung in der Region. Statt auf „Shareholder Value“ setzen sie auf „Public Value“. So wie im brandenburgischen Feldheim, das auf Energieautarkie setzt. Die Wärme für die rund 50 Haushalte im Dorf kommt aus Roggen und Restholz, das in der Umgebung wächst. Die Antwort auf den Klimawandel sind dezentrale und nachhaltige Strom- und Wärmeversorger.   

Bei Zukunftsthemen wenden sich die Bürger an ihren Bürgermeister 

Deutlich wird die neue Rolle der Kommunen neben der Klimafrage auch bei den Zukunftsthemen Integration und Sicherheit. Vor dem Beginn der Flüchtlingskrise forderte der heute 43-jährige Bürgermeister der mittelgroßen Stadt Goslar, Oliver Junk, in einer Rede Ende 2014 dazu auf, die Großstädte bei der Aufnahme der neuen Flüchtlinge zu entlasten und nahm selbst mehr Flüchtlinge auf. Junk sieht die neue Zuwanderung positiv, auch aus demografischen Gründen. Vor allem der ländliche Raum und viele Regionen sind auf Zuwanderung angewiesen. „Erfolgreiche Flüchtlingsarbeit ist nicht abhängig vom Standort, sondern von der Haltung“, begründet der CDU-Oberbürgermeister seine Politik. 

2017 wurde der liberale Politiker Bart Somers zum „besten Bürgermeister der Welt“ gewählt. Ein Jahr zuvor wurde die von ihm regierte Stadt Mechelen in die Top Ten „Europas Städte der Zukunft“ aufgenommen. Zu Recht: Somers hat in der belgischen Stadt mit 86.000 Einwohnern aus mehr als 130 Nationen geschafft, was den meisten Städten mit sozialen Brennpunkten nur selten gelingt. Mit einem Mix aus „null Toleranz“ und unorthodoxen Integrationsideen hat er Mechelen zu einer der sichersten und saubersten Städte in Belgien gemacht. Seine Erfolgsformel beschreibt er in seinem neuen Buch: „Ohne Sicherheit kein bürgerschaftliches Engagement!“ Nirgendwo in Belgien findet die Integrationspolitik heute soviel Zustimmung wie in Mechelen. Die Bürger sind wieder stolz auf ihre Stadt. 

Bürgermeister setzen auf Bürgerbeteiligung - gelungene Beispiele gibt es zuhauf...

Seit Oktober 2019 regiert der 42-jährige Uwe Conradt die Landeshauptstadt Saarbrücken. Im Wahlkampf setzte er auf Bürgerbeteiligung und sagte der in der Verwaltung verbreiteten Angst den Kampf an. Nur so seien große Dinge zu bewegen. Conradt will Saarbrücken gemeinsam mit einem Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP zum „Zentrum zwischen Paris und Frankfurt“ und zur „Pionierstadt“ machen. Die Bürger sollen sich für ihre Stadt engagieren, sie „sexy und erfolgreich“ machen. Auch in der sächsischen Kleinstadt Augustusburg setzt der parteilose Bürgermeister Dirk Neubauer seit 2013 auf das Engagement der Bürger und schreibt in seinem Buch „Das Problem sind Wir“ gegen die grassierende Dienstleistungsmentalität an: „Der Bürger hat keine Flatrate auf politische Arbeit.“

In den Kommunen wird die Zukunft entschieden. Die Bürgermeister sind es, die Weltoffenheit und Ökologie machtpolitisch vor dem Neo-Nationalismus retten. 

Akteure und Avantgardisten des Neuen sind pragmatische und nicht polarisierende Bürgermeister. Sie verstehen sich als politische Unternehmer, sind volksnah, lassen sich an ihren Taten messen und wirken über die eigene Stadt hinaus. Kreative Bürgermeister sind die Beschleuniger und Agenten einer Revitalisierung der Demokratie durch neue politische Formate und Tools. Städte, die auf Beteiligung, Lebensqualität und Offenheit nach außen setzen, haben glücklichere Bürger, sind wirtschaftlich erfolgreicher und sozial innovativer.