Vereinsleben in Corona-Zeiten
Zusammen stark: Bei der Einweihung der Multifunktionalen Beachanlage in Christiansholm

Ehrenamt

Wie Kommunen das Vereinsleben stärken können

Ohne Ehrenamt keine lebendige Stadtgesellschaft. Vereine prägen oft das soziale Leben in einem Ort. Was braucht es, damit sich Vereine wohl fühlen und die Zusammenarbeit mit der Kommune gut funktioniert? Und wie ist die Lage der Vereine angesichts der massiven Veränderungen des sozialen Miteinanders durch die anhaltende Corona-Krise? KOMMUNAL hat sich an verschiedenen Orten in Deutschland umgehört.

Passau, ein Eckbüro unweit des Stadtzentrums. Zwischen den Schreibtischen sind Plexiglasscheiben aufgebaut, auf den Tischen steht Desinfektionsmittel. Während das Vereinsleben durch die Corona-Pandemie vielerorts zwangsläufig brach lag, wurde im Verein „Gemeinsam leben & lernen in Europa“ nahezu durchgearbeitet. „Unser Ziel ist es, Leute zusammen zu bringen und Wissen zu vermitteln“, sagt Geschäftsführerin Perdita Wingerter, und Aufgeben war trotz der starken Einschränkungen keine Devise. Entsprechend haben die Mitglieder des Vereins die Corona-Zeit dazu genutzt, neue „digitale und möglichst interaktive Formate der Begegnung zu erarbeiten“. Ein Podcast wurde gestartet, Online-Sprachpatenschaften ins Leben gerufen und versucht, unter Wahrung aller Infektionsschutzauflagen miteinander in Kontakt zu bleiben, etwa beim gemeinsamen Brotbacken oder Spazierengehen.

Für ein gutes Vereinsleben braucht es gute Netzwerke

Sein Ziel verfolgt der Verein seit 2008 auf unterschiedlichen Wegen. So unterstützt er im ostbayerischen Raum integrative und inklusive Projekte über alle Generationen hinweg und agiert als Verbindungsstelle zwischen Ehrenamtlichen, Unternehmen, Interessenten und Hilfesuchenden. Dabei steht der Verein in ständigem Kontakt zu Stadt und Land Passau und den verschiedenen Einrichtungen vor Ort, etwa den Schulen oder der Flüchtlingshilfe. Dass die Zusammenarbeit auf fachlicher Ebene reibungslos laufe, liege laut Wingerter vor allem an den beteiligten Menschen. „Dass Netzwerke vor Ort gut funktionieren, das dauert. Das braucht Zeit und Vertrauen, es reicht nicht, das rein nominell zu verkünden“, so die Geschäftsführerin.

Denn wenn es ums Ehrenamt gehe, müsse „das Herz dabei sein – und das steht starren Verwaltungsstrukturen manchmal entgegen“. Umso entscheidender ist, welche Unterstützung die Vereine bei ihrer ganz konkreten Arbeit erfahren. „Es ist nicht damit getan, den Leuten einmal im Jahr eine Ehrenplakette zu überreichen“, sagt Wingerter. Vielmehr bräuchten die Vereine praktische Unterstützung und Infrastruktur, zum Beispiel in Form von Räumlichkeiten, technischem Equipment oder Beratung.

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In der Gruppe unterwegs, aber mit Abstand:  Begegnung beim Spazierengehen während der Corona-Zeit

Das bestätigt auch Herbert Temborius, der Vereinsbeauftragte des Kreises Paderborn. In seiner Funktion wirkt er als Schnittstelle zwischen Kommune und Vereinen und erlebt die örtlichen Zusammenschlüsse als ausgesprochen „integrative Institutionen“, gerade wenn es darum geht, „neu zugezogene Bürger in die Quartiers- und Dorfgemeinschaften aufzunehmen“.  Seine Erkenntnis: „Vereine wollen in erster Linie nicht behindert werden. Insofern sind Kommunen gut beraten, Vereinen jegliche Form der Unterstützung zukommen zu lassen.“

