Woher nehmen? Klimaschutz ist in finanzschwachen Kommunen ein Problem.
Die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen ist in finanzschwachen Kommunen ein Problem.
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Debatte

Klimaschutz: "Einen Euro kann man nur einmal ausgeben!"

Der bisherige Klimaschutzmanager in Engelskirchen, Thomas Nonte fordert: "Klimaschutz sollte schon längst Pflichtaufgabe der Kommunen sein." Angelika Siepmann vom Umweltamt der Stadt Essen sagt dazu Ja - und Nein.

KOMMUNAL: Frau Siepmann, sollte Klimaschutz eine kommunale Pflichtaufgabe sein?

Wenn wir als Bundesrepublik Deutschland die Ziele erreichen wollen, zu denen wir uns verpflichtet haben: ein unbedingtes Ja. Klimaneutral werden ohne die Kommunen? Das wird nicht gehen. Wer das so kategorisch fordert, muss den Kommunen aber auch sagen, wie sie die dafür erforderlichen Maßnahmen finanziell stemmen können. 

Essen war - wie die Nachbarstädte Mülheim und Oberhausen - lange in der Haushaltssicherung. Dazu kommt, dass die NRW-Kommunen von allen Bundesländern mit den höchsten Kassenkrediten belastet sind. Eine Gefahr für den Klimaschutz?  

Beides stimmt. Essen hat sich in den vergangenen Jahren zwar ein wenig freigeschwommen, aber natürlich gilt noch immer: Einen Euro kann man nur einmal ausgehen und jeder Euro für den Klimaschutz ist gut investiert und hat hohe Priorität. Aber das Geld fehlt dann eventuell an anderer Stelle.

Also keine gesetzgeberische Festschreibung des Klimaschutzes für Gemeinden?

 In vielen Fachgesetzen ist der Klimaschutz ja bereits verankert. Stadtentwicklung ohne die Belange des Umweltschutzes - Walderhaltung, Artenschutz, Biodiversität, Ressourcenschonung - zu beachten, das geht nicht mehr und in Förderanträgen zur Städtebauförderung sind Maßnahmen des Klimaschutzes zu berücksichtigen. Außerdem ist klar erkenntlich, dass der Stellenwert des Umweltschutzes auch ohne rechtlich bindende Vorgaben in den Kommunen sehr viel größer ist als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Klimaschutz ist längst eine Querschnittaufgabe, die in allen Ressorts in der ein oder anderen Form zum Tragen kommt. Wenn Klimaschutz aber eindeutige Pflichtaufgabe für die Gemeinden würde, hätte dies den Vorteil, dass für die Aufgabenerfüllung Personal und Finanzen zur Verfügung stehen müssten.

Ihre Stadt hat sich das Ziel, 2030 klimaneutral zu sein, nicht gesteckt. Warum?

Das haben wir als Kommune ganz bewusst vermieden, weil die besten und ambitioniertesten Ziele nichts nutzen, wenn nicht klar ist, wie die Ziele erreicht werden können. Bei uns im Ruhrgebiet kommen mehrere Dinge zusammen, die es anderswo so nicht gibt. Essen ist nach 1945 als autogerechte Stadt geplant worden. Die Auswirkungen dieser aus heutiger Sicht verfehlten Stadtplanung können wir nicht von heute auf morgen umkehren. Außerdem reicht es in einem Ballungsgebiet wie dem unseren nicht, als einzelne Stadt Sonderwege zu gehen. Nehmen wir den Verkehr: Das Ruhrgebiet ist durchzogen von mehreren großen Stadtautobahnen. Wenn wir den Autoverkehr mittelfristig zurückdrängen wollen, dann sind die Erfolgsaussichten deutlich größer, wenn das eine Entscheidung der Metropole Ruhr beziehungsweise des Landes Nordrhein-Westfalen und nicht nur der Stadt Essen ist. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Stadt Essen nicht in allen Sektoren den Weg zur Klimaneutralität alleine beeinflussen kann und insbesondere bezogen auf die Mobilität ein geändertes Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und Bürger notwendig ist.   

Welche Prioritäten setzt die Stadt Essen in Sachen Klimaschutz?

Seit unserer Bewerbung als Grüne Hauptstadt 2017 hat sich bei uns sehr viel bewegt. So ganz ohne Kontrolle der Maßnahmen ist dieser Titel ja auch nicht zu haben. Ausgezeichnet worden sind wir unter anderem für unsere Bemühungen, alte Industriebrachen entweder der Natur zurückzugeben oder auf ihnen zukunftstauglichen Wohnraum inklusive Radwege und Naherholungsbereiche zu schaffen. Im Univiertel etwa haben wir erst die Grünflächen geplant und dann erst die Häuser. Außerdem planen wir eine neue Citybahn, die als Ost-West-Verbindung das Stadtquartier ESSEN 51 an den Hauptbahnhof anbindet. Die schnelle Fahrzeit von acht bis neun Minuten wird hoffentlich viele Menschen bewegen, dass Auto stehen zu lassen. Richtig gut angenommen werden auch unsere Fördermaßnahmen im Bereich Solaranlagen, Lastenfahrräder und Gründächer. 

Vorzeigeprojekt: Niedefeldsee in Essen

Investitionen in Klimaschutz - das wird in anderen Kommunen deutlich - können den Städten langfristig sogar Geld sparen helfen. Eine richtige Einschätzung?   

Durchaus. Gerade im Gebäudesektor und bei den kommunalen Liegenschaften sind enorme Einsparpotenziale vorhanden. Das hat unsere Teilnahme am European Energy Award ganz deutlich gezeigt. In diesem Bereich gibt es auch in Essen noch viel zu tun.    

Welchen Stellenwert hat der Klimaschutz, wenn es um die Haushaltsplanung in Ihrer Stadt geht?

Natürlich gibt es zwischen den Ressorts immer mal wieder Diskussionen um die einzelnen Budgets für die städtischen Aufgaben, die mit den Jahren ja auch nicht geringer, sondern eher umfangreicher geworden sind. Da werden natürlich auch die Budgets des eigenen Ressorts verteidigt. Generell nehme ich aber wahr, dass das Verständnis für notwendige Klimaschutzmaßnahmen in den letzten Jahren ressortübergreifend deutlich größer geworden ist. Vergleichbar gestiegen ist aber eben auch die Erwartungshaltung des Bundes an die Kommunen. Und diese Erwartungshaltung sollte sich auch in einer größeren Unterstützung der Kommunen widerspiegeln.   
 

Fotocredits: Stadt Essen