Die Ergebnisse der Sondierungen sind als kommunaler Sicht ziemliches Kleines Karo, meint Christian Erhardt

Sondierungen: Viel weiße Salbe kleistert Wunden nur zu

Von der GroKo-Zwangsehe Zukunftsvisionen zu erwarten, ist zugegeben viel verlangt. Doch aus Sicht der Kommunen liefert die neue Bundesregierung extrem kleine Antworten auf viele große Probleme, meint Christian Erhardt.

Zugegeben: Wer auf 28 Seiten beschwichtigende Prosa betreibt und versucht, allen alles zu versprechen, und dann dank blendender Konjunktur auch noch mit zig Milliarden an Euro weiße Salbe im Überfluss verteilen kann, der wird auf den ersten Blick ein Papier zusammenbringen, in dem irgendwie jeder etwas Positives für sich findet. Die Gießkannen-Politik mit Milliardengeldern, die aber bisher an der Graswurzel, bei den Kommunen, nur unzureichend ankamen, funktioniert halt irgendwie. So betrachtet sind die Versprechungen für die Kommunen, die bisher vernachlässigt wurden, an sich genommen ein Erfolg.

Ergebnis der Sondierungen: Es hätte schlimmer kommen können

„Es hätte schlimmer kommen können“ höre ich von fast allen Seiten auf kommunaler Ebene. Vor allem die Fortschreibung der Finanzmittel für die Kommunen in den Bereichen Integration, Bauen und Verkehrspolitik sind zweifelsohne ein sehr wichtiges Signal. Fortschreibung! Nach Gestaltungsanspruch klingt das aber nicht gerade. Eher nach einer kleinkarierten Verwaltung einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur, die doch so viele Chancen eröffnet hätte.

Ergebnisse der Sondierungen: Flüchtlingspolitik

Nehmen wir das Dauerthema Flüchtlingspolitik: Ohne Frage ist es ein Erfolg, dass künftig Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden sollen. Aber wieder ist das nicht mehr als die Diskussion über die Verwaltung von Flüchtlingen, nicht aber über die Gefahren und auch Chancen der Migration in den Kommunen – die Bundesregierung verspricht eine etwas bessere Verwaltung der Probleme, lässt sämtliche Zukunftsfragen aber unbeantwortet.

Ergebnisse der Sondierungen: Gesundheitspolitik

Dann wäre da die Ausgabenexplosion im Sozialetat. Auch hier: Das Schlimmste wurde verhindert. Gerade in ländlichen Regionen schauten viele Hausärzte – wenn es sie überhaupt noch gibt – mit Argusaugen auf das Umverteilungsmonster Bürgerversicherung. Ländliche Regionen wie Bayern oder Brandenburg haben eine überdurchschnittlich hohe Quote an Selbstständigen (rund 12 Prozent, zum Vergleich: Bremen 7 Prozent, Hamburg 9 Prozent), die kleinen Selbstständigen, vom Handwerker bis zum Landwirt, sind für die verbliebenen Hausärzte eine wichtige Finanzierungsgrundlage. Die Handwerker wiederum atmen auf, weil es der Union offenbar mit einer hohen Dosis an (teuren)Tabletten gelungen ist, das Steuererhöhungs-Tourette-Syndrom der SPD zu zähmen. Gut für die Kommunen, die weiter auf hohe Gewerbesteuern hoffen. Was aber hätte der Staat bewirken können, hätte er die Milliarden für immer höhere Sozialausgaben zum Teil zur Altschuldentilgung in Kommunen genutzt? Hier bleibt das Beschwichtigungspapier sehr im vagen, immerhin wird die Altschuldenproblematik wenigstens angesprochen – wenn auch ohne konkreten Lösungsansatz.

Ergebnis der Sondierungen: Neuer Rechtsanspruch für Grundschüler

Und trotz der vielen weißen Salbe: Wer die oberste Schicht abkratzt, sieht schnell neue tiefe Wunden auf die Kommunen zukommen. Da ist vom Rechtsanspruch auf den Ganztagsplatz in der Grundschule die Rede. Nun wissen wir aus dem Kindergarten: Ein Rechtsanspruch schafft noch lange keinen Betreuungsplatz. In der Theorie ist die Ganztagsschule ja gut, ( solange die Entscheidungsfreiheit der Eltern gewahrt wird) wie aber die Kommunen als Schulträger diesen enormen Kraftaufwand leisten sollen, bleibt das Papier wieder mal schuldig. Ambitionierter, weil realistischer, wäre die schrittweise Einführung gewesen, beginnend in strukturschwachen Regionen. Das wäre vor allem auch realistisch finanzierbar. Stattdessen wird wieder allen alles versprochen, ohne aber allzu konkret zu werden.

Ergebnis der Sondierungen: Verwalten statt gestalten

Unterm Strich bleibt das klamme Gefühl: Diese Regierung wird ambitionslos und verwaltend. Sie investiert trotz vorhandener Mittel nicht in die Zukunftsfähigkeit – denn diese Zukunft liegt in den Kommunen. Gerade in einer globalisierten Welt ist die Kommune eine Konstante für die Menschen. Vor allem für die Verschreckten, (die gerne mit „Abgehängten“ verwechselt werden) die nun mit Milliardengeldern ruhiggestellt werden sollen. Es ist aber nicht die verkopfte Diskussion um Obergrenzen, Bürgerversicherungen oder Digitalisierungsstrategien, was die Bürger besorgt. Es ist das, was unmittelbar in den Städten und Gemeinden um die Menschen herum passiert, was sie bewegt. Das ist der Flüchtling, den sie wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht verstehen, da ist der Arzt, der das Dorf verlässt und da ist die fehlende schnelle Internetleitung, die ihm in diversen Strategiepapieren seit dem Jahr 2011 jährlich aufs Neue versprochen wurde. Wenn die GroKo diese Sorgen nicht ernst nimmt, wird aus ihren kleinen Antworten auf die großen Fragen der Zeit bald eine sehr sehr kleine Koalition (KleiKo) ohne Mehrheiten für die einst so großen und ambitionierten VOLKS-Parteien.

++++ Lesen Sie auch: Das steht drin auf den 28 Seiten - KOMMUNAL hat das Sondierungspapier zum Download - und das Statement der Kommunenvertreter dazu ++++