
Stimmen aus Kommunen
Bürgermeister sprechen Klartext zur Stadtbild-Debatte
Die Worte des Bundeskanzlers lassen viele Interpretationen zu. Das zeigt auch eine Umfrage von INSA im Auftrag der Bild-Zeitung. Demnach sagen 43 Prozent der Deutschen, dass sich das Stadtbild in ihrem Wohnort in den letzten zehn Jahren zum Schlechteren verändert habe. 39 % fühlen sich in ihrem Wohnort unsicherer als früher. Ein signifikanter Anteil der Befragten nennt Bahnhöfe, Plätze und Parks als Orte, an denen sie sich weniger wohl oder sicher fühlen.
Bürgermeister nimmt Merz in Schutz: „Der Kanzler ist nicht rassistisch“
Yyan Alshebl ist selbst Flüchtling. Er floh mit 21 Jahren aus Syrien nach Deutschland. Inzwischen ist der 31-Jährige eingebürgert und seit 2023 Bürgermeister der schwäbischen 2 500-Einwohner-Gemeinde Ostelsheim in Baden-Württemberg. Er sagte im Interview mit der Tageszeitung WELT: „Wir wissen alle, übermäßig sprachsensibel ist unser Kanzler nicht; das macht ihn aber nicht automatisch zum ‚Rassisten‘. Denn jeder Bürgermeister, den ich kenne, weiß, worum es Merz offenkundig ging.“
Und zum Inhalt weiter: „Es geht um Gruppen von Migranten, in der Regel Flüchtlinge – so wie ich einer war übrigens –, die sich an bestimmten öffentlichen Plätzen aufhalten. Es ist im Grunde das gleiche Muster in jeder größeren Stadt: Am Bahnhof, der größten Einkaufsstraße, an dem Ort, den man als „Stadtmitte“ bezeichnet, haben sie nichts Besseres zu tun, als dort den ganzen Tag über herumzuhängen, oft mit der Bereitschaft, andere Leute zu belästigen.“
Nur eine von vielen Stimmen aus kleineren Gemeinden. Dort wird der Satz nicht primär als Angriff verstanden, sondern das Thema als Problem anerkannt. Und auch in den größeren Städten überwiegt die Zustimmung für den Kanzler. Etwa bei Richard Arnold, dem Oberbürgermeister der rund 64 000-Einwohner-Stadt Schwäbisch Gmünd. Die Bild-Zeitung zitiert ihn mit den Worten: „Klar hat der Kanzler recht mit seiner Aussage. Die Bürger sind doch nicht doof und wissen genau, wen er gemeint hat: Die, die in Gruppen auf Plätzen, Bahnhöfen und Parks rumlungern – und nicht die, die sich integrieren.“
Das Strukturproblem, das kaum einer ausspricht
Uwe Rumberg, Oberbürgermeister der 39.000 Einwohner Stadt Freital in Sachsen spricht von einem Strukturproblem und fordert die Bundesregierung auf, weniger zu reden, sondern endlich zu handeln, schließlich sei das Problem seit mindestens zehn Jahren bekannt.
„Es braucht Lösungen, die sich auf das eigene Land konzentrieren – auf Familien, vor allem Kinder, Wirtschaft, Infrastruktur, Energieversorgung, Frieden und soziale Sicherheit.“
Der Sachse weiter: In vielen Kommunen ist „Stadtbild“ kein Schlagwort – sondern Alltag. Leerstände, zurückgehende Infrastruktur, fehlende Perspektiven für die Jugend – das prägt das Stadtbild mindestens so sehr wie einzelne Gruppen auf Plätzen.
Was die Kommunen von der Bundesregierung erwarten
„Bundeskanzler Merz könnte aus seinem Amt heraus viel für das ‚Stadtbild‘ tun – etwa für die Bekämpfung von Leerstand oder eine verbesserte Finanzlage der Kommunen,“ meint Gert-Uwe Mende, Oberbürgermeister von Wiesbaden. Das Problem – Sicherheit, Sichtbarkeit, Stadtbild – lasse sich nicht allein mit Ordnungskräften der Kommunen lösen.
Und auch der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, schlägt gegenüber der Bild-Zeitung differenzierte Töne an: „Die Stadtbild-Aussage des Kanzlers wäre schlimm, wenn man sie auf alle Menschen bezieht, die nicht nordisch aussehen. Ich glaube aber, er meint einfach nur die Gruppen von jungen Männern ohne Arbeit und Aufenthaltsrecht, die in nahezu jeder mittelgroßen Stadt Bahnhöfe, Plätze und Parks für sich beanspruchen.“
Fakt ist: Die Diskussion ist zwar angestoßen – sie wird die Probleme der Kommunen aber nicht lösen.
Regierungskrise wegen Wortwahl – wie geht’s weiter?
Während die Kommunen also – bei aller vereinzelter Kritik an Wortwahl und Art - in der Debatte um das Stadtbild hinter dem Kanzler stehen, lösen die Worte auf Bundesebene möglicherweise die nächste Regierungskrise aus. So goß Vizekanzler Lars Klingbeil neues Öl ins Feuer, indem er dem Bundeskanzler offen Rassismus vorwarf, „Ich möchte in einem Land leben, bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht.“
Zeitgleich präzisierte Merz seine Aussagen und erklärte erstmals, wen er mit dem „Problem im Stadtbild“ konkret meinte: Migranten ohne Aufenthaltsrecht und Arbeit, die „sich nicht an die in Deutschland geltenden Regeln“ hielten.