Ein Insolvenzrecht könnte einigen Kommunen massiv helfen

Insolvenzrecht für Kommunen?

Laut KfW-Kommunalpanel ist die Verschuldung vieler Städte immens. Und die Zukunftsaussichten sind düster. Kann ein kommunales Insolvenzrecht helfen? Ein Kommentar von Christian Erhardt-Maciejewski.

Geld ist genug da, nur bei den Kommunen kommt es oft nicht an. Darüber klagen Bürgermeister, Kämmerer und Kommunalpolitiker seit Jahrzehnten. Schaut man auf die aktuellen Zahlen des KfW-Kommunalpanels, dann ist nun ein Punkt erreicht, bei dem die Bundes- und Landespolitik nicht länger zusehen kann. Bei schlechter Lage gehen laut dem Panel mehr als zwei Drittel der Städte und Gemeinden davon aus, dass die Situation noch dramatischer wird. Jedes Unternehmen in dieser Situation hätte längst Insolvenz angemeldet. Im deutschen Recht ist das aber für Kommunen leider nicht vorgesehen. Dabei wissen wir auch von Unternehmen längst, dass ein Insolvenzverfahren keine Einbahnstraße sein muss, sondern neue Perspektiven eröffnen kann.

Kaum ein Stadtrat ist bereit, eine einmal eingerichtete Einrichtung oder zugesagte Leistung je wieder zu schließen oder zu beenden!"

Gute Gründe für beschränktes Insolvenzrecht

Klar, da ist das Argument der Daseinsvorsorge. Natürlich darf dadurch keine Schule geschlossen werden und kein Patient im Krankenhaus weniger behandelt werden. Aber für eine sogenannte „beschränkte“ Insolvenz gibt es durchaus gute Gründe und zahlreiche Vorbilder. Denn sind wir mal ehrlich: Ob eine Gemeinde ein Schwimmbad, eine Bücherei oder eine Volkshochschule unterhält, ist rechtlich ihre freie Entscheidung. Aber kaum ein Stadtrat ist bereit, eine einmal eingerichtete Einrichtung oder zugesagte Leistungen je wieder zu schließen oder zu beenden. Oftmals sind nicht einmal Kündigungsrechte vorgesehen. Ähnlich wie in der Wirtschaft muss der Bürgermeister daher das Recht haben, über die zuständige Kommunalaufsicht einen „Insolvenzbeauftragten“ zu bestellen. Alle freiwilligen Leistungen kämen dann auf den Prüfstand oder würden umgehend gestoppt. Die Pflichtleistungen gingen bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens auf Land und Bund über.

Beispiele dafür gibt es bereits seit den 80er Jahren aus den USA. Dort gibt es das sogenannte „Chapter-9-Verfahren“. Das hat in mehr als 100 Fällen zur Sanierung der Finanzen von Gemeinden geführt. Das Verfahren ähnelt dem des deutschen Insolvenzrechts für Unternehmen stark.

So könnte ein deutsches Insolvenzrecht aussehen

Der Bürgermeister würde verpflichtet, einen Antrag bei der zuständigen Kommunalaufsicht zu stellen. Diese bestellt dann einen „Insolvenzberater“, der an Stelle der kommunalen Organe tätig wird. Mit Hilfe eines Insolvenzplans kann dann sichergestellt werden, dass die kommunalen Aufgaben nach einer bestimmten Zeit wieder umfänglich selbst wahrgenommen werden können. Sobald die Forderungen aus der Insolvenzmasse abgewickelt sind, wird das Verfahren durch eine Neuwahl des Stadtrates/des Kreistags sowie des Bürgermeisters beziehungsweise Landrats abgeschlossen. Ab dem Zeitpunkt hat die Kommune wieder die komplette Selbstverwaltung. Ein solches Insolvenzrecht hat zudem vorbeugenden Charakter. Ich erwarte mir zum Beispiel, dass die leidigen Diskussionen über „Zwangsfusionen von Gemeinden“ endlich auf ein „sachliches Fundament“ gestellt werden. Eine Kommune mit 1000 Einwohnern, die finanziell gut dasteht, hat keine Notwendigkeit zu irgendeiner Fusion nur aufgrund ihrer Einwohnerzahl. Im Gegenteil: Zumeist sind es Großstädte, die finanziell am Ende sind. Fraglich daher, ob „größere Gemeindeeinheiten“ wirklich wirtschaftlich sinnvoller sind. Die Größe einer Kommune sagt wenig über ihre Effektivität aus, schon weil sich die Mitarbeiterzahl in den Rathäusern zumeist nach „je 1000 Einwohner“ berechnet. Mehr Einwohner, mehr Mitarbeiter also. Das ist der durchaus übliche Schlüssel.

Ein Insolvenzrecht würde hoch verschuldeten Kommunen neue Luft zum Atmen geben!"

Insolvenzrecht könnte interkommunale Zusammenarbeit stärken

Dafür schafft das Damoklesschwert der „Insolvenz“ aber kreativen Spielraum für mehr interkommunale Zusammenarbeit. In der Tat braucht kaum eine Kommune mit 5000 Einwohnern selten einen eigenen Standesbeamten, die Nachbarkommune mit 7000 Einwohnern auch nicht. Ein Vertrag zwischen den Kommunen für einen gemeinsamen Standesbeamten reduziert die Kosten also erheblich. Genau hier liegt die eigentliche Chance für Kommunen, sich wirtschaftlich sinnvoll aufzustellen. Einzelne Städte und Gemeinden sind hier bereits Vorbilder. In vielen Orten jedoch gibt es im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit noch erhebliche zusätzliche Möglichkeiten. Das Insolvenzrecht für Kommunen gibt also „hoch verschuldeten Städten“ neue Luft zum Atmen, gibt kleineren Kommunen gerade in ländlichen Räumen neue Anreize für wirtschaftlich sinnvolles Arbeiten und erhöht zudem den Druck auf Bund und Land. Denn eine „insolvente Stadt“ ist politisch kein Ruhmesblatt. Wenn die „Insolvenz“ auf Kosten von Bund und Ländern geht, sind diese gut beraten, endlich vorbeugend zu halten und mehr Geld von oben nach unten durchzureichen.