Ausreisepflichtige Asylbewerber sollen künftig gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden

Abschiebungen: Bund und Länder einigen sich auf neue Regeln

Ausreisepflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge sollen künftig möglichst gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden - das ist eins der Kernstücke des neuen Maßnahmenkatalogs von Bund und Ländern. 17 neue Regeln - KOMMUNAL erklärt, was dahintersteckt!

Mehrkosten von 3 Milliarden Euro durch unterlassene Abschiebungen befürchtet

Von immerhin 250.000 Menschen wurden die Asylanträge im vergangenen Jahr abgelehnt, aber nicht einmal ein Drittel von ihnen (80.000) haben Deutschland bis heute verlassen. Geht das so weiter, werden wir bis Ende des Jahres vermutlich 450.000 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland haben, die Mehrkosten von über 3 Milliarden Euro verursachen würden, rechnen die kommunalen Spitzenverbände vor. Den Kompromiss, den Bund und Länder am Abend gefunden haben, begrüßt der Städte- und Gemeindebund daher ausdrücklich.
Doch wie genau sieht der Kompromiss aus? KOMMUNAL mit den 17 wichtigsten Regeln zum Thema Abschiebungen im Überblick:

Zentrale Ausreiseeinrichtungen in den Ländern

Asylbewerber ohne Bleibeperspektive sollen gar nicht erst auf die Städte und Gemeinden verteilt werden. Sie sollen in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder verbleiben, um von dort abgeschoben zu werden. Die Länder erhalten hierfür eine gesetzliche Ermächtigung, die Befristung der Verpflichtung für Asylsuchende ohne Bleibeperspektive, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen, zu verlängern. Auf die ursprünglich vorgesehenen Bundesausreisezentren hat man sich noch nicht abschließend einigen können. Der Bund prüft an der Stelle, ob und inwieweit er eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung übernehmen kann.

Kontaktstellen für Rückführungsangelegenheiten

Die Verantwortung für alle Aufgaben, die mit der Rückkehr zu tun haben, wird in den Ländern auf eine oder mehrere zentrale Stellen konzentriert. Bund und Länder benennen dafür feste Ansprechpartner.

Bundesrückkehrzentrum

Es soll ein neues „Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr“ (ZUR) von Bund und Ländern unter Leitung des Bundesinnenministeriums eingerichtet werden. Von dort aus sollen Sammelabschiebungen zwischen Bund und Ländern koordiniert und der Kontakt mit den Botschaften der Herkunftsstaaten hergestellt werden, um in Problemfällen die nötigen Dokumente für Personen beschaffen zu können, die Deutschland wieder verlassen müssen. Jedes Land soll in dem ZUR vertreten sein, wenn das Zentrum binnen drei Monaten die Arbeit aufnimmt.

Anreize für eine freiwillige Rückkehr

Betroffene sollen mehr Geld bekommen, je früher sie sich für eine Rückkehr entscheiden, allerdings auf jeden Fall weniger, als sie zur Einreise nach Deutschland brauchen. Der Bund werde 2017 zusätzlich 40 Millionen Euro für Rückkehr- und 50 Millionen für Reintegrationsprogramme ausgeben.

Rückkehrberatung

Sie soll flächendeckend möglichst früh - schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen - einsetzen, für Asylsuchende aus Staaten mit geringer Schutzquote möglichst unmittelbar nach der Ankunft. Weitere Beratungen gibt es im Asylverfahren.

Abschiebehaft von sog. „Gefährdern“

Ausreisepflichtige, von denen eine erhebliche Gefahr ausgeht, sollen leichter in Abschiebungshaft kommen können und leichter überwacht werden. Wer seine Rückführung durch Täuschung verhindert, bekommt einen Aufenthaltsort zugewiesen. Zur Identitätsfeststellung dürfen die Behörden auch Handydaten auswerten. Auch der Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen wird verlängert.

Sanktionen für das Vortäuschen von Abschiebehindernissen

Wer Hindernisse vor einer Abschiebung aufbaut, soll mit Beschäftigungsverboten und Leistungskürzungen bestraft werden. Um das besser umzusetzen, wird die Kommunikation zwischen Ausländer- und Sozialbehörden verbessert.

