Eine MDR-Umfrage zum Thema Kommunalpolitik gibt spannende Einblicke, wie Bürgerinnen und Bürger die erste Ebene des Staates sehen
Eine MDR-Umfrage zum Thema Kommunalpolitik gibt spannende Einblicke, wie Bürgerinnen und Bürger die erste Ebene des Staates sehen
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Unwissenheit dominiert

Deutsche fühlen sich über Kommunalpolitik schlecht informiert

Der MDR hat in den drei mitteldeutschen Bundesländern knapp 25.000 Menschen im Vorfeld der Kommunalwahlen über ihr Wissen und ihren Eindruck von der Kommunalpolitik befragt. Die gute Meldung: Eine große Mehrheit der Teilnehmer sagt, dass sie sich vor den Kommunalwahlen über die Kandidaten genau informieren. Gleichzeitig fühlt sich eine große Mehrheit schlecht informiert, was Gemeinde- und Stadträte eigentlich beschließen.

Die Umfrage unter 25.000 Menschen in Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) ist wohl eine der breitest angelegten Umfragen zu Kommunalwahlen, die es bisher gab. Zwar konnte sich jeder beteiligen, es wurde nicht von einem Meinungsforschungsinstitut mit seinen soziodemografischen Daten erhohen, so dass die Zahlen nicht komplett repräsentativ sind. Aufgrund der Vielzahl der Teilnehmer darf aber dennoch davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse stichhaltig und in der Richtung eindeutig zutreffend sind. Konkret ging es um die Aktion MDRfragt, an der sich die Hörer und Zuschauer des MDR beteiligen konnten. 

Die vielleicht auffälligste Zahl: 75 Prozent aller Teilnehmer sind der Meinung, dass die Entscheidungen auf städtischer oder Gemeindeebene wichtige Auswirkungen auf ihr eigenes Leben haben. Trotzdem weiß nur rund ein Drittel der Befragten nach eigenen Angaben gut darüber Bescheid, was in den Kommunen und Landkreisen selbst geregelt werden kann.

Danach gefragt, was sich ändern müsste, damit sich die Bürger besser informiert fühlen, antwortet die große Mehrheit mit dem Schlagwort: "Digitalisierung". Digitale Medien und Gemeinde-Apps sollen nach Ansicht vieler Hörerinnen und Hörer sowie der TV Zuschauer über anstehende Veranstaltungen und Versammlungen informieren.

Was die Menschen von der Kommunalpolitik erwarten

Der MDR hatte seine Kommentarfunktion zu der Frage der Erwartungen geöffnet. Besonders häufig wurden nach dem Bericht des Senders folgende Stichworte genannt: "Ehrenamt und Soziales stärken, Klimaschutz vorantreiben und dabei die Wirtschaft nicht vernachlässigen", "die Katastrophenvorsorge in der Stadt vorantreiben" und dass gute Voraussetzungen für gute Bildung und gute Infrastruktur geschaffen werden" Zur Digitaliseriung schreibt ein Nutzer exemplarisch:  "Zum Stand der Zeit muss es möglich sein, dass alle Kommunen digital so aufgestellt sind und dass alle wichtigen Unterlagen (Beschlussvorlagen, Beschlüsse usw.) im Internet zur Verfügung stehen und auch zeitnah über das elektronische Amtsblatt veröffentlicht werden."

Bürger teilen auch die Sorgen der Kommunalpolitiker

Blauäugig gehen viele Menschen offenbar nicht an die Kommunalpolitik heran. So ist in den Kommentaren immer wieder zu lesen, dass aus ihrer Sicht Gemeinde- und Stadträte überhaupt nur sehr wenig entscheiden könnten. "Der Gestaltungsspielraum ist so gering, dass immer die Überlegung mitschwingt, ob es überhaupt Sinn macht, dieses Recht wahrzunehmen," notiert etwa ein User.

Eine Teilnehmerin, die nach eigenen Angaben selbst 25 Jahre lang als Stadträtin tätig war, schreibt: "Der hehre Anspruch auf kommunale Selbstverwaltung ist schon seit Jahren löchrig wie ein Schweizer Käse, denn die finanziellen Spielräume sind einfach nicht vorhanden. Immer mehr Aufgaben werden von Bund und Land an die Kommunen übertragen, leider aber nicht die finanziellen Mittel dazu."

Bürger informieren sich über die Wahlziele der Kandidaten

 Immerhin 82 Prozent der Befragten informieren sich nach eigenen Angaben im Vorfeld von Kommunalwahlen über die Kandidaten und ihre Ziele. Allerdings lässt sich auch jeder Zweite bei seiner Entscheidung für einen Kandidaten vom aktuellen Geschehen auf Bundesebene beeinflussen. Zumindest dann, wenn der oder die Kandidatin auf der Liste einer Partei antritt. Immerhin 44 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sie zwischen den verschiedenen Politikebenen unterschieden. 

Und wie steht es mit der Bereitschaft, sich selbst zu engagieren?

Anfeindungen gegen Kommunalpolitiker beziehungsweise Berichte darüber in den Medien sind nach Aussage der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Hauptgrund, sich nicht selbst in der Kommunalpolitik engagieren zu wollen. Eine Nutzerin schreibt etwa: "Würde ich gerne machen, wenn der menschliche Anstand und respektvolle Umgang miteinander wieder möglich wären und ich die Chance bekäme, konstruktiv und gleichberechtigt meine Ideen und Gedanken gemeinschaftlich zu äußern und mitzugestalten, ohne Angst um Übergriffe auf Familie und extreme Diffamierungen in Kauf nehmen zu müssen."

Gleichzeitig finden sich jüngere Menschen unter 50 Jahren und Frauen in besonderem Maße von den aktuellen Kommunalvertretungen nicht ausreichend repräsentiert. Die meisten von ihnen sagen aber, dass sie aufgrund ihrer aktuellen Lebenssituation auch einfach keine Zeit dafür hätten. Eine 40 jährige Nutzerin etwa fasst zusammen ,was sich in vielen Aussagen spiegelt: "Ich befinde mich in der Lebensphase, die man die 'Rushhour des Lebens' nennt. Die Kinder sind noch relativ jung, ich stehe mitten im Berufsleben und bin bei weitem noch nicht am Ende meiner Karriereleiter."

Hintergrund zur Umfrage: Wer teilnehmen wollte, musste sich vorher anmelden (E-Mailadresse genügt) und anklicken, dass sie mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen. Überprüfen konnte der MDR das freilich nicht, weshalb der Sender selbst von einer "nicht repräsentativen Umfrage" spricht - es haben sich aber 24.800 Menschen beteiligt. In Sachsen und Sachsen-Anhalt finden am 9. Juni gemeinsam mit der Europawahl die Kommunalwahlen statt. Thüringen wählt seine Kommunalvertretungen bereits am 26. Mai neu.