Deutschlands Stadtwerke müssen ihre E-Ladesäulen teils zwangsweise verkaufen
Deutschlands Stadtwerke müssen ihre E-Ladesäulen teils zwangsweise verkaufen
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Rückschlag für E-Mobilität?

EU Richtlinie zwingt Stadtwerke zum Verkauf von E-Ladesäulen

Eine EU-Bestimmung sieht die Trennung von Stromnetz und Ladesäulenbetrieb vor. Viele Stadtwerke sehen sich daher gezwungen, ihre teuer aufgebauten Ladesäulen wieder zu verkaufen. Doch es gibt Möglichkeiten, den kompletten Verkauf zu umgehen - mit einem legalen Trick.

Deutschlands Kommunen rühmen sich, Vorreiter in Sachen Elektromobilität zu sein. Nicht nur, dass der Anteil an E-Autos in Deutschlands Rathäusern in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen ist - auch beim Aufbau von Ladesäulen spielen die Städte und Gemeinden eine wichtige Rolle. So haben auch wir bei KOMMUNAL immer wieder dazu aufgerufen, auch in kleineren Orten und nicht nur entlang der großen Fernstraßen Elektromobilität zu unterstützen. Wichtigste Voraussetzung dafür sind E-Ladesäulen. Teils haben Kommunen diese jahrelang sogar kostenfrei zur Verfügung gestellt. Andere bieten noch immer günstige Tarife- bei den Stadtwerken Uelzen etwa gibt es eine Art Flatrate - einmal "Komplettaufladen" kostet an allen Stationen im Ladenetz (in der Stadt in Niedersachsen stehen mehr als 20 Ladestationen) nur 4,95 Euro. Der Trend zum kostenfreien Laden derweil nimmt seit rund zwei Jahren in den Kommunen deutlich ab. 

Stadtwerke müssen ihre Ladesäulen verkaufen

Doch nun droht den zahlreichen Kommunen, die in den vergangenen Jahren häufig über ihre örtlichen Stadtwerke die Ladeinfrastruktur aufgebaut haben, ein jähes Ende dieser Vorreiterrolle. So etwa in Achim, ebenfalls in Niedersachsen. Vor vier Jahren hatte man hier mit Hilfe der Stadtwerke ein Netz aufgebaut. Das neue EU-Gesetz bedeutet für die Stadt nun: Das Kapitel E-Ladepunkte ist bereits wieder beendet. Ein Weiterbetrieb ist zwar grundsätzlich möglich, kommt für die Achimer aber nicht in Frage. Dafür müsste der Versorger eine eigene Geschäftssparte aufbauen, um den Gesetzesauflagen Genüge zu leisten. „Das verursacht nur Kosten“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Sven Feht - zusätzlich zu jenen für die Ladesäulen, von denen bis heute keine die Anschaffungsinvestitionen eingespielt habe.

Schuld ist der Paragraph 7c des Energiewirtschaftsgesetzes - er legt fest, dass Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen weder Eigentümer von Ladepunkten für Elektromobile sein noch diese Ladepunkte entwickeln, verwalten oder betreiben dürfen. Sinn der Übung ist es, regulierte von wettbewerblich organisierten Geschäftsbereichen sorgsam zu trennen, um den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten eigentlich eine gute Idee.

Die Politik schießt uns gesellschaftlich mal wieder ins Knie"

Klaus Burkhardt, Chef der Energieversorgung Selb/Marktredwitz.

Wettbewerb bei E-Ladeäulen - meist Fehlanzeige 

Denn in der Tat fällt auf, dass Wettbewerb bisher beim Thema E-Ladesäulen Mangelware ist. So explodieren die Kosten pro Kilowattstunde auch bei städtischen Anbietern in den letzten Monaten - wobei zweifelsohne auch die stark gestiegenen Stromkosten dabei eine wichtige Rolle spielen. Inzwischen sind aber 60 Cent pro Kilowattstunde an sogenannten AC Ladesäulen (langsame Ladesäulen, die bis zu 8 Stunden für das Aufladen eines Fahrzeugs benötigen) keine Seltenheit mehr. 60 Cent bei einem Verbrauch von 20KwH für einen Mittelklassewagen bedeutet Kosten von rund 12 Euro auf 100 Kilometern. Das ist nicht selten teurer, als Benzin oder Diesel. Diverse Schnelladesäulen (Aufladen meist innerhalb von ca. 30 Minuten) schlagen häufig mit bis zu 75 Cent zu Buche. 

