Straßen umbenennen - Streit um Straßennamen
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Streit um Straßennamen

Geht es um die Umbenennung von Straßen, droht die Stimmung in Deutschlands Kommunen zu kippen. KOMMUNAL hat sich deshalb drei Kommunen herausgesucht, die auf eigene Art und Weise mit dem Thema umgehen.

Es ist ein Streit, der die Gemüter erhitzt. Ein Streit, bei dem es keine Gewinner sondern nur Verlierer geben kann: Es geht um Deutschlands Straßennamen! Dürfen diese heute noch die Namen von Kolonialisten tragen? Sollten Straßen nach Politikern wie Helmut Kohl benannt werden? Oder sollten lieber Ziffern anstatt Namen verwendet werden? Und wer darf letztlich mitentscheiden? Fragen wie diese beschäftigen Kommunen deutschlandweit.

Eine kleine Gemeinde wird zum Pulverfass

So hat die niedersächsische Gemeinde Hilgermissen jüngst über die Einführung von Straßennamen abgestimmt. Denn anstelle eines Namens steht bei den Hilgermissern nur eine Hausnummer im Ausweis. Das Problem dabei: Wer sich nicht im Ort auskennt, hat es schwer, eine Adresse zu finden, weil die Hausnummern keinem nachvollziehbaren System folgen. Neben der Hausnummer neun steht etwa die Nummer 63. Deshalb kritisierten einige Bürger, dass Rettungsdienste und Postboten Probleme hätten, eine Adresse zu finden. Während andere darauf beharren, dass Navigationsgeräte bei der Orientierung unterstützen können. Die sonst so friedlich anmutende Gemeinde verwandelte sich in ein Pulverfass. Politiker diskutierten, Nachbarn zickten sich an, ja sogar in Familien kochte die Diskussion hoch. Am Ende stand eine Abstimmung und die brachte hervor, dass die Mehrheit der Hilgermisser auch weiter Nummern statt Straßennamen will. 

Und auch in der Großstadt gibt es richtig Ärger!

Mohrenstraße umbenenenn

Auch in der Hauptstadt Berlin wird darüber gestritten, ob alles so bleiben soll, wie es ist. Konkret geht es etwa um die Mohrenstraße in Mitte. Der Begriff „Mohren“ wird von vielen als rassistisch empfunden. Auch die Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sowie des Deutschen Historischen Museums sprechen sich seit Jahren dafür aus, den Straßennamen zu ändern. Kritiker hingegen sehen bei dem Begriff „Mohren“ keinerlei Probleme, weil die Herkunft des Wortes nicht abschließend geklärt ist. „Selbst wenn wir davon ausgehen würden, dass der Begriff ursprünglich nicht rassistisch gemeint war, so ist doch entscheidend, wie das Wort auf Menschen mit Rassismuserfahrung heute wirkt. Und heute haben eben viele Menschen ein Problem mit diesem Begriff“, erklärt Tahir Della, Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. „Wenn der Straßenname nicht geändert wird, sagt man damit eigentlich, dass sich Schwarze Menschen mit dem diskriminierenden Begriff abfinden müssen und der öffentliche Raum keine Rücksicht auf ihre Empfindungen  nimmt“, erklärt Della.

Anders sehen es die Anlieger der Straße. Denn für sie würde die Änderung des Straßennamens vor allem Zeitaufwand sowie Kosten bedeuten: Auf Visitenkarten, Briefkopf, Personalausweis sowie Fahrzeugpapieren müsste die Adresse geändert werden. Zusätzlich dazu käme der Schriftverkehr mit Arbeitgeber, Krankenkasse, Behörden, Versicherungsunternehmen sowie Dienstleistern. 

Es ist entscheidend, wie ein Straßenname heute auf uns wirkt , Tahir Della

Andere Städte wie beispielsweise Duisburg übernehmen die Kosten für die Änderung der Dokumente allerdings. Gegner der Umbenennung plädieren deshalb dafür, den Straßennamen beizubehalten und Infotafeln aufzustellen. „Erklärungen machen eine Beleidigung aber nicht weniger schmerzvoll“, erklärt Della. 

