Bürgerversammlungen können auch Studenten und Jugendliche begeistern

Volle Reihen bei Bürgerversammlung

In Bayern hat ein Bürgermeister aus den klassischen Bürgerversammlungen ein regelrechtes Spektakel gemacht. KOMMUNAL berichtet über eine innovative Idee, die die Besucherzahlen nach oben schnellen lässt.

Mit seinen Karten in der Hand fegt Christian Moser über die Bühne, spricht ins Mikrofon und zeigt mit seinem rechten Zeigefinger auf das große Display im Hintergrund, auf dem ein Video abgespielt wird. Die Zuschauer sind still, hören gebannt zu. Was wie eine Show wirkt, ist eine Bürgerversammlung. In Deggendorf, Bayern. Die Idee, die Bürgerversammlung nicht nur als Informationsaustausch zwischen Bürgern und Bürgermeister, sondern als Event, ja vielmehr als Entertainment aufzuziehen, kam von Dr. Christian Moser, dem Oberbürgermeister selbst.   Seit 2012 ist er im Amt. 2013 führte er die neue Art von Bürgerversammlungen ein. Die Idee dahinter: den Bürgern mehr zu bieten. Mit seinem neuen Konzept schaffte Moser es, die Besucherzahlen in kurzer Zeit von 320 Personen auf über 630 praktisch zu verdoppeln.  

Christian Moser steht auf der Bühne. Was auf keinen Fall fehlen darf? Seine Karten!

Was unkompliziert und einfach klingt, bedeutet für Moser und sein Team viel Organisation und Vorausplanung:  Bevor die Deggendorfer in den Saal kommen, können sie mit regionalen Einrichtungen, dem Jugendzentrum oder der Polizei in Kontakt treten und austauschen. Sie haben eigene Infostände vor Ort. Die Besucher können erfahren, was das Jugendzentrum für das nächste Jahr plant, ob die Polizei neue Autos kriegt oder welche Herausforderungen für den Hochwasserschutz anstehen. Im ersten Jahr musste Mosers Team sich noch auf die Suche nach Ausstellern machen, heute fragen sie von alleine an. Und auch die Gäste kommen gerne her. Unter ihnen sind viele Jugendliche. „Wir sind verstärkt in Hochschulen unterwegs gewesen, haben die Jugendlichen persönlich angesprochen, Einladungen ans schwarze Brett gehängt und die sozialen Netzwerke genutzt“, erklärt Moser. Auch viele ausländische Studenten kommen. Sie sind neugierig, wollen mal reinschauen, sich ein eigenes Bild machen, Politik hautnah erleben. Und wo würde es sich mehr anbieten als auf einer Bürgerversammlung? 

Bürgerversammlung - auch Familien sollen kommen

„Wir freuen uns, dass so viele Jugendliche teilnehmen. Aber wir wollen den Fokus nicht nur auf sie legen, sondern auch anderen eine Teilnahme ermöglichen. Zum Beispiel Familien. Früher konnten viele Eltern nicht teilnehmen, weil sie niemanden hatten, der auf die Kinder aufpasst. Deshalb bieten wir seit vorletztem Jahr auch eine Kinderbetreuung an. Die Kleinen können in Ruhe spielen und die Eltern sorglos an der Bürgerversammlung teilnehmen“, führt Moser an.  Vor Beginn der Veranstaltung spielt die Stadtkapelle, Wein wird ausgeschenkt und Moser begrüßt seine Gäste persönlich. An einer Fotowand können die Besucher Fotos mit der historischen Figur Ackles, die der Stadt die Stadtrechte verlieh, machen und die Fotos später mitnehmen.   Wenn die eigentliche Bürgerversammlung startet, ist der Saal gut gefüllt. Moser steht auf der Bühne, hält seine Moderationskarten in der Hand und kündigt eine Überraschung an. Seine Abteilung hat einen Film gedreht. „I mog Deggendorf, weil…“ Auf dem Film erzählen Passanten, warum sie Deggendorf lieben und das sorgt für Gelächter, weil viele Verwandte, Freunde oder Bekannte erkennen. Nach dem Film steht Moser wieder im Mittelpunkt. Er hat eine Stunde Zeit, um die wichtigsten Themen anzusprechen. Im Hintergrund läuft eine Diashow mit Bildern von neuen Projekten. Moser geht auf jedes einzeln ein, beschreibt Fortschritte, erklärt Probleme. Und auch die Kritik vom letzten Jahr hat sich Moser gemerkt, erklärt heute, was verändert werden konnte und was nicht klappen konnte. Dann gibt es eine Pause. Während sich Moser auf die zweite Runde vorbereitet, können sich die Deggendorfer Fragen überlegen, die sie auf Karten aufschreiben. Danach geht es zurück in den Saal. Moser muss Rede und Antwort stehen. Und auch hier gibt es einen kleinen Erfolg zu verbuchen: Die Anzahl der Fragekarten ist gestiegen, sodass Moser mehr Input von seinen Deggendorfern erhält. Mutige Teilnehmer können auch aufstehen, ans Mikrofon gehen und Moser direkt mit Fragen konfrontieren. Teile der Bürgerversammlung werden über Facebook Live übertragen. Und die Zahlen sprechen für sich: rund 4000 Zugriffe konnte Mosers Team zählen. Am Ende der Veranstaltung folgt eine Verlosung: Es gibt Karten für Eishockeyspiele, Segelstunden, kleine Pflanzen, städtischen Apfelsaft und Bienenhonig zu gewinnen. Der Honig stammt aus dem Rathausgarten, indem es zwei Bienenstöcke gibt. Damit schafft Moser nicht nur Freude bei den Besuchern, sondern auch eine Bindung zu Deggendorf selbst. Sein Ziel: Regionalität besser zu vermarkten. Am Ende strömen die Besucher aus dem Saal in Richtung Zuhause. Nur noch einer bleibt bis zum Schluss. Denn der letzte, der geht, ist Moser.    

Auch von Njema Drammeh