Eine seiner Hauptaufgaben ist es, vereinsübergreifend interessante Themen und Informationsbedarf zu erkennen und Informationsveranstaltungen zu organisieren. Dies war zum Beispiel bei der Einführung der Datenschutzgrundverordnung der Fall. „In drei Veranstaltungen wurden knapp 300 Vereinsvertretungen aufgeklärt und geschult, das hat eine Menge Druck von den Vereinsvorständen genommen“, erläutert Temborius. Zudem tritt der Vereinsbeauftragte bei Konfliktsituationen zwischen Vereinen und Behörden als Vermittler auf und berät bei vereinsinternen Differenzen.

Der lebendige Dialog steht im Vordergrund

Gute Kommunikation ist der entscheidende Faktor in der Zusammenarbeit von Kommunen und Vereinen. Das ist auch aus Erfahrung von Hans-Jürgen Schwarz, dem Vorsitzenden des Bundesverbands der Vereine und des Ehrenamts, eindeutig. Kommunen, die die Vereine über Förderungen und Unterstützungsmöglichkeiten informieren, erleben demnach eine „viel kreativere und buntere Vereinsaktivität“. Das stärke die Lebensqualität in den Kommunen selbst. Die Verankerung einer Vereins-Beauftragten in der Kommune bewähre sich zumeist, allerdings dürfe diese keine reine „Verwahrstelle für Anträge sein“, es sollte auch hier der lebendige Dialog im Vordergrund stehen.

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Das Domizil der DLRG in Neu Wulmstorf – mietfrei von der Gemeinde zur Verfügung gestellt

Wie ein solcher Dialog aussehen kann, ist in der kleinen Gemeinde Neu Wulmstorf zu erleben, wo seit 2016 Karin Schröder als Vereins- und Kulturbeauftragte wirkt. Über 70 Vereine gibt es in dem 20.000-Einwohner-Ort und die Kommune unterstützt diese auf vielfältige Art und Weise. So wurde ein Mehrgenerationenhaus als Familienzentrum gebaut und etliche Vereine erhalten mietfrei Räume zur Verfügung gestellt, etwa die DLRG, das Rote Kreuz, der Verein Heidesiedlung oder die Sportvereine.

Im Umfang eines Mini-Jobs in der Kommune verankert, kümmert sich Schröder um die Veranstaltungen, die Vernetzung der Kulturschaffenden und die Beratung und Unterstützung von Vereinen. Sie ist mit dem Ort und den dortigen Vereinsstrukturen seit vielen Jahrzehnten vertraut, was sehr helfe. Zudem sei es ein großer Vorteil, direkt in der Verwaltung angesiedelt zu sein, denn „dann kommt man nicht von außen, sondern ist in den Betrieb mit eingebunden.“ Die Corona-Zeit hat das rege Neu Wulmstorfer Vereinsleben zwar kurzzeitig ausgebremst, aber nicht nachhaltig erschüttert. Vielmehr hätten die meisten Vereine sehr schnell begonnen zu überlegen, was trotz der Einschränkungen geht. „Alles, was irgendwie möglich ist, wird gemacht!“, sagt Schröder.

Für den Bürgermeister ist das aktive Vereinsleben ein Schatz

Auch in der nordrhein-westfälischen Gemeinde Sonsbeck prägen zahlreiche Ehrenamtliche das Gemeindeleben. Für Bürgermeister Heiko Schmidt ist das aktive Vereinsleben ein großer Schatz, den es zu pflegen gilt. So sagt er: „Das Ehrenamt ist enorm wichtig für unsere Gemeinde. Es ist das Rückgrat der Gesellschaft. Dadurch entsteht ein unglaublicher Mehrwert und jeder Euro, den wir als Kommune in die Vereinsarbeit stecken, wird uns letztlich zigfach zurückgespielt.“ Entsprechend werden besonders engagierte Vereine regelmäßig in den Rat eingeladen, gibt es in Sonsbeck einen Ehrenamtstag pro Jahr und erhalten die Vereine Unterstützung im ganz praktischen Bereich. Das reicht von der Kopiermöglichkeit im Rathaus bis zur Manpower durch den Bauhof.

