
Inklusion
So werden Kommunen barrierearm
Barrierefreiheit ist weit mehr als ein abgesenkter Bordstein oder ein Aufzug im Rathaus. Sie bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von Behinderung – gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Und wer, wenn nicht die Kommunen, könnte diesen Wandel entscheidend vorantreiben? Denn Inklusion findet nicht in Verordnungen, sondern im Alltag statt: auf dem Schulweg, im Bürgerbüro, im Freibad.
Ein Forschungsprojekt der Universität Siegen und des Deutschen Instituts für Menschenrechte belegt: Kommunen tragen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention – und viele sind schon auf einem guten Weg.
Barrierefrei als Ziel: Was läuft gut – und wo hakt es?
Seit Deutschland 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention - ein Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert hat, sind vielerorts Aktionspläne und Initiativen entstanden. Die Studie zeigt jedoch: Nur 41 Prozent der Kommunen ab 50.000 Einwohnern haben bislang systematisch geplant – das reicht bei weitem noch nicht. Die Gründe sind vielfältig: Oft fehlt es an Geld, Personal oder manchmal auch an Know-how. Zwar werden örtliche Behindertenbeauftragte einbezogen, doch sie arbeiten häufig ohne zusätzliche Ressourcen. Und: Menschen mit Behinderungen werden nicht konsequent beteiligt – ihre Perspektive bleibt aber oft unterrepräsentiert.
Menschen mit Behinderungen einbinden
Dabei ist gerade die echte Partizipation der Schlüssel. „Menschen mit Behinderungen müssen nicht nur angehört, sondern aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden“, betont Sabrina Prem, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenkonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte. "Nur so entstehen inklusive Lösungen, die wirklich funktionieren – vom barrierefreien Rathaus bis zum digitalen Bürgerservice."
Ein Rechtsgutachten im Rahmen der Studie macht deutlich: Die UN-BRK ist geltendes Recht – und verpflichtet auch die Kommunen. Artikel 3 des Grundgesetzes bekräftigt: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. „Kommunen müssen daher menschenrechtskonform handeln und die UN-BRK effektiv umsetzen“, betont Sabrina Prem vom Deutschen Institut für Menschenrechte.
Diese Kommune geht beispielhaft voran:
Seit 28. Juni 2025 müssen laut Barrierefreiheitsstärkungsgesetz alle neuen Webseiten und mobilen Apps, die sich an Bürger richten, den Anforderungen der Barrierefreiheit entsprechen. Für bereits bestehende Inhalte, die vor dem Stichtag erstellt wurden, gilt eine Übergangsfrist bis Mitte 2030. Doch manche Kommunen sind schon vorbildlich vorangegangen.
Die Stadt Meerbusch im Rhein-Kreis Neuss in Nordrhein-Westfalen erhielt Top-Bewertungen für ihren Webauftritt. Die Website von Meerbusch erhielt bei einem Test 98,75 von 100 Punkten und somit das BIK-Prüfzeichen. Dabei handelt es sich um ein Gütesiegel für barrierefreie Websites in Deutschlands. Die Abkürzung BIK steht für Barrierefrei informieren und kommunizieren. Das Projekt seit 2002 in Deutschland fördert Barrierefreiheit im digitalen Raum und wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert.
Was bietet die Stadt an barrierefreien Inhalten an? Sie setzt auf ein responsive Design, optimiert für unterschiedliche Endgeräte, und arbeitet mit dem Open‑Source‑CMS Typo3, unterstützt durch externe Agentur und Schulungen
Nicht-barriefreie PDF-Dokumente werden möglichst in barrierearme Formate überführt – Hinweis zur Meldung von Problemen inklusive.
Die Angebote enthalten klar gekennzeichnete Menüpunkte für „Leichte Sprache“ und Gebärdensprachvideos, sodass Informationen auch für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zugänglich sind.
Ein digitaler Mängelmelder für öffentliche Raumhürden (z. B. Schlaglöcher oder unzugängliche Wege) ist online, mit nachvollziehbarem Verfahren – inklusive Anbindung an die Ombudsstelle BGG NRW
Der „Frag Meerbusch“-Chatbot unterstützt rund um die Uhr im mehrsprachigen und barrierefreien Zugriff auf Informationen – mobil optimiert und inklusiv gestaltet.
Fazit: Meerbusch ist ein Vorbild, wenn es darum geht, Barrierefreiheit digital sichtbar und spürbar zu machen – mit klarer Transparenz, nutzerfreundlichen Formaten, Beteiligungsmöglichkeiten und innovativen Tools. Eine Kommunalpraktik, die Maßstäbe setzt – zum Nachahmen empfohlen!
Fünf Tipps für mehr Inklusion vor Ort
Die gute Nachricht: Es gibt viele positive Beispiele – und ebenso viele Werkzeuge, mit denen Kommunen Inklusion wirksam umsetzen können. Aus der Studie lassen sich praxisnahe Tipps ableiten:
Frühzeitig barrierefrei planen
Ob neue Bushaltestelle oder Internetportal – wer Barrierefreiheit von Anfang an mitdenkt, spart langfristig Geld und verhindert Nachbesserungen. Auch die DIN-Normen zur Barrierefreiheit bieten hier hilfreiche Orientierung.
Partizipation ernst nehmen
Menschen mit Behinderungen wissen selbst am besten, was sie brauchen. Kommunale Steuerungsgruppen sollten daher feste Plätze für Betroffene vorsehen – mit echten Mitbestimmungsrechten.
Aktionspläne entwickeln und evaluieren
Ein kommunaler Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK schafft Klarheit: Wer macht was bis wann – und mit welchem Ziel? Wichtig: Regelmäßige Evaluationen helfen, Fortschritte sichtbar zu machen und Stolpersteine früh zu erkennen.
Barrierefreie Kommunikation sicherstellen
Informationen müssen für alle zugänglich sein: Leichte Sprache, Gebärdensprachvideos oder kontrastreiche Gestaltung sind keine Kür, sondern Grundvoraussetzung für Teilhabe.
Auf gute Praxis zurückgreifen
Das Deutsche Institut für Menschenrechte stellt zahlreiche Materialien, Checklisten und eine Porträtdatenbank zur Verfügung – kostenlos und barrierefrei. Hier können Kommunen voneinander lernen und erfolgreiche Ansätze adaptieren. Mehr Informationen zu barrierefreien Kommunen und der Studie finden Sie hier.