Subjektive Sicherheit
Wenn Orte Angst machen – so werden sie sicher
Düstere Unterführungen, uneinsichtige Seitengassen oder vermüllte Parkplätze: In wohl jeder Kommune gibt es Orte, an denen sich viele Bürger unwohl fühlen und oft geht damit die Empfindung von Unsicherheit einher. Doch es gibt gezielte Strategien, um derartige Angsträume erst einmal zu erkennen und anschließend zu beseitigen. Dabei ist es der wichtigste Schritt, die Bürger selbst miteinzubeziehen, um schließlich schrittweise zu mehr Sicherheit in der Kommune und einer attraktiveren Innenstadt zu gelangen. Das hier sind die wichtigsten Ansätze:
Angst-Räume analysieren - mithilfe der Bürger
Um überhaupt zu wissen, an welchen Orten sich die Bürger unsicher und unwohl fühlen, machen Bürgerbefragungen Sinn. Außerdem haben sich in verschiedenen Kommunen sogenannte Stadtteilspaziergänge bewährt, bei denen verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre Beobachtungen mit kommunalen Mitarbeitern teilen. Ebenfalls sinnvoll: Die Installation von Online-Meldesystemen, in denen die Bürger via App unkompliziert unsichere Orte eintragen können.
Mit Verwaltung, Politik, Polizei und Zivilgesellschaft
Neben den Bürgern sollte von Beginn an die örtliche Polizei miteinbezogen werden. Sie hat schließlich einen Überblick über die bisherigen Beschwerden und kriminelle Vorfälle im Gemeindegebiet und kann daraus Schlüsse über besonders gefährdete Orte ziehen. In der Praxis können derartige Bereiche dann auch noch einmal speziell in der Nacht abgegangen werden. Klassische „Angsträume“ sind hierbei oft: - Dunkle Unterführungen oder Parkanlagen
- Verlassene Plätze ohne soziale Kontrolle
- Tiefgaragen oder schlecht einsehbare Wege
- Unübersichtliche Bahnhofsbereiche
Sicherheitsdienste installieren und soziale Projekte starten
Sind die Angsträume analysiert, helfen gezielte Maßnahmen vor Ort. Konkret sollte die Präsenz der Polizei erhöht werden, außerdem hat sich der Einsatz von kommunalen Ordnungs- und Sicherheitsdiensten als geeignet gezeigt, damit sich die Bürger sicherer fühlen. Neben der ordnungspolitischen Kontrolle der relevanten Orte machen soziale Programme Sinn. Darunter fällt:
- Der Aufbau von Sozialarbeit in Problemvierteln und ständige Präsenz von Sozialarbeitern vor Ort
- Die Zwischennutzung oder Neubelebung leerstehender Orte, zum Beispiel mit Kultur- oder Jugendzentren
- Die Kooperation der Kommune mit den Vereinen und Schulen im jeweiligen Stadtteil
Ehemalige Angsträume neu gestalten und beleben
Orte, die Bürger früher angstvoll vermieden haben, können von der Kommune bewusst neu gestaltet und belebt werden. Ein wesentlicher Punkt hierbei ist etwa die Beleuchtung, die durch das Einsetzen von LEDs und Bewegungsmeldern verbessert werden kann. Außerdem ist es wichtig, Sichtachsen freizuschneiden und Sichtbarrieren zu entfernen, zum Beispiel dichte Hecken.
Darüber hinaus schwinden Angsträume, wenn Orte einladend gestaltet werden, etwa durch das Aufstellen von Sitzbänken und Spielgeräten und nicht zuletzt durch die farbliche Gestaltung von Fassaden oder Unterführungen.
Damit ehemalige Angsträume tatsächlich neu erlebt werden und sich die Bürger langfristig sicherer fühlen, gilt es dranzubleiben an der Thematik. Hierzu kann etwa die Einrichtung von runden Tischen für Sicherheit im öffentlichen Raum Sinn machen, die regelmäßig einberufen werden. Außerdem sollten Sicherheitsanalysen regelmäßig wiederholt werden und der direkte Austausch mit den Bürgern konstant gepflegt. So wird der Entstehung neuer Angsträume vorgebeugt und zudem das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger gestärkt.