„Wir sind eine sehr kleine Kommune – da kennt man sich. Ich weiß, wo der Schuh drückt bei den Vereinen und umgekehrt wissen sie, dass das Rathaus jederzeit offen ist für ihre Anliegen. Die Gemeinde Sonsbeck hat sich zudem dazu entschlossen, in Kooperation mit der Nachbargemeinde Alten einen „digitalen Dorfplatz“ zu schaffen – eine lokal begrenzte, nicht werbefinanzierte und vertrauenswürdige Online-Plattform, auf der Vereine auf ihre Aktivitäten aufmerksam machen können, die Gemeinde mit den Bürgern kommunizieren kann und auch örtliche Unternehmen ein Podium haben. „Es war mir schon vor Corona sehr wichtig, dass wir eine Plattform haben, auf der Interaktion stattfinden kann“, so Schmidt.  Der digitale Dorfplatz wird durch die Gemeinde finanziert, langfristig soll er durch ein Leader-Projekt fortgeführt werden. Ob dies gelingt, ist offen.

Der Regionalmanager ist Bindeglied

Langjährig bewährt hat sich die Arbeit der AktivRegion Eider-Treene-Sorge, die über europäische Fördermittel finanziert wird und über kommunale Grenzen hinweg daran arbeitet, die Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit der Region stetig zu verbessern. Tim Richert ist Regionalmanager der AktivRegion und hat mit Kommunalvertretern ebenso zu tun wie mit engagierten Bürgern und Interessensvertretern. So werden in der Aktiv-Region Projekte von kommunalen und privaten Trägern verwirklicht, die zur Belebung und Wahrung der Region beitragen. Dabei sitzen kommunale Vertreter ebenso im Vorstand wie etliche vorwiegend ehrenamtliche Wirtschafts- und Sozialpartner, darunter die Landfrauen, Touristiker oder Vertreter der IHK. „In der Aktivregion wird das Bottom-Up-Prinzip aktiv gelebt“, sagt Richert, und so stehen etwa die Workshops, in denen zu Beginn einer neuen Förderperiode die Schwerpunkte für die nächsten Jahre definiert werden, explizit allen Interessierten offen.

„Je früher die Bürger miteingebunden werden, desto aktiver sind sie auch später bei der Umsetzung dabei“, weiß er aus Erfahrung. Die Ämter erlebt Richert bei seiner Arbeit als „professionellen Arm für die Ehrenamtlichen - dort können sie sich Rat holen“. Ebenso bräuchte die Verwaltung aber auch die Bürger, damit Projekte auch angenommen werden. Ein Beispiel für ein solches Projekt ist die multifunktionale Beachanlage der Gemeinde Christiansholm, die als Ergebnis einer Zukunftswerkstatt in Kooperation mit der Nachbargemeinde Meggerholm entstanden ist. Zahlreiche Bürger, auch 30 Kinder und Jugendliche, erarbeiteten in einer Projektgruppe mit Vertretern der AktivRegion und der Kommune ein Konzept für die Neugestaltung des Spiel- und Sportplatzes.

Anfang August wurde die so entstandene Beachanlage eingeweiht. Ein Erfolg in mehrerlei Hinsicht: Zum einen war das Projekt finanziell attraktiv – So wurden 15.993,34 Euro der Gesamtkosten von 19.916,67 Euro aus dem Regionalbudget gefördert, der kommunale Eigenanteil betrug nur 3.983,33 Euro. Zum anderen ist der Zusammenhalt gewachsen. „Durch die Akteure in der Projektgruppe ist eine noch intensivere Identifikation mit dem dörflichen Mittelpunkt wahrnehmbar geworden“, so Richert. Es ist nur ein Beispiel von vielen.

Fotocredits: Gemeinde Sonsbeck, Ralf Tiessen, Gemeinsam leben & lernen in Europa