Vorhalten von Abschiebungshaftplätzen

Die Länder sollen sich verpflichten, in räumlicher Nähe zu zentralen Ausreiseeinrichtungen eine „ausreichende Zahl“ von Abschiebungshaftplätzen bereitzustellen.

Beschleunigte Feststellung der Reisefähigkeit

Die Länder sollen vermehrt Amtsärzte einsetzen, die die Reisefähigkeit ausreisepflichtiger Personen untersuchen lassen.

Beschleunigte Bearbeitung von Asylfolgeanträgen

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll zusichern, Asylfolgeanträge beschleunigt zu bearbeiten, wenn durch das angehängte Verfahren eine eigentlich fällige Rückführung verzögert wird.

Von Amts wegen zu stellende Asylanträge unbegleiteter Minderjährige

Die Jugendämter sollen verpflichtet werden, in geeigneten Fällen für von ihnen in Obhut genommene unbegleitete minderjährige Ausländer, die möglicherweise internationalen Schutz (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 AsylG) benötigen, umgehend von Amts wegen einen Asylantrag zu stellen.

Schnellere Bearbeitung von Dublin-Fällen

Nach dem so genannten Dublin-Verfahren ist jeweils der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig, in dem ein Flüchtling erstmals europäischen Boden betritt. Andere Staaten können die Flüchtlinge dorthin zurückschicken. Um über diesen Weg mehr zu bewegen, soll die bisherige komplexe Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Bearbeitung von Dublin-Verfahren vereinfacht werden. Der Bund will deutlich mehr Personal zur Verfügung stellen, damit die behördlichen Vorläufe (Antrag, Zustimmung, Vollzug) verbessert werden können. Zudem wird eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die prüft, wie eine Konzentration der Zuständigkeiten für Dublin-Verfahren beim Bund und der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit für damit zusammenhängende Verfahren erzielt werden kann, insbesondere welche gesetzlichen Änderungen und personellen Ressourcen hierfür erforderlich sind.

Rücknahmeabkommen mit Herkunftsstaaten

Die Bundesregierung will Verhandlungen mit Herkunftsstaaten zur Rückübernahme und im Hinblick auf die Beschaffung von Ersatzpapieren vorantreiben. Aufgrund erheblicher Rückführungsprobleme mit Asylbewerbern aus den Maghreb-Staaten – insbesondere in NRW – sollen künftig Abschiebungen per Charterflieger möglich sein.

Verbesserung des Datenaustauschs

Bis zum 1. Mai sollen die Innenminister von Bund und Ländern ein Verfahren entwickeln, durch das alle Rückführungen und sämtliche Ausreisen erfasst werden. Dabei sollen sie auch auf die Daten bei den Ausländer- und Sozialbehörden zugreifen können. Auch die Informationen über strafrechtliche Ermittlungen sollen besser vernetzt werden.

Ergänzung des Ausländerzentralregisters

Das nun mit allen Flüchtlingsdaten geführte Ausländerzentralregister soll weiterentwickelt werden, so dass sich von allen beteiligten Stellen genau verfolgen lässt, wie die Rückkehr von der negativen Asylentscheidung bis zur Ankunft im Herkunftsland verläuft.

Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen Jugendliche umgehend Asylanträge stellen müssen

Einheitliche Abschiebepraxis der Länder

Das Bundesinnenministerium soll nach dem Konzept bis zum 1. Mai 2017 „Anwendungshinweise“ zum Aufenthaltsgesetz vorlegen, damit das Vorgehen der Länder bei Abschiebungen einheitlich wird. Paralleldazu werden gerade Gutachten erstellt, ob das Ausländerrecht solche weitreichenden eigenen Ermessensspielräume zulässt.

Berichterstattungspflicht der Länder

Die Innenministerien der Bundesländer sollen zu einem Zwischenbericht über die Maßnahmen bis Ende März und zu einem Abschlussbericht bis Juni aufgefordert werden, wie die beschlossenen Maßnahmen vorankommen.

Abschiebungen: das ganze Maßnahmenpaket zum Download

Das vereinbarte Maßnahmenpaket der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder ist abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2017/02/2017-02-09-treffen-merkel-mit-ministerpraesidenten-der-laender.html;jsessionid=FEE9E00BA01C7F49275A2340BC5FEF8F.s6t1

Schlagwörter