Digitalisierung
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Kommunen im Stich gelassen

Großbaustelle Digitalisierung

In KOMMUNAL erklärt der Beigeordnete und Pressesprecher des Niedersächsischen Gemeindebundes, wieso die Digitalisierung eine Großbaustelle auf wackeligen Fundament ist.

Im Jahr 2017 beschloss der Bund nach vielen schwerfälligen Digitalprojekten, wie Bund online oder dem elektronischen Personalausweis, eine neue Großbaustelle: Deutschland sollte das Land der Digitalisierung werden. Er einigte sich dafür mit den Ländern auf ein Onlinezugangsgesetz (OZG), mit dem versprochen wurde, diese Leistungen von Bund und Ländern bis 2022 online zu erbringen. „Vergessen“ wurde allerdings das Fundament der bürgernahen Serviceleistungen – die Leistungen der Kommunen. Eigentlich wurde bewusst darauf verzichtet, die kommunalen Serviceleistungen in das Gesetz- gebungsverfahren einzubeziehen, um das Geld zu sparen, das die Kommunen für den Online-Service benötigen. Es geht um viel Geld: Nach ersten Schätzungen der kommunalen Spitzenverbände fehlen mindestens 180 Millionen Euro für die erste große Umsetzung der Digitalisierung in Niedersachsens Kommunen. Somit fehlt nicht nur das Geld für das Fundament, sondern auch das Vertrauen in die Partnerschaft Bund/Länder/Kommnen, die eine Beteili- gung der Kommunen auf Augenhöhe voraussetzt. Solange Bund und Länder nur an sich denken, wird es nicht gelingen, auf der Großbaustelle Digitalisierung in Deutschland erfolgreicher zu werden als beim Bau des Berliner Flughafens.

Halbzeit: Wo stehen wir?

Da die Kommunen zwar am meisten gefordert,  aber bisher nicht gefördert werden, ist es an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen, wo wir bei der Digitalisierung in Niedersachsen stehen. Wir haben unsere Mitglieder befragt und von 142 Städten, Gemeinden und Samtgemeinden deutliche Antworten erhalten.

Digitalisierung Niedersachsen

Bewertung der Umsetzungsbemühungen und finanzieller Hilfen

Die Bemühungen des Landes zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und zum Niedersächsischen Digitalisierungsgesetz schätzen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister allenfalls als mäßig ein. Nur 13 Prozent der Befragten bewerten die Bemühungen des Landes mit„Befriedigend“ oder besser. Dagegen vertreten 58 Prozent der Befragten die Meinung, dass die bisherigen Anstrengungen eher „Mangelhaft“ oder„Ungenügend“ sind. Das Ergebnis zeigt die Defizite klar auf. Es ist weder Bund noch Land bisher gelungen, deutlich zu machen, welche Unterstützungsleistungen künftig erbracht werden, wie die Finanzierung sichergestellt werden soll und wie man Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen auf dem langen Weg in die Digitalisierung des Landes mitnehmen will.

Breitband: Ein Stiefkind der Politik?

Die Bilanz ist auch hier sehr ernüchternd. Nur neun Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bewerten die Initiativen des Landes mit„Gut“ oder besser. 69 Prozent schätzen den Breitbandausbau mit ausreichend oder schlechter ein. Ein Drittel aller Befragten rechnet nicht vor 2026 mit flächendeckendem Breitbandausbau. Gerade bei einem Flächenland wie Niedersachsen muss ein flächendeckender und gleichwertiger Netzausbau allererste Priorität haben. Es muss deutlich mehr angepackt werden, damit die Entwicklung des Landes nicht stagniert und weite Teile des Landes abgehängt werden.

Breitbandausbau Niedersachsen

Digitalisierung Niedersachsen Kommunen

Datenschutz: zu umständlich und zu wenig Hilfe

Nach wie vor gibt es zu wenig Unterstützung bei der Umsetzung des Datenschutzes in der Praxis. Zu viele Vorschriften, zu wenig Unterstützung, so lässt sich das Ergebnis zusammenfassen. Es wird Zeit für eine deutliche Entrümpelung des viel zu komplexen Datenschutzrechts. Wir brauchen einen Datenschutz, der auch für kleine Verwaltungen und Unternehmen unkompliziert handhabbar ist. Daher muss ein klarer Schnitt gemacht werden und jede Vorschrift mit Blick auf die ausgelös- ten Kosten und den entstehenden Nutzen geprüft werden.

Erste Wünsche der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind die Digitalisierung des Meldewesens, die Umsetzung im Pass- und Ausweiswesen und die Einführung der Elektronischen Akte oder eines entsprechenden Dokumenten-Manage- ment-Systems (DMS).

Datenschutz

Fazit: Niedersachsen tut sich schwer

Es gibt viele Projekte, Gruppen und Gremien, aber keine verlässliche Planung, aus der Kommunen ersehen können, wann etwas fertiggestellt und eingesetzt werden kann. Es fehlt neben einer ordentlichen Finanzplanung auch ein „Fahrplan“, der vor Ort Ressourcenplanung möglich macht. Während in Bayern und Baden-Württemberg besonders viel Wert auf die Einbindung der Kommunen gelegt wird, tut man sich in Nie- dersachsen noch schwer: Es gibt bis heute keine verlässliche Aussage zur Finanzierung der Umsetzung des Onlinezugangs- gesetzes und des Niedersächsischen Digitalisierungsgesetzes (NDIG); es fehlen verbindliche Aussagen zu Zeitpunkt und Form der Bereitstellung der zentralen Leistungen des Landes, wie beim geplanten Servicekonto oder zentral bereitgestellten Online-Diensten für 20 wesentliche Verwaltungsleistungen – beides war zum 31. Dezember 2019 vorgesehen. Erste Pläne zur Schulung sogenannter Digitallotsen, die die Einführung der Digitalisierung in den Kommunen begleiten sollen, nehmen langsam Gestalt an. Aber für die Kommunen, die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ist bisher wenig Greifbares entstanden. Dagegen feiert die Bürokratie beim Datenschutz ein Fest der Schwerfälligkeit.

Niedersachsen könnte mehr: die Kommunen besser ausstatten, den Datenschutz für Kommunen und Unternehmen praktikabler gestalten und endlich, endlich leistungsfähiges Breitband überall schaffen! Bis 2022 ist nicht mehr viel Zeit...

Wie würden die Kommunen den Digitalisierungsstand bewerten? Ein Zeugnis zeigt, dass die Benotung sehr schlecht ausfällt!