Mobiler Dorfladen der Steinwaldallianz

Tante Emma wird mobil

Der Dorfladen auf Rädern – ein altes Prinzip wird neu gedacht. Das Fraunhofer Institut geht das Problem der fehlenden Nahversorgung in kleinen Dörfern mit moderner Technik an.

Der ländliche Raum verödet – ein Problem, das seit Jahren an Dringlichkeit gewinnt. Den Menschen in kleinen Dörfern, weit von den Städten, fehlt es häufig an einem funktionierenden öffentlichen Nahverkehr, einer verlässlichen Internetverbindung und in besonderem Maße auch an der Nahversorgung. Für Supermärkte werden kleine Dörfer zunehmend unattraktiv. Die Einwohnerzahl sinkt und besonders die kaufkräftigste Bevölkerungsschicht– Berufstätige mit ihren Familien – wandert in die Städte ab. Durch den fortschreitenden demografischen Wandel ist es häufig nicht mehr rentabel einen stationären Supermarkt im Ort zu betreiben. Doch was tun, wenn der letzte Supermarkt schließt? Denn gerade ältere Menschen, die in den Dörfern zurückbleiben, sind häufig nicht mobil genug, um einen Supermarkt in umliegenden Orten anzusteuern. 

Erfolgsrezept mobiler Dorfladen

Da behelfen sich nun einige Regionen mit einer althergebrachten Methode: dem mobilen Supermarkt. Das sind LKW, Kleintransporter oder Busse, die mit Waren des täglichen Bedarfs gefüllt von Dorf zu Dorf fahren und entweder über eine Theke oder mit einem begehbaren Innenraum als temporärer Supermarkt dienen. Der Vorteil: Mit einem mobilen Supermarkt können viele Dörfer gleichzeitig abgedeckt werden. So kann der Umsatz auch bei kleinen Dörfern mit wenigen Kunden rentabel sein. Derzeit gibt es etwa 1.500 mobile Händler mit Vollsortiment in Deutschland und etwa 800 begehbare Supermarkt-LKW. Trotz der großen Nachfrage kämpfen viele Betreiber mobiler Supermärkte jedoch mit der Rentabilität. Denn die mobileren Bewohner der Dörfer fahren meist lieber weite Strecken, um zu stationären Supermärkten in Nachbarorten zu kommen. Die können mit ihrer wesentlich größeren Fläche ein breiteres Angebot vorhalten. Die mobilen Supermärkte werden dagegen eher von älteren Leuten genutzt, die nicht selten auf eine kleine Rente angewiesen sind und daher sparsamer einkaufen.

Rentabler kann der mobile Supermarkt werden, wenn man die „Flotte“ und somit die Abdeckung erhöht. So ist es zum Beispiel bei der rollenden Supermarktkette „Heiko“, die bereits seit den 1950er Jahren durch die Eifel, das Moseltal und bis in den Hunsrück fährt. Mit 150 Mitarbeitern und 60 Supermärkten auf Rädern erreicht die Kette 25.000 Kunden in 2.000 Dörfern. Die Abläufe sind hochprofessionalisiert, der Absatz ist durch die große Kundschaft gut und das Unternehmen weiß genau, dass eine Tour 80 bis 100 Kunden erreichen muss, damit sie sich finanziell lohnt. Eine solche Reichweite aufzubauen ist jedoch nur möglich, wenn in einer großen zusammenhängenden Region viele Dörfer keinen Supermarkt mehr haben. Bei weniger dicht besiedelten Gebieten, wo die Strecken von Ort zu Ort teils nur durch stundenlange Fahrten zu überwinden sind, ist eine solche Lösung nicht umsetzbar. Einen anderen Ansatz versucht man deshalb im oberpfälzischen Landkreis Tirschenreuth. Der stark ländlich geprägte Landkreis liegt inmitten des Steinwalds. In den meisten Orten des Landkreises gibt es derzeit keinen Supermarkt mehr. Hier will ein lokaler Zweckverband, die Steinwald Allianz, gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut einen mobilen Dorfladen aufbauen, der nicht nur die ältere Bevölkerung anspricht, sondern möglichst alle Einwohner von sich überzeugen kann. Dazu soll der mobile Dorfladen verschiedenste Leistungen miteinander verbinden und durch App-Lösungen ein größeres Angebot und mehr Komfort bieten. Im Testbetrieb fährt der LKW mit begehbarem Verkaufsraum bereits seit Anfang August durch die bayerischen Dörfer. Allerdings vorerst ohne digitale Vernetzung.

Altes Konzept mit moderner Technik

Der mobile Dorfladen ist einer von zwei Gewinnern des Wettbewerbs „Digitale Dörfer“ des bayerischen Wirtschaftsministeriums. An dem Wettbewerb konnten alle bayerischen Dörfer mit besonderem Handlungsbedarf teilnehmen. Die Projekte sollten die Herausforderungen im ländlichen Raum aufgreifen und innovativ mit digitalen Mitteln zu lösen versuchen. „Das Projekt des mobilen Dorfladens hat die Jury besonders beeindruckt, weil es Jung und Alt mit einbezieht“, erinnert sich Annemarie Wojtech, Leiterin der Gruppe Market Intelligence des Fraunhofer-Instituts. „Außerdem bietet die Idee eine schöne Ausgangsbasis, um mit weiteren Akteuren anzudocken.“ Die Steinwald Allianz möchte einen mobilen Supermarkt aufbauen, der über verschiedene Apps besonders effizient funktioniert und für die Kunden neue Mehrwerte schafft. Über eine zentrale digitale Plattform sollen die Kunden Waren vorbestellen und bezahlen können, Produzenten Angebote übermittelt bekommen, ein ständiger Abgleich zwischen Lager und Bestellungen stattfinden und Tourplanung und Kassenabgleich geschehen.

Durch die digitale Vernetzung soll nicht nur der Ablauf vereinfacht werden, es sollen auch jüngere Kunden für den mobilen Dorfladen gewonnen werden. Denn durch die Möglichkeit vorab per App Bestellungen zu tätigen, wird das Angebot des mobilen Supermarkts konkurrenzfähig mit dem Angebot eines stationären Supermarkts. Auch die Möglichkeit vorab über die App zu bezahlen, könnte für die jüngere Kundschaft ein reizvolles Argument sein. Im Testbetrieb sind diese Möglichkeiten noch nicht gegeben. „Die Resonanz der ersten Wochen war aber auch ohne die Apps schon sehr gut“, resümiert Martin Schmid von der Steinwald Allianz. Das könne beim offiziellen Start Ende September nur noch besser werden. Im nächsten Jahr sollen dann weitere Akteure in den mobilen Dorfladen integriert werden. Geplant ist es zum Beispiel Arzneimittel mit dem mobilen Dorfladen zu verteilen oder auch die Post zu bringen. „Das Grundprinzip des vernetzten mobilen Supermarkts ist auf alle ländlichen Regionen Deutschlands übertragbar“, sagt Wojtech. „Die Apps müssen nicht immer neu entwickelt werden und der Verkauf muss nicht aus einem großen LKW wie unserem geschehen. Auch ein Kleintransporter oder ein ausrangierter Bus können ausreichen.“ Und keine Sorge: Wenn der mobile Dorfladen Ende September vernetzt in eine neue Ära der ländlichen Nahversorgung startet, wird KOMMUNAL vom Beifahrersitz berichten!

E-Carsharing - auch in unserem Newsletter Thema!
KOMMUNAL versorgt Sie jeden Donnerstag mit den neusten Nachrichten aus der kommunalen Welt. HIER gehts zur Newsletter-Anmeldung!