Die Berliner Bezirksstadträtin Sabine Weißler kann verstehen, wenn sich schwarze Menschen durch den Begriff „Mohren“ diskriminiert fühlen. Dennoch verweist sie auf die komplizierte Rechtslage: „Der Begriff Mohren ist aus rechtlicher Sicht nicht eindeutig rassistisch, sodass jede Anwohnerklage sofort Erfolg hätte.“ Erfahrung mit dem Thema hat man in Berlin seit Jahrzehnten. Und daraus zieht man heute Lehren: „Straßenumbenennungen dauern in der Regel mindestens zwei Jahre. Zwar haben wir uns als Verwaltung bereits mehrmals eine Tracht Prügel eingeholt, sobald wir die Bürger in die Diskussion miteingebunden haben. Dennoch würden wir sie immer wieder in die Debatten integrieren, weil wir nicht möchten, dass sich jemand übergangen fühlt. Hilfreich ist es außerdem, wenn die Diskussionen weniger emotional, sondern kenntnisreich und wissenschaftlich fundiert geführt werden.“ 

Straßenumbenennung - Streit um Straßennamen
Tahir Della möchte, dass rassistische Namen aus dem Stadtbild entfernt werden

Streit um Straßennamen - Freiburg entwickelt Empfehlung, die auch andere Städte nutzen könnten

Berlin verfolgt damit eine andere Auffassung als Freiburg. In der süddeutschen Stadt gab es immer wieder Beschwerden über bestimmte Straßennamen. Im Jahr 2012 beschloss der Gemeinderat deshalb, dass eine Kommission von Experten eine mögliche Straßenumbenennung wissenschaftlich überprüfen soll. Das Team bestand aus Professoren, Historikern, Gender Studies und Politologen. 1300 Freiburger Straßen- und Platznamen wurden darauf überprüft, ob die Namen nach heutigen Erkenntnissen unangemessen sind, weil sie Personen oder Ereignisse würdigen, denen Einstellungen und Haltungen zugrunde liegen, die heute nicht mehr akzeptabel sind. Dazu zählen rassistische, antisemitische, militaristische sowie frauenfeindliche Auffassungen. Das Ergebnis hat die Kommission in einem 96 seitigen Bericht veröffentlicht. Darin teilt sie die Straßennamen in vier unterschiedliche Bewertungskategorien ein und empfiehlt die Umbenennung von 12 Straßen, von denen bereits vier erfolgt sind. Bei weiteren 15 Straßen soll ein Erläuterungsschild angebracht werden. Die Empfehlungen der Kommission könnten auch andere Städte nutzen, da sich einige der Namen nicht nur auf Freiburgs Straßenschildchen widerfinden, sondern auch auf denen anderer Kommunen.  

Straßen umbenennen - Straßennamen
Die meisten Straßennamen wurden nach Männern benannt, weshalb einige Berliner Bezirke diese bewusst nach Frauen bezeichnen wollen

Längst aber beziehen sich die Diskussionen nicht nur auf Straßen, sondern auch auf Apotheken, Restaurants und Universitäten. So musste die Uni Greifswald ihren Namenszusatz „Ernst-Moritz-Arndt“ streichen, weil sich der Schriftsteller juden- und franzosenfeindlich geäußert hat. Arndt kämpfte zwar auch gegen die Leibeigenschaft, doch sein Name weckt bei vielen Menschen schlechte Erinnerungen.    

Beispiele wie diese bleiben Beispiele von hunderten. Sie zeigen, dass Kommunen individuell mit dem Thema umgehen. Ein allgemeiner Konsens der bleibt, ist aber, dass der Austausch mit den Bürgern nicht immer leicht, aber zielführend sein kann. 

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Straßennamen umbenennen
Die letzte liegt fast wie eine Grabplatte auf dem Boden

Auch von Njema Drammeh