Ein Plakat mit der Aufschrift Du fühlst dich unsicher? und einer Notrufnummer für das Heimwegtelefon- eine Kampagne der Jungen Union in Bayern will für mehr Sicherheit sorgen
Ein Plakat mit der Aufschrift Du fühlst dich unsicher? und einer Notrufnummer für das Heimwegtelefon- eine Kampagne der Jungen Union in Bayern will für mehr Sicherheit sorgen
© imago

Stadtbild-Debatte

Aktion soll Frauen "Angst vor dunklen Straßen" nehmen

Mit Taschenlampen gegen die Angst - wie der Landkreis Emsland versucht, Frauen die Nacht zurückzugeben. Was das bringt und warum Frauen (aber auch Männer) nachts wirklich Angst haben, im Dunkeln durch unsere Kommunen zu gehen. Praxisbeispiele aus Kommunen und Fakten, die zum Handeln auffordern.

Laut einer Umfrage meiden mehr als 80 Prozent der Frauen in Deutschland nachts schlecht beleuchtete Wege und Unterführungen  – aus Unsicherheit. Ein Phänomen, das aktuell mit der sogenannten "Stadtbild-Debatte" neue Aufmerksamkeit bekommt. Laut aktueller Umfrage aus dieser Woche fühlt sich fast die Hälfte der Deutschen in ihrem Wohnort unsicherer als früher – Bahnhöfe, Plätze und Parks gelten als Problemzonen. 

Die Erkenntnis: Wenn Straßenzüge vernachlässigt wirken, wenn Beleuchtung schwächelt oder Treffpunkte in der Dunkelheit unkontrolliert erscheinen – dann wachsen Ängste. Und genau da setzt der Ansatz des Landkreis Emsland an.

Nightwalks als Beruhigungspillen?

Der Landkreis Emsland geht einen ungewöhnlichen Weg – nicht mit neuen Überwachungskameras und Alarmanlagen, sondern mit begleitetem Gehen. In mehreren Gemeinden werden sogenannte Nightwalks für Frauen angeboten: Frauen treffen sich nach Einbruch der Dunkelheit und gehen gemeinsam mit einem Trainer durch dunkle Wege und Straßen. Anmelden können sich Interessierte in den Orten bei der Gleichstellungsbeauftragten der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. 



Der Gedanke der Macher: Es geht nicht um Kampf, sondern um Bewusstsein. Wege werden gemeinsam erkundet, beleuchtet oder weniger beleuchtet, Engstellen angesteuert, Sichtachsen beleuchtet – und damit wird sichtbar, was bislang gefühlt wurde. 



Das Ziel: Frauen soll gezeigt werden, dass „Dunkel“ nicht automatisch „Gefahr“ heißt – und dass sie den öffentlichen Raum nicht verlassen müssen, wenn die Sonne untergeht. Viel wichtiger aber vielleicht die Botschaft, dass eine Kommune wahrnimmt, dass Stadtbild und Sicherheit zusammenhängen.

Frauen fühlen Sicherheit anders als Männer 

Die staatlich organisierten und finanzierten Nightwalks stützen sich auf Analysen, wonach Frauen im öffentlichen Raum häufig andere Wahrnehmungen haben, als Männer. Konkret:

  • Dunkle Orte, schlecht beleuchtete Wege und wenig Publikumsverkehr wirkenautomatisch als Risiko-Kulisse. Weil mindestens das Gefühl entsteht: „Wenn hier was passiert, kriegt mich keiner.“

  • Sexualisierte Belästigung oder Erwartungsangst – Der Heimweg nach der Veranstaltung wirkt plötzlich wie ein unsicherer Akt.

  • Allein unterwegs sein heißt: weniger Kontrolle, weniger Blickkontakt, weniger Fluchtoptionen – das steigert das Unsicherheitsgefühl.

  • Öffentlicher Nahverkehr spät abends, dunkle Haltestellen, Wege zwischen Parkplatz/Club-Haltestelle – all diese Faktoren schwingen mit 

Allerdings handelt es sich eben nicht nur um eine "gefühlte" fehlende Sicherheit, alle Kriminalitätsstatistiken geben den Ängsten von Frauen (und auch vielen Männern) Recht. 

