Mit ihrem Partybus wollen die beiden ITler den ländlichen Raum aufmischen. ©Sonderfahrt

Partybus durch Sachsen-Anhalt

In Deutschland greift das Kneipensterben um sich. Mit der letzten Kneipe verschwindet gerade in kleinen Gemeinden häufig auch der letzte Ort für die abendliche Freizeitgestaltung. Zwei Unternehmer aus Sachsen-Anhalt wollen Abhilfe schaffen: Mit ihrer "Sonderfahrt" bringen sie die Kneipe zurück aufs Land.

Nach der Arbeit noch ein Feierabendbier trinken, sich abends auf ein Getränk mit dem besten Kumpel treffen, oder mit dem Kegelclub um den König spielen – Dorfkneipen gehören in kleinen Gemeinden ganz selbstverständlich zum sozialen Leben dazu. Doch schon seit vielen Jahren müssen immer mehr Kneipen schließen. 2015 gab es in Deutschland bereits knapp 12.000 Kneipen weniger als noch zehn Jahre zuvor. Für kleine Kommunen ist das ein großes Problem, denn ohne eine Kneipenkultur sinkt die Attraktivität für Einwohner und Leute, die sich nach einem neuen Wohnort umschauen.

Partybus soll Freizeitangebot auf dem Land verbessern

In Sachsen-Anhalt haben sich der Informatiker Sebastian Zierbock und der Grafikdesigner Michel Töpfer genau diesem Problem angenommen. Sie haben ihre Jobs gekündigt, einen alten Linienbus mit etwa 40 Quadratmetern Fläche gekauft und ihn zu einer Kneipe umgebaut. Erfahrung hatten beide bereits, denn vor der Arbeit im IT-Bereich haben sie in der Gastronomie gearbeitet – Sebastian Zierbock als Koch, Michel Töpfer als Leiter einer Kneipe. „Vor zehn Jahren konnte man hier noch jedes Wochenende auf eine andere Veranstaltung gehen“, erinnert sich der 29-jährige Sebastian Zierbock. „Heute gibt es das eigentlich nur noch für ältere Leute. Die Jungen werden auf dem Dorf übersehen.“ Darunter hatten Zierbock, Töpfer und ihr gemeinsamer Freundeskreis im Südharz zu leiden. Und so kam es zu der Idee: Wieso nicht eine mobile Kneipe aufmachen, die auf Wunsch in Orte kommt, die keine Freizeitangebote für junge Leute mehr haben?

Vor einem Jahr kauften sie einen Gelenkbus, nahmen fast alle Sitze bis auf den Fahrersitz raus und bauten eine große Küche mit viel Kühlraum, eine Bar und einen Sitzbereich mit etwa 15 Plätzen ein. Auf einer Seite nahmen sie Fenster heraus, um – wie bei einem herkömmlichen Streetfood-Truck – Essen und Getränke nach draußen verkaufen zu können. In dem Bus können nicht nur Getränke gekühlt werden, Sebastian Zierbock brät hier für seine Gäste auch Burger und kocht einige leckere Kleinigkeiten. „Wir sind die einzigen in Deutschland, die in ihrem Bus Getränke ausschenken und gleichzeitig Speisen zubereiten“, erzählt Zierbock. „Und außer uns gibt es überhaupt nur ein weiteres Gastronomieunternehmen, das einen Gelenkbus besitzt.“

"Keine Steine in den Weg gelegt"

Die nötigen Genehmigungen für den Bus zu bekommen sei nicht schwer gewesen. „Alle fanden, dass der Bus eine gute Idee ist und haben uns keine Steine in den Weg gelegt“, erzählt Zierbock. Die Anschaffung des Busses, die Umbauarbeiten, der Einbau von Möbeln – alles in allem hat das Projekt 20.000 Euro gekostet. So konnte vor einem Monat die erste „Sonderfahrt“ in Sangerhausen starten und für den Rest des Jahres ist der Bus schon fast ausgebucht. Neben dem Bus mit Speisen und Getränken, hatten die beiden in Sangerhausen auch noch zwei Bands organisiert, die auf dem Veranstaltungsgelände spielten. 200 Leute kamen zum „Grand Opening“. Von 16 bis 75 Jahren waren Besucher jeden Alters dabei. „Der Abend war chaotischer als geplant und es kamen weniger Leute als gehofft, aber wir sind ja auch noch am Anfang.“

Eine Schwierigkeit für das Konzept stellen die Genehmigungen dar. Denn in jeder Stadt, die der Bus besucht, müssen Zierbock und Töpfer theoretisch erstmal eine Veranstaltung anmelden und genehmigt bekommen. Das ist mit viel bürokratischem Aufwand und einigen Auflagen verbunden. „Hier in der Gegend kennen wir die Leute, da können wir mit den Bürgermeistern persönlich sprechen und dann ist alles nicht so kompliziert“, erzählt Zierbock. „Aber anderswo muss man mit ein bis zwei Wochen Vorbereitung rechnen.“ Deshalb arbeiten die beiden daran mit ihrem Bus bekannter zu werden. In einem Umkreis von 100 Kilometern wollen sie ihre Dienste anbieten. Deshalb haben sie gerade erst am Mountain Joke Lake Festival teilgenommen und werden ihren Bus auf der „Iss gut“-Messe in Frankfurt vorstellen. Auch mit einigen Bürgermeistern aus der Region haben sie Kennenlerntermine gemacht. Doch bis einschließlich Dezember können sie kaum noch Veranstaltungen annehmen. So beliebt ist der Bus im Südharz bereits. In den nächsten Wochen wird er in Sangerhausen, Hettstedt, Emseloh, Tilleda und Eisleben Halt machen. „Und hin und wieder brauchen wir auch mal ein Wochenende für die Organisation“, sagt Zierbock. Im nächsten Jahr soll es dann aber auch aus dem Südharz raus und in unbekanntere Gefilde gehen.