Staatsreform - Kommunen, Bund, Länder als Glieder in einer Kette
Staatsreform - Kommunen, Bund, Länder als Glieder in einer Kette: Die Aufgaben müssen neu geordnet werden.
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Staatsreform

Handlungsfähiger Staat - mehr Macht den Kommunen

Der jetzt vorgelegte Abschlussbericht der "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" enthält zahlreiche Empfehlungen, die direkt oder indirekt die kommunale Ebene betreffen. Das Experten-Gremium schlägt vor, Zuständigkeiten neu zu ordnen. Eine Übersicht der wichtigsten Punkte für Städte, Gemeinden und Landkreise.

Die Städte und Gemeinden und Landkreise in Deutschland sind für mehr als 80 Prozent der Verwaltungsdienstleistungen verantwortlich. Daher ist die kommunale Ebene erste Anlaufstelle für die Bürger und Bürgerinnen. Hier entscheidet sich, wie die Menschen die Leistungsfähigkeit des Staates wahrnehmen. Die überparteiliche "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" hat in ihrem jetzt präsentierten 160-seitigen Abschlussbericht mit 35 konkreten Vorschlägen angeregt, Reformvorschläge für eine umfassende Modernisierung der Verwaltung in ausgewählten Modellkommunen zu testen. Das ist nur einer von vielen Vorschlägen in dem t, die die Kommunen betreffen. 

 Integration und Fachkräfteeinwanderung: Mehr Verantwortung für Kommunen 

Die Expertenrunde schlägt vor, Integrationsaufgaben wie Sprachkurse oder Eingliederungsmaßnahmen künftig nicht mehr vom Bund, sondern von Ländern und Kommunen organisieren zu lassen. Das würde bestehende Strukturen vor Ort stärken – setzt aber ausreichende Ressourcen voraus.

Zudem sollen kommunale Ausländerbehörden zu zentralen Anlaufstellen in einem digitalen One-Stop-Verfahren werden, das alle beteiligten Verwaltungsakteure miteinander verzahnt. Das erfordert Investitionen in Personal, Technik und Servicequalität.

 Abschiebungen: Zentralisierung beim Bund, Integration bei Kommunen

Empfohlen wird eine vollständige Bündelung der Abschiebungsvollzüge beim Bund – mit Härtefallprüfung und der Abschiebung. Im Gegenzug sollen Integrationsaufgaben verbindlich auf Länder und Kommunen übertragen werden.

Das würde kommunale Ausländerbehörden entlasten und gleichzeitig die Zuständigkeit für Integrationsmaßnahmen stärken – ein Paradigmenwechsel, der neue Herausforderungen, aber auch Gestaltungsfreiheit bedeutet.

Sozialleistungen bündeln, Prozesse digitalisieren

Ein zentrales Reformfeld betrifft die Organisation sozialer Sicherungssysteme. Der Bericht schlägt vor:

  • Leistungen nach Zielgruppen zu bündeln (Kinder/Jugendliche, Erwachsene, Haushalte),
  • das Wohngeld und die Kosten der Unterkunft zusammenzuführen,
  • alle Regelleistungen über eine zentrale digitale Plattform bereitzustellen.

Für Kommunen bedeutet das: weniger Einzelfallbearbeitung, aber mehr Verantwortung bei der Umsetzung individueller Bedarfe. Das entlastet die Verwaltung, erfordert aber eine klare Zuständigkeitsklärung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Vergaberecht und Investitionen: Weniger Bürokratie, mehr Handlungsspielraum

Mit Blick auf die über 300 Milliarden Euro, die jährlich für öffentliche Beschaffung ausgegeben werden, fordert der Bericht eine Vereinfachung und Digitalisierung des Vergaberechts:

  • Schwellenwerte für Direktvergaben sollen steigen,
  • ein zentrales Beschaffungsportal entstehen,
  • Kommunen sollen Vergabestellen anderer Behörden nutzen können.

Das würde vor allem kleinere Kommunen deutlich entlasten – vorausgesetzt, sie erhalten Zugang zu diesen zentralen Strukturen.

 Bildung: Klare Zuständigkeiten, mehr Eigenverantwortung für Schulen

Ein zentrales Problem in der Bildungspolitik ist laut Bericht die Mischfinanzierung zwischen den Ebenen. Der Digitalpakt Schule dient als Negativbeispiel. Kommunen als Schulträger benötigen verlässliche Zuständigkeiten und Finanzierungsgrundlagen.

Zudem sollen Schulen mehr Autonomie in Personal- und Sachfragen erhalten – etwa durch gemeinsame Trägerschaften mit anderen Schulen und Entlastung von Schulleitungen durch Fachpersonal. Kommunen werden hier als Kooperationspartner mitgestaltend eingebunden.

