Verkehrswende
Erfolgsfaktoren für den Nahverkehr
Erfolgsfaktoren für die Verkehrsplanung
Beschwerden und Wünsche der Bürger ernst nehmen
Kleinmachnow im Umkreis Berlins. Bei 20.000 Einwohnern sind hier rund 11.000 PKWs gemeldet, eine enorme Zahl, die zu hohem Verkehrsaufkommen führt. „Der Verkehr ist bei uns absolut ein Thema“, sagt Susanne Gasch, die Fachdienstleiterin im Bereich Verkehrsplanung/Klima- und Umweltschutz. Dies liege auch daran, dass es zwar ein gutes Busnetz, aber keinen Schienenanschluss gäbe und somit viele mit dem Auto pendeln müssen. Um dennoch für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen und den Verkehr in der Gemeinde besser zu organisieren, wurde zwischen 2017 und 2019 ein Integratives Verkehrskonzept entwickelt.
Neben dem Austausch mit der Politik, der Polizei, den Busbetreibern, Schulen und lokalen Gruppen standen dabei die Bürger selbst im Zentrum. „Es gab eine große Bürgerfragerunde und zwei Bürgerbeteiligungsformate“, sagt Gasch. Wichtige Inputs hat sich die Kommune zudem aus dem Online-Portal „Merker“ geholt, einem Mängelmelder im Internet. „Dort ist sehr ungefiltert zu finden, welche Wünsche die Bürger haben und welche Probleme es gibt – das war sehr hilfreich für die Erstellung des Konzepts“, so Gasch. Der erste Schwerpunkt des Konzepts, ein neuer Radweg, wurde bereits umgesetzt, die weiteren sind in Planung.

Die Anwohner einbeziehen
Eine gute Verkehrsanbindung ist nicht alles, schließlich gehen mit ihr auch enormer Lärm und Abgasbelästigung einher. Was das bedeutet, ist in der Gemeinde Schorfheide zu erleben, an der die A11 als zentrale Verkehrsachse zwischen Berlin und Stettin vorbeiführt. Schon 2013 wurde für die Gemeinde Schorfheide ein Lärmaktionsplan erarbeitet und beschlossen. Für seine Fortführung und Überprüfung der Wirksamkeit wurden rund zehn Jahre später nun die Bürger und besonders die Anwohner in den betroffenen Vierteln um ihre Meinung gebeten.
Dazu gab es einen eigenen Online-Fragebogen, der zudem im Gemeindeblatt abgedruckt wurde. Zentrale Punkte darauf: Die Frage, welche Lärmquellen die Bürger besonders belästigen und wann der Lärm stört. Zudem wurde den Bürgern ein Maßnahmenkatalog vorgeschlagen, bei dem sie äußern konnten, welche Maßnahmen sie für eine Lärmreduzierung für geeignet halten, etwas Geschwindigkeitsbegrenzungen oder eine Verbesserung des Bus- und Bahnangebotes.
Die Jugend zu Wort kommen lassen
In der Gemeinde Wilhelmsfeld im Rhein-Neckar-Kreis hat man sich ganz besonders an die jungen Bürger gewandt, als es um ein besseres Verkehrskonzept ging. Das geschah in enger Kooperation mit der Jugendsozialarbeit, was sich bei der Durchführung der Beteiligungsformate sehr bewährt hat. Ziel war es, die Alltagswege der Jugendlichen zu erleichtern und mit ihnen genau jene Verkehrsteilnehmer zu Wort kommen zu lassen, die im ländlichen Raum oft die Hauptnutzergruppe des ÖPNV darstellen.
Die Ergebnisse der Jugendbefragung und die verschiedenen Veränderungsvorschläge wurden von der Kommune gemeinsam mit einem Verkehrsplanungsbüro geprüft und schließlich schrittweise angegangen, sofern sie realisierbar waren. Der konkrete Output? Unter anderem der Bau von Fahrradboxen an einer zentralen Haltestelle und die Aufnahme eines Nachtbusses in den Fahrplan.
