Neue Windkraftanlagen werden durch das Kohleausstiegsgesetz nahezu unmöglich gemacht.
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Altmaier malt sich die Welt, wie sie ihm gefällt

Mehr Erneuerbare Energie und Kohleausstieg - Mit Altmaiers Gesetzesentwurf rückt das laut Experten in weite Ferne. Die Regierung beglückwünscht sich selbst trotzdem überschwänglich zu ihrem Klimapaket. Umweltpolitik made in Villa Kunterbunt, meint Rebecca Piron.

Beim Klimaschutz zeigt die Bundesregierung einen galoppierenden Realitätsverlust: Die Fläche auf der Windräder errichtet werden können, wird faktisch halbiert, die von der Kohlekommission empfohlene Möglichkeit, Steinkohlekraftwerke zwangsschließen zu lassen, wird ausgeschwiegen und zum bereits gefassten Ziel, den Ökostromanteil im Energiemix bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen, mag man sich auch lieber nicht bekennen. So sieht der Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium für das Kohleausstiegsgesetz aus, der bis Montag durch das Bundeskabinett gepeitscht werden soll. Der Windenergie versetzt das einen Todesstoß.

Entgegen jeder noch so vehement geäußerten Expertenmeinung hält die Bundesregierung daran fest, auf diese Weise trotzdem das Ökostromziel für 2030 einhalten zu können. Diese groteske Pipi Langstrumpf-Attitüde – anzunehmen, es werde schon alles so kommen, wie man es möchte, weil man es ja möchte – wäre schreiend komisch, würde es nicht um fundamentale Fragen, wie den Fortbestand unseres Ökosystems gehen.

Studie warnt vor Einbruch bei der Windenergie

Und dabei malt sich die Regierung nicht nur die Welt, wie sie ihr gefällt. Nein, auch von ihr selbst beauftragte Studien, die ihren Plänen zuwiderlaufen, werden schlankerhand umgedichtet. Altmaiers Gesetzesentwurf sieht vor, dass Windräder einen Mindestabstand von 1.000 Metern zur nächsten Wohnsiedlung haben sollen. Eine Wohnsiedlung ist im Entwurf definiert als eine Ansammlung von mindestens fünf Wohngebäuden. Zudem gilt die Regelung auch für Land auf dem Wohnbebauung entstehen kann – überall wo Baugebiete ausgewiesen sind, gilt also ebenfalls ein Mindestabstand von 1.000 Metern. In einem verblüffenden Anfall von Selbstreflexion, hat die Regierung beim Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik sowie dem Energieberater Navigant eine Studie in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen der neuen Regelung einschätzen zu können. Gegenüber der Öffentlichkeit hat die Regierung die Studie als Waffe genutzt. Die zeige nämlich: Auch mit der Abstandsregelung können genügend Windkraftanlagen gebaut werden, um die Ökostromziele für 2030 zu erreichen. Der aufmerksame Beobachter wurde jedoch schnell stutzig: Weder das Bundeswirtschaftsministerium, das mit dem Gesetzesentwurf betraut ist, noch die Koalitionsfraktionen waren dazu bereit die Studie zu veröffentlichen. Seit letzter Woche liegt sie dem Zweiten Deutschen Fernsehen nun trotzdem vor und siehe da: Bei einem Mindestabstand von 1.000 Metern, die auch für Wohnsiedlungen im Außenbereich von Dörfern gilt – was der Fall ist – gehen die Experten von einer Minderung der Fläche für Windenergieanlagen um 40 Prozent aus. Das bestätigt eine Warnung, die das Umweltbundesamt schon Anfang des Jahres äußerte. Sie waren von einer Minderung um bis zu 50 Prozent ausgegangen. Noch gravierender sei die Situation, wenn die Regelung auch für bestehende Windräder gelte. Dann geht das Fraunhofer Institut sogar von einem Rückgang der Windenergiekapazität aus.

Wie kommt die Bundesregierung also dazu, zu behaupten, die Abstandsregelung schade dem Windkraftausbau nicht? Zum einen argumentiert sie mit der Akzeptanz. Und tatsächlich: Viele Windkraftprojekte kommen zum jähen Erliegen, wenn gut organisierte Minderheiten durch Bürgerinitiativen intervenieren. Besonders die AfD ist dafür bekannt ihre Wähler gegen Windkraftanlagen zu mobilisieren und im Wahlkampf mit Anti-Windenergie-Parolen Werbung zu machen. Wenn die Bundesregierung aber denkt, sie könne die Windkraftgegner mit einer Abstandsregelung beschwichtigen und vielleicht sogar noch AfD-Wähler abfischen, sollte sie sich einmal Erfahrungen aus den Bundesländern abholen. Die süddeutschen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg etwa haben bereits strenge Abstandsregelungen für Windräder. Was passiert dort, wenn mindestabstandskonforme Windparks geplant werden? Genau: Es formt sich Bürgerprotest!

"Abweichungsklausel" ist keine Ausrede

Ein anderes „Argument“ der Bundesregierung ist, dass es sich bei der Abstandsregelung nur um eine Abweichungsklausel handle. Wenn Bundesländer oder Kommunen davon abweichen wollten, dann sollten sie das doch gerne tun. Eine absurdere Rechtfertigung für eine Regelung könnte der Regierung kaum einfallen. „Unsere Regelung ist nicht problematisch, weil man sie ja auch ignorieren kann.“ Wie wäre es dann damit eine Regelung zu finden, die man nicht ignorieren MUSS, möchte man Erneuerbare Energien in Deutschland fördern? Zudem sind Länder und Kommunen zurecht besorgt über Rechtsunsicherheiten, wenn sie sich nicht an die „Abweichungsklausel“ halten. Auch hier ist Baden-Württemberg bereits ein gutes Beispiel: Über die bestehende Abstandsregelung hinaus, verständigten sich die Koalitionsfraktionen 2016 darauf, Planungsträgern die Möglichkeit zu geben, den Mindestabstand „rechtssicher“ von 700 auf 1.000 Meter zu erhöhen. Diese Regelung hat es bisher nicht vom Koalitionsvertrag in ein Gesetz geschafft. Trotzdem bestätigen baden-württembergische Windenergie-Projektträger dem ZDF, Anlagen, die näher als 1.000 Meter an Siedlungen lägen, plane man gar nicht erst. Wird das im Rest von Deutschland anders laufen? Da müssen wir hoffen, dass Pipi Langstrumpf als Projektträger verfügbar ist – Sie würde sich das Projekt schon irgendwie malen, wie es ihr gefällt.

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