Klimapolitik: Koordination verbessern, soziale Folgen mitdenken

Die Kommission schlägt vor, das Klimakabinett dauerhaft zu institutionalisieren und bei jedem Gesetzgebungsverfahren einen Klima- und Sozialcheck einzuführen. Auch wenn diese Checks auf Bundesebene angesiedelt sind, könnten sie kommunale Klima- und Sozialpolitik stärken – etwa bei Wärmewende, Verkehr, Flächennutzung. Vor allem wird eine bessere Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Umsetzung von Klimazielen gefordert.

Reform

Vertrauen statt Kontrolle: Entlastung kommunaler Verwaltung

Ein zentraler Leitgedanke des Berichts: „Vertrauen statt Misstrauen“. Statt flächendeckender Berichtspflichten soll es mehr Pauschalierung, Stichprobenkontrollen und klarere Regeln geben. Für kommunale Verwaltungen bedeutet das: weniger Dokumentationsaufwand, mehr Handlungsspielraum, aber auch ein klarer Auftrag zur effektiven Missbrauchsbekämpfung.

Bürgerräte als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie

Die Kommission befürwortet den verstärkten Einsatz lokaler Bürgerräte, wie sie sich in vielen Städten bereits bewährt haben. Erfolgsfaktoren laut Bericht:

  • Klare Themen und Zuständigkeiten,
  • fachliche Begleitung,
  • Rückmeldungspflicht der Politik.

Für Kommunen sind Bürgerräte ein wertvolles Instrument, um Beteiligung und Vertrauen in Entscheidungen zu stärken – etwa in Stadtplanung, Mobilität oder Klimaanpassung.

Fazit:  Kommunen sollen mehr Verantwortung, aber auch viel mehr Spielraum erhalten.

Für Kommunen bedeutet das:

  • eine stärkere operative Rolle, vor allem in Integration, Bildung und sozialer Infrastruktur
  • mehr digitale Schnittstellen und zentrale Plattformen
  • weniger Bürokratie, mehr Gestaltungsspielraum

Die Voraussetzung: Klare Zuständigkeiten, finanzielle Ausstattung und Kooperation auf Augenhöhe. Die kommunale Ebene kann eine tragende Säule staatlicher Handlungsfähigkeit werden – wenn man sie lässt.

Städtetag: Verwaltungsaufgaben zentral und digital bündeln

Wie reagieren die kommunalen Spitzenverbände auf den Abschlussbericht? "Besonders sinnvoll ist der Vorschlag, bestimmte Verwaltungsaufgaben wie das Elterngeld oder den Personalausweis zentral und digital zu bündeln", sagte Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. "Wenn Kommunen bei einer Aufgabe keinen eigenen Gestaltungsspielraum haben, sollte die Leistung standardisiert und effizient organisiert werden - am besten von den Ländern und vom Bund und nicht mehr von den Kommunen." Diese Forderung kommt auch vom Nationen Normenkontrollrat. 

Landkreistag: Gesetze dringend zurückbauen

Auch aus Sicht des Deutschen Landkreistages enthält der Abschlussbericht viele richtige Empfehlungen. Der Gesetzgeber darf den Kommunen nicht dauernd neue Fußfesseln anlegt, sondern ihnen umgekehrt die dringend benötigten Freiräume belässt, indem er überflüssige, unnötig komplizierte oder lebensferne Gesetze abschafft", betonte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Armin Brötel. „Bürokratieabbau braucht zwingend auch einen entsprechenden Gesetzesrückbau“, so Brötel. Das typisch deutsche Phänomen der Einzelfallgerechtigkeit statt sinnvoller Pauschalierungen oder aber überzogene Standards müsse endlich der Vergangenheit angehören. Bei den Modellkommunen, die Reformvorschläge erproben, sollte auch ein Landkreis vertreten sein, so Brötel.  Immerhin sind sie Sozialleistungsträger, klassische Bündelungsbehörde mit vielen staatlichen Genehmigungsaufgaben, Träger von Krankenhäusern und des Katastrophenschutzes.

 Städte- und Gemeindebund: 

 Der Ehren-Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sieht als wichtigen Punkt bei den Vorschlägen die geplante Zuständigkeit des Bundes für den nationalen Katastrophenschutz. Damit würden im Krisenfall klare Führungsstrukturen geschaffen und die bislang oft unübersichtliche Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommune aufgelöst. Auch bei der Digitalisierung der Verwaltung setze der Bericht wichtige Impulse, etwa, indem der Bund künftig zentrale IT-Lösungen bereitstellen soll, für das Meldewesen zum Beispiel und die Kfz-Zulassung. Das entlaste die Kommunen bei Technik, Betrieb und Beschaffung und verschaffe wieder mehr Raum für bürgernahe Dienstleistungen vor Ort.  Umgesetzt werden sollte auch, dass Gesetze künftig einem echten Praxistest unterzogen werden - gemeinsam auch mit den Kommunen. Und die Initiative fordere ausdrücklich: keine Aufgabenübertragung durch die Hintertür.

Den Bericht finden Sie hier. 

Zum Zwischenbericht mit Praxisbeispielen.