Christian Erhardt fordert einen Populismus der Mitte!

Wir brauchen mehr Populismus!

Bei der Bundestagswahl waren die Rechtspopulisten vor allem in ländlichen Regionen erfolgreich. „Neben der Überheblichkeit der städtisch geprägten Berliner Politik trägt auch das Abhängen der Provinz zum Erstarken bei“, meint Christian Erhardt und fordert mehr Populismus der Mitte!


Der Erfolg in der „Provinz“ spiegelt die Stimmung wider: Da geht es nicht in erster Linie um Angst vor Zuwanderern, das sind die Menschen in Westdeutschland seit den 50er Jahren gewohnt. Es geht um das Gefühl, „das große Berlin entscheidet, was ich in meiner kleinen Welt dann ausbaden muss“. Probleme wie fehlende Breitbandverbindungen auf dem Land oder marode Schulen spielten nur am Rande eine Rolle in diesem Wahlkampf. Auf dem Land sind viele Menschen von guter Infrastruktur abgehängt und auch besser gebildete fühlen sich daher abgehängt gegenüber den Städtern. Somit ist die AfD auch ein stückweit die Rache der Landbevölkerung für die Überheblichkeit der Großstädter und vor allem der Politiker im vermeintlich so hippen Berlin.

Populismus nicht den Rechten überlassen!

Das Problem: Politiker haben den Populismus den Rechten überlassen. Nehmen wir Populismus doch mal beim Wort: Es stammt aus dem lateinischen „Populus“ und bedeutet „Volk“ – im Grunde geht es also um volksnahe Politik und um nichts Anderes.
Doch was macht das für viele so ferne Berlin? Nach der Silvesternacht in Köln verurteilte die Bundeskanzlerin erst am 5. Januar – also fast eine Woche nach den Übergriffen – die Taten öffentlich. Vorher von allen Seiten das Schweigen im Walde, nur tröpfchenweise kam das ganze Ausmaß der Taten ans Licht. Diese Nacht bildete den Wendepunkt in der Flüchtlingsdebatte. Nicht in erster Linie wegen der Übergriffe an sich, vor allem wegen des Umgangs damit. Eine einfache, schnelle Videobotschaft am 1. Januar, eine direkte Ansprache mit modernen Mitteln an die Menschen mit deutlichen Worten hätte genügt. In einfachen Sätzen. Ohne zu viel Diplomatie. Ja, das wäre populistisch gewesen, es hätte aber auch eine klare Haltung gezeigt! Und den Menschen das Gefühl gegeben, dass „die da oben“ sich kümmern, die Sorgen der Menschen verstehen. Da beklagen sich Politiker aller Parteien (zu Recht) darüber, dass US-Präsident Trump nach der Gewalt durch Rechtsextremisten in Charlottesville tagelang keine „passenden Worte“ findet. Doch selbst sind sie kaum besser.

Bundespolitiker sollten von Kommunalpolitikern lernen

Genau das unterscheidet leider viele Politiker in Berlin inzwischen von uns Kommunalen. Nach dem Anschlag im bayerischen Ansbach etwa wäre es undenkbar gewesen, dass sich die dortige Bürgermeisterin tagelang nicht äußert. Carda Seidel war nur wenige Minuten nach dem Anschlag vor Ort, sprach mit Verletzten, Notärzten und Sanitätern. Genau das wird von uns erwartet. Wenn der Bürger ein Problem hat, spricht er seine Lokalpolitiker direkt an. Keine Zeit, tagelang abzuwägen und zu taktieren. Klare Worte, eine klare Haltung ist gefragt. Auch wenn man nicht immer sofort eine Lösung parat hat. Da zu sein, zuzuhören, die Sorgen ernst nehmen – das ist Populismus in seinem besten Sinne! Von den 260.000 – meist ehrenamtlichen - Kommunalpolitikern vor Ort, die jeden Tag im Dialog mit den Bürgern stehen, kann manch einer im Bundestag noch viel lernen. Nicht umsonst zeigen Umfragen, dass das Ansehen von Politikern sinkt, je höher die Ebene ist. Der Lokalpolitiker vor Ort genießt zu Recht eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung als der Landtagsabgeordnete oder der Bundestagsabgeordnete. Wenn wir die kommunalen Strukturen jedoch weiter zerstören – etwa durch Gebietsreformen oder das Abhängen ländlicher Räume – dürfen wir uns nicht wundern, wenn der Frust „über die da oben“ weiter zunimmt. Daher frei nach Willy Brandt: „Mehr Populismus wagen“! Einen Populismus aus der Mitte der Gesellschaft!

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