So sorgt die Stadt Hungen für mehr Sicherheit
Wie sicher sich die Bürger fühlen, hängt nicht zwingend mit den harten Fakten und Zahlen zusammen. Diese Erfahrung hat man auch in Hungen gemacht. Zwar gab es in der 13.000 Einwohner umfassenden Kleinstadt kein höheres Aufkommen von Delikten und auch keine offiziellen Problembezirke, gleichwohl gab es „gewisse Bereiche, in denen Bürger Angst oder Unsicherheit empfunden haben“, wie der Bürgermeister Rainer Wengorsch erzählt. Immer wieder seien Bürger in der Vergangenheit auf ihn zugekommen und hätten die Sicherheit zum Thema gemacht.
Gerade die Bahnhofsgegend wurde als potenziell gefährlich erlebt, zudem sei es zu einzelnen Vorfällen von Vandalismus und Pöbeleien gekommen. Für die Kommune war das ein Anlass, sich dem Thema der subjektiv empfundenen Sicherheit konkret anzunehmen. Im Rahmen der Teilnahme am KOMPASS-Programm hat die Kommune hierzu intensiv mit der Polizei vor Ort und den Mitarbeitern im Sozialbereich zusammengearbeitet.
Praktisch und bürgernah
Nachdem das KOMPASS-Programm 2021 angelaufen war, fand im Juni 2022 die erste Sicherheitskonferenz in Hungen statt. Ergänzend gab es eine Info-Veranstaltung für die Bürger, in Folge wurde eine intensive Bürgerbefragung rund ums Thema gefühlte Sicherheit und Angsträume in der Kommune durchgeführt. Zudem fanden mehrere Stadtbegehungen statt, bei denen vor Ort analysiert wurde, was zu mehr Sicherheit beitragen könnte. „Im Austausch mit den Bürgern wurden viele verschiedene Parameter deutlich, bei denen wir als Kommune konkret etwas tun können“, sagt Wengorsch. So ging es um bessere Beleuchtung ebenso wie um lichtere Hecken oder größere Sauberkeit, außerdem wurde der Wunsch nach mehr Präsenz der Sicherheitskräfte und nach Kontrollen im Stadtgebiet deutlich ausgesprochen.
In der Stadt Hungen hat man diese Wünsche ausgesprochen ernst genommen und bald Taten folgen lassen. So wurden die Beleuchtung ergänzt und Sichtachsen freigeschnitten, zudem finden regelmäßige Kontrollen im gesamten Stadtgebiet statt und gibt es einen Schutzmann der Polizei als Kontaktperson für die Bürger, der präventiv im Einsatz ist. Darüber hinaus wurde eine Kooperation zwischen Bahnhofspolizei und Kommune abgeschlossen, die stärkere Präsenz in der Bahnhofsgegend ermöglicht.
Bewusstsein ist gewachsen
Aus Sicht von Wengorsch hat sich die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema der subjektiven Sicherheit in Hungen absolut ausgezahlt. So sei nicht nur das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger durch die verschiedenen Veränderungen gewachsen, sondern zudem ein Bewusstsein entstanden für mögliche Angsträume und Gegenmaßnahmen. „Wenn wir jetzt Stadtentwicklung betreiben, neue Wohngebiete erschließen oder Areale gestalten, achten wir sehr darauf, dass keine Angsträume entstehen. Das Thema der Sicherheit ist jetzt fest in den Köpfen aller verankert“, sagt Wengorsch. Und nicht zuletzt hat das bewusste Handeln der Stadt auch zu einer stärkeren Bürgerbindung beigetragen. So stellt der Bürgermeister fest: „Die Bürger haben gemerkt: die Kommune nimmt das ernst und kümmert sich. Das wird sehr geschätzt.“