Die örtlichen Betriebe ins Boot holen
Ein gutes Verkehrsnetz ist ein wichtiger Standortfaktor und damit auch ein nicht unwesentlicher Wettbewerbsfaktor für die Betriebe vor Ort. Die wichtigsten Informanten hierzu sind die Betriebe selbst. Diese hat man im Landkreis Rhön-Grabfeld bei der Verkehrsplanung mit ins Boot geholt. So hatten gerade Handwerksbetriebe an peripheren Standorten darauf hingewiesen, dass ihre Attraktivität für potenzielle Auszubildende durch die schlechte ÖPNV-Anbindung deutlich beeinträchtigt sei. Der Landkreis hat bald reagiert und das sogenannte „AzubiShuttle“ -Projekt ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein Bedarfsbussystem mit vier Kleinbussen, das jedes Lehrjahr wechselnde Strecken bedient.
Azubi-Shuttle im ländichen Raum
So werden rund 40 Auszubildende am Morgen und bei Bedarf auch am Nachmittag zu ihren Betrieben bzw. von dort nach Hause befördert. Die Folge: die Jugendlichen in der Region haben mehr Ausbildungsmöglichkeiten und die im Umland der Zentren gelegenen Betriebe werden bei ihrer Nachwuchsakquise unterstützt. Die Nachfrage nach dem Shuttle ist groß und laut Jörg Geier, dem Abteilungsleiter Kreisentwicklung, Landkreis Rhön-Grabfeld, hat sich die Mühe gelohnt: „Der AzubiShuttle ist ein großer Gewinn für unsere Lehrwerkstätten im ländlichen Raum und war ein impulsgebender Einstieg in den regionalen Bedarfsverkehr! Als einziger Landkreis in Unterfranken ist bei uns die Anzahl der Auszubildenden nicht rückläufig“.

Projekte wissenschaftlich begleiten lassen
Wie kann man ein kommunales Verkehrssystem nachhaltiger, robuster und widerstandsfähiger machen, wenn große Störfaktoren - wie etwa eine Pandemie, der Klimawandel und/oder lokale Infrastrukturmaßnahmen - das Mobilitätsverhalten beeinflussen? Diese Fragen stehen im Zentrum des Forschungsvorhabens MOTUS, für das Bad Hersfeld als Modellkommune ausgewählt worden ist. Der Grund: In Bad Hersfeld stehen große Veränderungen bevor, die den Verkehr enorm beeinflussen, darunter eine Erweiterung des Klinikums, Stadtentwicklungsprojekte auf dem Wevergelände und der Ersatzneubau der Hochbrücke am Peterstor.
Bad Hersfeld setzt auf gute Datengrundlage
Um hier schon im Voraus zu reagieren und gute Lösungen zu finden, setzt man in Bad Hersfeld auf eine intensive wissenschaftliche Begleitung. So sind als Forschungseinrichtungen des Projekts die Technische Universität Dresden, die Universität Kassel sowie die Verkehrsdatenspezialisten von Terralytics involviert und gleich vier verkehrswissenschaftliche Professuren mit ihren Spezialgebieten beteiligt, vom Radverkehr und der Nachmobilität über Verkehrsleitsysteme und Kraftfahrzeugtechnik bis hin zur Verkehrsökologie. Mit ihrer Hilfe hofft die Kommune auf gute Datengrundlagen und leistungsfähige Verkehrssimulation-Systeme, um schließlich die richtigen Entscheidungen für die Praxis treffen zu können.
Sich Inspiration von außen holen
Der Blick über den Tellerrand hilft – auch bei der lokalen Verkehrsplanung. Das erlebt man in der Region Hannover, die seit 2023 Teil des von der EU geförderten Projekts “UPPER” ist, in dem insgesamt 41 Partner aus über acht Ländern Europas dabei sind. Das übergeordnete Ziel dieses Projekts ist es, „das Potenzial des öffentlichen Nahverkehrs herauszustellen und Klimaneutralität zu erreichen“, wie Johanna Grüne vom Fachbereich Verkehr, Verkehrsentwicklung und Verkehrsmanagement in der Region Hannover sagt. Hierzu stehen die verschiedenen Partner in engem Austausch und entwickeln teils ähnliche Maßnahmen. In Hannover soll es so unter anderem einen E-Tarif geben; bereits umgesetzt wurde ein Fahrradturm als vollelektrisches Fahrrad Parkhaus. „Der Input ist sehr wichtig“, sagt Grüne. So hätten die Partner bei aller Verschiedenheit oft ähnliche Probleme. „Durch das Netzwerk aber können wir ganz andere Lösungen entwickeln und bekommen Inspiration von außen“.