Ein Grund: Es gibt bisher nur entlang der Autobahnen ein halbwegs engmaschiges Netz an privaten Betreibern - die großen Benzinkonzerne wie Aral und Shell dominieren hier den Markt mit Kosten zwischen 65 und 75 Cent je Kilowattstunde. Lediglich das Tesla-eigene Netzwerk liegt mit Kosten von rund 40 Cent je Kilowattstunde deutlich darunter, steht an vielen Stellen aber auch nur Fahrern eines entsprechenden Fahrzeugs der Marke zur Verfügung. Schaut man ab von den großen Autobahnen, findet sich in den kleineren Orten fast nirgendwo ein Wettbewerber - in den meisten Kommunen gibt es nur einen Anbieter, teils über die Stadtwerke, teils über Private. Einzig einige Nahversorger (Kaufland, Lidl, Aldi Süd, Ikea) sorgen an ihren Ladesäulen für günstige Tarife teils unter 30 Cent. Bei allen anderen liegen die Kosten entsprechend hoch, sieht man von günstigen Angeboten einzelner Kommunen ab. 

Genau das will die EU-Richtline eigentlich ändern. Sie ist schon in Kraft, wurde jetzt aber erst in nationales Recht überführt. Konkret heißt das, dass ab dem 1. Januar kommenden Jahres Stadtwerke nicht mehr Stromaniebeter und Ladesäulenbetreiber zugleich sein dürfen. 

Einige Städte haben schon reagiert - meist mit einem Trick 

Ein typisches Beispiel ist Osnabrück: Die dortige Parkstätten-Betriebsgesellschaft ist mittlerweile für die rund 150 öffentlich zugänglichen Ladepunkte zuständig. Damit sind die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Zumindest auf dem Papier - denn die Parskätten Betriebsgesellschaft ist eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke und bündelt die Bereiche Parken und Ladeinfrastruktur. Anderer Name, gleiche Inhaber könnte man behaupten. 

Einen ähnlcihen Weg wird man nun wohl im niedersächsischen Verden geben - auch hier ist eine organisatorische Änderung geplant. Die Stadtwerke wollen dort eine eigene Sparte für die Ladestellen gründen. Am Ende ein hoher bürokratischer Aufwand, der sich wohl kaum positiv auf die Preise auswirken dürfte. 

In Franken zögert man daher noch - dort titelte am Wochenende die örtliche "Frankenpost": "Bald E-Tankstellenverbot für Netzbetreiber" und spricht von einem "schlechten Scherz". Konkret dürfen dort die Energieversorger in Selb/Marktredwitz und in Wunsiedel (KOMMUNAL berichtete über die Wasserstoff-Pläne der Stadt) ab Ende des Jahres ihre Ladesäulen nicht mehr betreiben. Und das, obwohl es hier durchaus Wettbewerb gebe, wie die Betreiber in dem Zeitungsbericht erklären. So betreiben die beiden Stadtwerke aus Marktredwitz und Wunsiedel zusammen rund 35 Ladesäulen, im Landkreis Wunsiedel gebe es insgesamt aber mehr als 100 Ladepunkte von ganz unterschiedlichen Anbietern. Wettbewerb sei also bereits hergestellt. "Hier schießt uns die Politik gesellschaftlich mal wieder ins Knie" zitiert die Zeitung Klaus Burkhardt, Chef der Energieversorgung Selb/Marktredwitz. 

Im Fichtelgebirge strebt man daher eine ähnliche Lösung an, wie bereits in Niedersachsen. Die lokalen Energieversorger wollen die Ladepunkte an die Zenob, die Zukunftsenergie Nordostbayern übergeben. Hinter der Zeno, die aus der Zukunftsenergie Fichtelberg hervorging, stecken verschiedene Kommunen wie Wunsiedel, Marktredwitz, Arzberg, Tröstau und weitere. 

Es gibt für Kommunen eine weitere Hintertür 

Eine Hintertür lässt das Gesetz aber doch. Sofern in einem bestimmten Gebiet kein anderer Interessierter eine Ladestation vorhält oder errichten möchte, könnte der örtliche Stromnetzbetreiber auch Ladesäulen anbieten. Dies gilt gleichwohl nur für neu aufzustellende Ladestationen, die zuvor ein öffentliches Ausschreibungsverfahren durchlaufen müssen. Obendrein müsste die Bundesnetzagentur der Ausnahme noch ihren Segen erteilen.

Für die Kommunen stellt sich die Frage, welche Rolle sie zukünftig beim Ausbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur spielen wollen. Da in ihrem Auftrag Ladepunkte betrieben werden, sind auch sie von der Regelung betroffen. Neben dem Betrieb durch ein vom Stromnetzbetreiber unabhängiges kommunales Unternehmen ist bspw. auch eine Konzessionsvergabe denkbar.