Wohnungsneubau
Derzeit sind Wohnungsbauprojekte auf alten Bahnflächen blockiert.
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Gesetzesnovelle

Bahnflächen: Gesetz gelockert - Wohnungsbau dennoch blockiert?

Das vor anderthalb Jahren geänderte Eisenbahngesetz unter der damaligen Ampelregierung sorgte dafür, dass ungenutzte Bahnflächen nicht mehr für den Wohnungsbau oder andere Vorhaben genutzt werden durften. Diese Blockade wollte die jetzige Regierungskoalition aufheben. Warum die Kommunen mit dem Bundestagsbeschluss trotzdem nicht zufrieden sind.

In vielen Städten und Gemeinden gibt es Bahn-Grundstücke, die dringend für innerstädtische Projekte gebraucht werden. Die damalige Ampel-Koalition hat solchen Vorhaben jedoch 2023 mit einer Gesetzesänderung einen Riegel vorgeschoben. Sie wollte damit sicherstellen, dass die Flächen für einen späteren möglichen Ausbau des Bahnverkehrs reserviert bleiben. Den Bahnflächen wurde, unabhängig davon, ob sie überhaupt noch genutzt werden könnten, ein ‚überragendes öffentliches Interesse‘ zugemessen. Die strikte Regelung zur Mobilitätswende verhinderte so aber wichtige städtebauliche Vorhaben. In Berlin werden dringend neue Wohnungen gebraucht, in Ulm zum Beispiel will man eigentlich ein Parkhaus am Hauptbahnhof bauen und in Nürtingen wäre ein zentrumsnahes Quartier mit Wohnungen und Geschäften ausgeschlossen.   

Eisenbahngesetz blockiert Projekte von Kommunen

Die Gesetzesnovelle der Ampel erwies sich also als massiver Hemmschuh für die Stadtentwicklung. "Das Eisenbahnbundesamt gab seitdem keine Bahnflächen mehr frei, auch wenn sie schon seit langem nicht mehr benötigt wurden und auch in Zukunft nicht mehr benötigt", konstatieren die kommunalen Spitzenverbände. Das sei besonders dort ein echtes Problem, wo bereits jahrelang geplant worden war oder schon längst Verträge unterschrieben sind, damit etwa neue Wohnungen auf ehemaligen Bahnflächen entstehen.

Bundestag lockert Vorgaben für Bahngrundstücke

Die umstrittene Regelung wird jetzt gelockert, CDU/CSU und SPD stimmten im Bundestag dafür, die Linken und die AfD dagegen. Die Grünen enthielten sich. Was als gute Nachricht für die Kommunen daherkommt, hat für die Städte und Gemeinden jedoch einen Haken. "Leider wurde der Gesetzentwurf in letzter Minute verändert. Die für die Städte problematische Änderung des Gesetzes aus dem Jahr 2023 wird auch mit dem neuen, jetzt noch einmal kurzfristig geänderten Entwurf nicht komplett korrigiert", kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Christian Schuchardt, gegenüber KOMMUNAL. "Es bleibt bei der Anordnung des überragenden öffentlichen Interesses für alle ehemaligen Bahngrundstücke." Das Gesetz definiere weiterhin nur enge Ausnahmen für eine Freistellung der Flächen für städtische Bauprojekte. 

"Neues Gesetz könnte weiter kommunale Planungshoheit verletzen"

 "Es ist weiterhin gesetzlich geregelt, dass für eine Freigabe der Flächen die Wiederinbetriebnahme einer Strecke nicht verhindert werden darf", erläutert Schuchardt. Seine Kritik: "Wie das zukünftig ausgelegt wird, ist unklar. So schafft das veränderte Gesetz neue Unsicherheiten und könnte damit weiterhin die kommunale Planungshoheit verletzen", stellt der Geschäftsführer des Deutschen Städtetags fest.  "Denn um die Freistellung einzelner Flächen abzulehnen, soll die bloße Möglichkeit ausreichen, eine Bahnstrecke zu reaktivieren. Konkrete Planungen oder Anhaltspunkte für eine bevorstehende Wiederinbetriebnahme sind nicht erforderlich." 

Die Reaktivierungsklausel bleibt also. Sollte also irgendwann jemand auf die Idee kommen, ausgerechnet an diesem Ort wieder Schienenverkehr anzuschieben – dann war’s das mit der Freistellung. So ganz traut man dem Stillstand offenbar nicht.

Bahngrundstück

Ungenutzte Bahnflächen in Städten mit viel Potenzial

"Die Städte und Gemeinden hätten sich eine Gesetzesänderung gewünscht, die allen Beteiligten wieder Rechts- und Planungssicherheit gibt", so der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. "Denn die ungenutzten Bahnflächen, die oft mitten in den Städten liegen, haben enorm viel Potenzial. Da kann Wohnraum entstehen oder Seniorenwohnheime, Unigebäude, aber auch Infrastruktur wie Fernbusterminals oder Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen." Solche Projekte dürften nicht scheitern.

Berghegger: Mehr Planbarkeit für Kommunen

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger, sieht dennoch mehr Planbarkeit und Rechtssicherheit für die Kommunen. "Die Blockade zahlreicher kommunaler Projekte durch die untaugliche Neureglung der letzten Legislatur war ein Hemmschuh für die Entwicklung der Städte und Gemeinden und sorgte für Stillstand bei Investitionen in Millionenhöhe", sagte Berghegger zu KOMMUNAL. "Mit dem aktuellen Gesetzesbeschluss wird dieser Fehler nun teilweise korrigiert." Aus kommunaler Sicht wäre eine vollständige Rückkehr zur alten Entwidmungsregelung - ohne das Kriterium des "überragenden öffentlichen Interesses" wünschenswert gewesen. Eine auch nur perspektivisch denkbare Bahnnutzung bleibe auch weiterhin ein Ausschlussgrund für eine Entwidmung - das hätten die Kommunen nie infrage gestellt. 

Die wesentlichen Neureglungen in Paragraf 23, Eisenbahngesetz

Öffentliches Interesse an Bahnbetriebszweck

Absatz 1: Der Bahnbetriebszweck eines Grundstücks, das Betriebsanlage einer Eisenbahn ist oder auf dem sich eine Betriebsanlage befindet, liegt im überragenden öffentlichen Interesse, soweit das Grundstück der Wiederinbetriebnahme, Aufrechterhaltung oder Weiterentwicklung der Eisenbahnstruktur dienen kann. Dies gilt auch für Grundstücke, auf denen sich keine Betriebsanlagen mehr befinden.

"Es bleibt also weiter bei der Anordnung des überragenden öffentlichen Interesses für alle ehemaligen Bahngrundstücke", stellt Schuchardt fest.

Ausnahmen: Wann liegt kein überragendes öffentliches Interesse mehr vor?

Absatz 2: Ein überragendes öffentliches Interesse...liegt nicht vor, wenn

1. kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht oder für die Eisenbahnstruktur ein Ersatz geschaffen worden ist, und

2. langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist, und 

3. die Wiederinbetriebnahme einer Strecke nicht verhindert wird. nur dann ist also eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken möglich. Beantragen darf sie die Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, beantragen, außerdem Eisenbahnstrukturunternehmen, Grundstückseigentümer und Träger der Straßenbaulast einer öffentlichen Straße für den Radwege- und Straßenbau.

Der Gesetzesentwurf von CDU/CSU und SPD wurde in der vom Verkehrsausschuss geänderten Fassung angenommen. Der Bundesrat wird darüber noch abschließend beraten.

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