Konstanz
Konstanz rief 2019 als erste Stadt Deutschlands den Klimanotstand aus.
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OB-Umfrage

Klimaschutz beschäftigt Städte am meisten

Erstmals nennt die Mehrheit der Oberbürgermeister in Deutschland den Klimaschutz als das mit Abstand wichtigste aktuelles Handlungsziel für die Kommune. Dieses Ergebnis der Jahresbefragung für das "OB-Barometer 2022" hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) jetzt bekannt gegeben. Allerdings wurde die Befragung vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine durchgeführt.

Für 61 Prozent der Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister steht der Klimaschutz als Aufgabe in ihrer Stadt ganz oben. Bei der Befragung durch die Difu-Experten im Jahr davor hatten noch deutlich weniger -  nämlich  nur 45 Prozent  - den Klimaschutz als große Herausforderung angesehen. Vor allem die Verantwortlichen in den großen Städten ab 200.000 Einwohner sehen den Klimaschutz als dringlich an. Allerdings unterscheiden sich die Prioritäten in den alten und neuen Bundesländern:  Nur gut ein Drittel der Oberbürgermeister in den ostdeutschen Städten nannte den Klimaschutz bei den wichtigsten Aufgaben zuerst. Zur Einordnung: Die Stadtspitzen  wurden für das "OB-Barometer" bereits im Januar und Februar dieses Jahres befragt. Das war zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie und unmittelbar vor dem Krieg Russlands in der Ukraine. Die Umfrage spiegelt also noch nicht die gravierenden Folgen des Ukraine-Krieges für die Kommunen wider. Die deutschen Städte und Gemeinden haben bislang Hunderttausende von Kriegsvertriebenen aufgenommen.

Klimaschutz und Wohnen größte Herausforderungen

Zu den drängenden Herausforderungen, die die Städte zum Zeitpunkt der Befragung beschäftigten, zählten nach dem Klimaschutz die Coronamaßnahmen und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Für 42 Prozent der befragten Oberbürgermeister gehört die Wohnraumfrage zu den wichtigsten Aufgaben in der Stadt. Die Corona-Maßnahmen beschäftigten vor allem die ostdeutschen Kommunen stark. Für 64 Prozent waren sie Anfang des Jahres das wichtigste kommunale Handlungsfeld.

Mobilität als wichtiges Themenfeld

Als weitere große Herausforderungen nannten die Oberbürgermeister Mobilität, Finanzen, die Innenstadtentwicklung und die Digitalisierung. 21 Prozent führen die Wirtschaft an, 16 Prozent als wichtiges Handlungsfeld das Soziale Engagement und 14 Prozent die Bildung mit großem Handlungsbedarf.

Vor allem die Stadtspitzen der großen süddeutschen Städte in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beschäftigen die Themen Wohnen und Mobilität, heißt es in der Auswertung durch das Institut. An Bedeutung hat das Thema Innenstadtentwicklung  gewonnen, wohl auch durch Corona. Während die Situation der Innenstädte im Jahr 2020 nur für 4 Prozent der Stadtspitzen ein großes Thema war, ist es in diesem und im vergangenen Jahr für rund ein Viertel der Befragten eines der wichtigsten Handlungsfelder in ihrer Stadt. 

Die Folgen von Corona, so das Ergebnis der Umfrage, beschäftigen die Städte nach wie vor,  sie werden als besser handhabbar eingeschätzt als noch 2021. Das gilt besonders für den befürchteten Rückgang von Steuereinnahmen. Dies sei auch darauf zurückzuführen, dass Bund und Länder den Kommunen ihre Gewerbesteuerausfälle für 2020  weitgehend kompensiert haben. Allerdings sehen die Oberbürgermeister die Herausforderungen durch die Existenzgefährdung von Handel und Gastronomie, der Kulturszene sowie die Verödung der Innenstädte weiterhin als gravierend an.

OB-Barometer

Auch im Hinblick auf die Zukunftsthemen steht das Klima mit deutlichem Abstand ganz oben, gefolgt von Mobilität, so das Difu. Dies unterstreiche den großen Stellenwert, den die Stadtspitzen Umweltfragen einräumen. „Bedenkt man, dass es bei der urbanen Mobilität entscheidend darum geht, Lösungen jenseits des motorisierten, CO2-emittierenden Individualverkehrs zu entwickeln, wird deutlich, dass mit Mobilität ein zweites Klimathema oben auf der kommunalen Agenda rangiert“, kommentierte Difu-Institutsleiter Carsten Kühl die Ergebnisse des aktuellen "OB-Barometer 2022". Zu weiterhin wichtigen Zukunftsthemen gehören Wohnen, Digitalisierung und Finanzen.

Kampf um die Fachkräfte

Zum ersten Mal taucht das Thema „Fachkräfte halten und Fachkräfte gewinnen“ unter den Top 10 der wichtigsten Zukunftsthemen auf. Vor allem in den ostdeutschen Städten rückt das Thema der Fachkräftegewinnung auf die politische Agenda, gut ein Drittel der dortigen Stadtspitzen nennt das Thema. „Die Umfrage macht deutlich, dass der Fachkräftemangel nun auch in den kommunalen Verwaltungen und in den kommunalen Unternehmen angekommen ist. Dieses Problem wird sich ohne Zweifel in den nächsten Jahren verschärfen. Die Kommunen sind gefordert zu zeigen, dass sie attraktive Arbeitgeber sind“, sagte Projektleiterin Beate Hollbach-Grömig.

Die Handlungsfelder, in denen sich die Stadtspitzen bessere Rahmenbedingungen durch Länder, Bund oder EU wünschen, haben sich laut "OB-Barometer 2022" nur wenig verändert: Am häufigsten werden die Digitalisierung, das Wohnen und die Finanzen genannt.

Rahmenbedingungen für Kommunen Grafik Umfrage

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte KOMMUNAL: "Klimaschutz und Klimaanpassung bleiben die zentralen Herausforderungen für die Städte und Gemeinden. Wir müssen immer wieder mit schwerer Hitze und Dürre rechnen, und unsere Städte darauf vorbereiten." Gebraucht würden mehr Wasser, mehr Schatten und eine bessere Aufenthaltsqualität.  Gleichzeitig gelte es aus Klimagründen die Verkehrswende voranzutreiben, aber mit Augenmaß. Es seien die Städte und Gemeinden vor allem in den ländlichen Räumen,  in denen die alternativen Energieanlagen errichtet und betrieben werden müssen. "Das muss schneller und konsequenter gehen", so Landsberg. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Probleme bei den Lieferketten und die Preisexplosionen werden viele Anstrengungen verlangsamen, führt er an.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages sagte: „Für die Städte steht der Klimaschutz schon lange weit oben auf der Agenda." Er betonte: "Der Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen zeigen deutlich: Wir müssen noch schneller wegkommen von fossiler Energie. Das Handlungsfeld ist riesig und fast alle kommunalen Bereiche sind betroffen: von der klimafreundlichen Mobilität, der energetischen Sanierung, grüner Energie und mehr Effizienz bis hin zu mehr Wasser und Grün in der Stadt.“

OB-Barometer seit 2015

Das Deutsche Institut für Urbanistik befragt die (Ober-)Bürgermeister von Städten ab 50.000 Einwohnern seit 2015.  Die Ergebnisse basieren laut Difu auf einer repräsentativen telefonischen Befragung, durchgeführt durch das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap. Die Befragung wird vom Deutschen Städtetag und vom Deutschen Städte- und Gemeindebund unterstützt.

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