Stadtplanung
So erlebt ein Rollstuhlfahrer seine Stadt
Barrierearmer Zugang zum Rathaus
Die viel zu steile und bereits vor Jahrzehnten gebaute Rampe am Eingang sei ein hilfloser Versuch gewesen, das kommunale Zentrum etwas barrierearmer zu gestalten. Seit einigen Monaten aber gibt es eine Alternative: Direkt an das historische Rathaus wurde ein Trakt mit Fahrstuhl angebaut, der Bürger wie Pankow nun zu den verschiedenen Amtsstellen bringt. Es ist erst der Anfang eines finanziellen und logistischen Großprojekts in Bad Kötzting.

„Die Barrierefreiheit wurde von den Bürgern zunehmend eingefordert – zu Recht“, sagt Hofmann. Das Ziel sei es nun, „langfristig bestmöglich barrierefrei“ zu werden und dafür zu sorgen, dass Bürger wie Manfred Pankow eigenständig und ohne Hürden auf den zentralen Wegachsen im Zentrum unterwegs sein und die wichtigsten Punkte in der Stadt erreichen können."
Bad Kötzting mit zahlreichen Treppen
Wie herausfordernd es ist, diesen Anspruch zu erfüllen, ist in Bad Kötzting ganz praktisch zu erleben. „Wir haben hier eine historisch gewachsene Innenstadt und darüber hinaus eine schwierige Topografie mit starkem Gefälle“, sagt Christian Kopf, der Leiter des Bauamts. In den 1980er-Jahren wurde der Ort zwar generalsaniert – allerdings hatte das Thema Barrierefreiheit damals „noch keinerlei öffentliche Bedeutung“. Die Folge: Zahlreiche Treppen prägen das Stadtbild, die Infrastruktur aber ist weitgehend in gutem Zustand. „Wir können den Berg nicht abbauen und auch nicht alles rausreißen“, sagt Kopf. Letztlich sei es immer ein Spagat und müssten teilweise Kompromisse gefunden werden.
Querschnittsgelähmt und auf Barrierefreiheit angewiesen
Für Manfred Pankow, der in Cham lebt und immer wieder zu Besuch in Bad Kötzting ist, bringt jeder gute Kompromiss eine ganz konkrete Erleichterung in seinem Alltag. Seit mittlerweile 20 Jahren ist Pankow auf den Rollstuhl als Fortbewegungsmittel angewiesen. Eigentlich wollte der gelernte Feingerätemechaniker als junger Mann ins Ausland gehen, dann verlor er bei einem schweren Motorradunfall den linken Unterschenkel, nicht aber den Lebensmut. „Das abgetrennte Bein war kein großes Hindernis. Ich konnte gut damit leben“, erzählt Pankow, der kurz darauf heiratete, Vater wurde und ein Haus baute.
Man kann natürlich nicht alles ändern, aber oft sind es schon
kleine Dinge, die viel helfen."
Zwei Jahrzehnte später aber folgte ein weiterer Schicksalsschlag: Bei einer Routineuntersuchung wurde bei Pankow ein Aortenaneurysma entdeckt, als er ein zweites Mal deswegen operiert wurde, kam es zu Komplikationen. Seither ist Pankow querschnittsgelähmt und setzt sich intensiv ein für die Belange von Menschen mit Behinderung. „Man kann natürlich nicht alles ändern, aber oft sind es schon kleine Dinge, die viel helfen“, sagt Pankow. Etwa ein Parkplatz direkt vorm Eingang, neben dem auch der Bordstein entsprechend abgesenkt ist, oder ein Pflaster mit geschnittenen statt geschlagenen Steinen, auf dem der Rollstuhl problemlos fahren kann.

All das sind auch Themen in Bad Kötzting. „Wir brauchen eine ortsspezifische und angemessene Lösung“, sagt Hofmann – das bedeutet in der Praxis: Der Charme des historischen Stadtbilds soll erhalten bleiben, auch an der Topografie kann man nichts ändern. Gleichwohl sollen viele Sanierungsmaßnahmen dafür sorgen, dass zentrale Wegachsen barrierefrei zurückgelegt werden können. Für den kleinen Ort ist das eine Mammutaufgabe. „Es war von vornherein klar, dass wir das nicht auf einen Schlag lösen können“, sagt Hofmann. Ein derart umfangreiches Unterfangen müsse systematisch geplant und in vielen Teilschritten angegangen werden. Hierzu hat die Gemeinde ein Barrierefreiheits- und Mobilitätsgutachten erstellen lassen und in einer ersten Bestandsaufnahme alle Stolperschwellen und Schwierigkeiten im Zentrum erfasst.
Problemstellen analysiert
Im Arbeitsteam waren dabei: je ein Vertreter der Fraktionen im Stadtrat, die Senioren- und Behindertenbeauftragten der Stadt, Vertreter des Sozialverbands VDK und Vertreter des Einzelhandels. Die von ihnen erfassten Problemstellen wurden systematisch analysiert, bevor schließlich ein konkreter Handlungsleitfaden entwickelt wurde. In diesem „Konzept in mehreren Etappen“ wurden verschiedene zentrale Wegachsen und Schlüsselpunkte herausgearbeitet, darunter das Rathaus, die obere und untere Markstraße, der Weg vom Parkhaus in die Innenstadt und die Verbindungsstraßen zum Bahnhof und Kurpark.
Erste kleinere Schritte sind bereits umgesetzt, etwa die Absenkung einiger Bordsteine zur Überquerung von zentralen Straßen. Die größeren Etappen werden nun nach und nach angegangen. „Im Idealfall wird das nächste bereits geplant, während das eine gebaut wird“, sagt Kopf. Für die ersten Bauabschnitte hat Bad Kötzting bereits eine Zusage der Städtebauförderung erhalten.


