Sind Strandkörbe bald die einzig erschwinglichen Immobilien auf Sylt?
Sind Strandkörbe bald die einzig erschwinglichen Behausungen auf Sylt?
© Stephan Sühling/fotolia

Immobilien - Sylter Grauen greift um sich

3. September 2018
Die explodierenden Immobilienpreise auf den Ostfriesischen Inseln haben weitreichende Folgen – etwa für das Gastgewerbe und den Tourismus. Spiekeroogs Bürgermeister setzt sich gegen den „Ausverkauf der Inseln“ zur Wehr. KOMMUNAL-vor-Ort-Report von Gastautor Thomas Klaus.

Auf Sylt nahm das Grauen seinen Anfang. Im Frühjahr 2015 schloss dort das renommierte Restaurant von Karsten Wulff. Es war das erste Lokal auf Deutschlands beliebtester Ferieninsel, das dicht machen musste, weil es an Personal fehlte. „Ein großer Mangel an ausgebildeten Fachkräften“, begründete Gastronom Wulff damals, „macht es uns zunehmend unmöglich, ein kleines Haus wie dieses auf hohem Niveau zu führen.“ Ein herausragender Grund für den Mangel an geeignetem Personal waren schon damals die hohen Wohnungskosten – Immobilien auf Sylt waren unerschwinglich geworden für die relativ schlecht bezahlten Beschäftigten des Gastgewerbes.

„Ausverkauf der Inseln“ schwappt auf die anderen Ostfriesischen Inseln über

Matthias Pizczan ist Bürgermeister der 750 Einwohner-Gemeinde Spiekeroog. Er kennt die Zusammenhänge im Detail: Immer mehr Immobilien aus der Hand der Insulaner gehen an finanzkräftige Investoren vom Festland verloren.

In der Regel ist es so, dass die Nachkommen entweder vor Jahren im Zuge der Berufsausbildung die Insel verlassen und sich auf dem Festland eine Existenz aufgebaut haben. Oder aber das Immobilien-Erbe wird aufgeteilt und die Nachkommen sind nicht in der Lage, die Miterben auszuzahlen – die Preise sind einfach zu hoch. Die Erbschaftssteuer schlägt ebenfalls negativ zu Buche, wobei der Freibetrag nicht viel hilft. Am Ende kommt dann nur ein Verkauf in Frage.

Wo sind die Immobilien am teuersten?

Wie sehr die Preise nach oben geschnellt sind, zeigen Erhebungen der Immobilienmakler. Pro Quadratmeter werden auf Norderney inzwischen 11.500 Euro aufgerufen. Auf Juist sind es 9.500, auf Spiekeroog 7.000 Euro. Natürlich gilt: Teurer geht immer.

Die dramatische Folge der Preisentwicklung laut Bürgermeister Pizczan: „Wir verlieren Dauerwohnraum durch Abriss beziehungsweise Umnutzung.“ Einige Bereiche würden außerhalb der Saison praktisch „dunkel“. Die Rede ist von "Rolladen-Siedlungen", die außerhalb der Ferienzeit oft leer stehen. Aus alldem resultiert, dass wertvoller Dauerwohnraum insbesondere für Familien abhanden kommt. Viele junge Menschen, die bereits jahrelang auf der Insel gearbeitet haben, packen ihre Koffer.

Was können Kommunen tun?

Politisch versucht die Gemeinde, wenigstens etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen. Auf Baltrum etwa wurde im vergangenen Jahr die Gründung einer Wohnbaugenossenschaft in die Wege geleitet. Damit sich ein Konzept rechnet, das auf einem Haus mit acht Wohneinheiten auf insgesamt 352 Quadratmetern basiert, müssten 676 Anteile zu je 500 Euro erkauft werden. Bürgermeister Berthold Tuitjer freut sich über ein reges Interesse an diesen Anteilsscheinen. "Jedes Genossenschaftsmitglied", erläutert er, "kann beliebig viele Anteile erwerben, ist aber grundsätzlich mit nur einer Stimme in der Generalversammlung vertreten. Der Grundgedanke der Genossenschaft ist, dass keine Verzinsung der Anteile geschieht."

Auf Spiekeroog wurde hingegen auf die Potenziale des Kernhaushaltes gesetzt. Er ermöglicht den Bau von 16 Wohnungen, die im Frühjahr 2019 bezugsfertig sein sollen. Ein wichtiger Aspekt: Die Wohnungen werden „arbeitgeberunabhängig“ gebaut. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Fachkräfte durch eigene Kündigung oder Schließung des Betriebes die Insel verlassen müssen, weil sie in einer Unterkunft des Arbeitgebers wohnen. Bedarfsgerecht werden weder die Wohnungen auf Baltrum noch die auf Spiekeroog sein. Als zusätzliche Maßnahme hat die Gemeinde Spiekeroog vorgeschrieben, dass bei der Neuerstellung von Ferienwohnraum ab einer bestimmten Größe prozentual dazu auch Dauerwohnraum geschaffen werden muss.

Bürgermeister lässt Wohnungen beschlagnahmen

Die mehr oder weniger heimliche Sorge des Inseloberhauptes: „Wenn ihre Mitarbeiter Gemeindewohnraum bekommen, könnten die Unternehmer den frei werdenden Wohnraum zu Vermietungsfläche umnutzen, da dadurch mehr Erträge zu erwirtschaften sind. Dieses egoistische Verhalten würde in der Folge wieder zu einer Wohnraumverknappung führen.

Derweil wehrt sich der Bürgermeister gegen das Sylter Grauen gelegentlich auch mit drastischen Schritten. Der vorherige Kriminalhauptkommissar, der seit vier Jahren als Bürgermeister fungiert, hat bereits drei leer stehende Wohnungen beschlagnahmen lassen, weil drei Gastronomie- Mitarbeiter keine bezahlbare Unterkunft gefunden hatten. Grundlage war das niedersächsische Polizeigesetz, wonach Kommunen Gefahren abwehren müssen. Die drohende Obdachlosigkeit der Mitarbeiter - sie war eine solche Gefahr.

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