Kriminalitätsstatistik beweist: "Die Ängste der Menschen sind nicht gefühlt, sondern basieren auf realen Fakten"

Schaut man auf die Kriminalitätsstatistik für das vergangene Jahr, so ist vor allem die Zahl der Sexualstraftaten mit einem Plus von fast 10 Prozent zum massiven Problem geworden. Allein in der Hauptstadt Berlin registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 7500 "Straftaten gegen die sexuelle Selbtsbestimmung". Von den 4600 Tatverdächtigen waren knapp 1800 Ausländer (knapp 40 Prozent). Zum Vergleich: Der Ausländeranteil in Berlin liegt bei 24 Prozent. Von den mehr als 750 Tatverdächtigen, die wegen Vergewaltigung vor Gericht standen, hatten 49 Prozent keine deutsche Staatsbürgerschaft, bei sexuellen Belästigungen lag der Anteil knapp über 50 Prozent.

Damit dürfte klar sein: Ohne das Problem der sexuellen Übergriffe in den Griff zu bekommen, insbesondere ausgeführt von Migranten, lässt sich Sicherheit in deutschen Kommunen - egal ob für Frauen oder Männer - nicht wieder herstellen. Da sich das Problem aber kurzfristig zumindest durch die Kommunen nicht lösen lässt, greifen auch andere Städte zu Maßnahmen, um zumindest das Sicherheitsgefühl wieder etwas zu verbessern. Aber auch, um Menschen Werkzeuge an die Hand zu geben, wie sie im Fall des Falles reagieren können. 

Welche Maßnahmen zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls Kommunen zusätzlich ergreifen 

Neben geführten Nightwalks setzen Städte immer wieder auf Zuschüsse für Taxi- oder Shuttle Fahrten insbesondere für junge Menschen - sei es nach der Clubnacht oder der Scheunenparty. 

Weiterer wichtiger Aspekt: "Angsträume identifizieren" Unterführungen, Rückwege, Parkplätze. Kleine bauliche Maßnahmen (LED-Beleuchtung, Rückschnitt von Grün, offene Sichtachsen) schaffen direkt fühlbare Wirkung.

Die weiteren Tipps von Experten: Schaffen Sie Anlaufstellen und Informationspunkte – Info-Säule nachts am Bahnhof, City-Wache mit sichtbarer Präsenz, digitale Meldestelle für unsichere Orte. Sichtbarkeit erzeugt Vertrauen.

Und der letzte Tipp: Vergessen Sie die Kommunikation nicht -  Machen Sie öffentlich, dass Sie handeln.

Was Städte konkret machen

Die Stadt Mannheim hat ein Konzept zur Sicherheit von Frauen in dunklen Stunden aufgelegt. Es umfasst u. a.: ein Frauen-Nachttaxi, das Frauen sicher vom Veranstaltungsort nach Hause bringt; mobile Anlaufstellen bei größeren Events; bauliche Maßnahmen zur besseren Beleuchtung und Übersicht an neuralgischen Punkten. Der Fokus: Der Heimweg nach dem Ausgehen darf kein Risiko sein, sondern Teil der Freiheit.

In der bayerischen Landeshauptstadt München gibt es ebenfalls einen Zuschuss für Heimfahrten – Frauen (und andere Schutzbedürftige) können Taxi-Gutscheine nutzen, wenn der ÖPNV keine sichere Option mehr darstellt. Dort, wo Beleuchtung fehlt oder ÖPNV-Haltestellen spät am Abend abgelegen sind, wird so ad hoc Sicherheit geschaffen.

Berlin hat interaktive Karten zur Verfügung gestellt, auf denen Frauen und Mädchen Plätze markieren können, an denen sie sich unsicher fühlen – z. B. Dunkelheit, Abgeschiedenheit, schlechte Sicht. Daraus wurden gezielt Beleuchtungs- und Sichtachsen-Projekte abgeleitet. 

Was bleibt: Das Sicherheitsgefühl ist das Eine - hier können Kommunen einiges tun. Konkret können Sie Sicherheit auch durch mehr Beleuchtung, Treffpunkte, Infosäulen und "Aufmerksame Bürger" erhöhn. Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser Stadtbild nicht nur gefühlt, sondern eben auch belegbar deutlich unsicherer geworden ist. Kommunen können also immer nur ein Phänomen versuchen zu mindern, das Bund und Länder bisher sträflich vernachlässigt haben.