Schluss mit Gnadenbrot - Wenn Fördermittel zum Herrschaftsinstrument werden, ist die Demokratie in Gefahr. Warum Kommunen kein Almosen brauchen, sondern endlich Respekt, fordert Christian Erhardt-Maciejewski
Schluss mit Gnadenbrot - Wenn Fördermittel zum Herrschaftsinstrument werden, ist die Demokratie in Gefahr. Warum Kommunen kein Almosen brauchen, sondern endlich Respekt, fordert Christian Erhardt-Maciejewski
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Leitartikel

Kommunen entmündigt: Warum Fördermittel unsere Demokratie gefährden

Starke Kommunen sind der beste Schutz gegen Extremismus und Politikverdrossenheit. Doch statt Vertrauen gibt es Fördertöpfe – und die machen krank. Christian Erhardt-Maciejewski fordert: Verantwortung statt Fördermittel-Fetischismus, oder konkret: Schluss mit der Almosen-Politik!

Ach, Deutschland. Land der Dichter, Denker – und devoten Dackelblicke, wenn es um das geht, was früher selbstverständlich war: auskömmliche Finanzausstattung und echte Selbstverwaltung. Heute? Gibt’s dafür Fördermittel. Vielleicht. Irgendwann. Wenn der Antrag korrekt gestempelt ist, das Komma sitzt – und der Bürgermeister brav das Hohelied auf die „Transformation“ gesungen hat.

Grasleben klagt – und steht nicht allein

Ein besonders skurriler Fall: Grasleben in Niedersachsen. Dort wurden bereits bewilligte Mittel gestrichen – wegen Formfehlern (KOMMUNAL berichtete). Die Gemeinde klagt. Auf eigene Kosten. Mit geringen Erfolgsaussichten. Der Vorwurf: politische Dressur durch Projektitis. Jeder Euro kommt mit DIN-A4-Bedienungsanleitung. Wer sich nicht in die Modethemen der Hauptstadt presst, bekommt kein Geld. Punkt.

Bürgermeister als Bittsteller

Ein Bürgermeister ist heute mehr Verwaltungsjurist als Gestalter. Zwischen Buzzword-Bingo und Bürokratieballast bleibt kaum Raum für echte Problemlösungen. Doch das Leben spielt sich nicht im Förderantrag ab, sondern auf dem kaputten Spielplatz, im nicht sanierten Schwimmbad, im leerstehenden Vereinsheim.

Kommunale Selbstverwaltung: Vom Grundrecht zum Placebo

Artikel 28 Grundgesetz garantiert kommunale Selbstverwaltung. In der Realität ist sie ein Placebo. Die Macht liegt bei Bund und Ländern, die Kommunen dürfen Danke sagen – oder klagen. Wie Grasleben. Das ist nicht Verwaltung, das ist Entmündigung. Und gefährlich dazu.

Warum starke Kommunen unsere Demokratie retten

Die kommunale Ebene ist das letzte echte Stück Demokratie. Wo Politik noch ohne Spin-Doktoren auskommt. Wo Menschen mitreden, mitentscheiden. Wenn das Vertrauen hier bröckelt, wird die Demokratie zum Hochglanz-Image ohne Substanz. Schwache Kommunen bedeuten starke Populisten.

Was jetzt passieren muss

Wer kommunale Selbstverwaltung stärken will, muss:

  • Schluss machen mit Gießkannen-Förderpolitik

  • Den Kommunen direkte Anteile an Steuereinnahmen garantieren

  • Planungssicherheit schaffen statt Projektchaos

  • Verantwortung vor Ort ermöglichen, nicht nur predigen

Grasleben ist ein Signal – und eine Mahnung

Die Klage aus Grasleben ist kein Einzelfall, sondern ein Aufschrei. Wenn Berlin jetzt nicht umsteuert, brennt bald die ganze Fläche. Dann hilft kein Fördertopf mehr – sondern nur noch Feuerwehr.

Demokratie lebt vom Mitmachen. Und das beginnt in den Kommunen. Wer sie weiter wie Bittsteller behandelt, sägt an den Grundfesten unseres Staates. Der Staat der Zukunft ist dezentral. Oder er ist Vergangenheit.