Bei der Städteplanung die Interessen der Natur mitzudenken hilft auch den Menschen vor Ort
Bei der Städteplanung die Interessen der Natur mitzudenken hilft auch den Menschen vor Ort
© adobe

Nistplätze und Staubbäder

Städteplanung: Mehr Wohn- und Lebensqualität schaffen

Wohnungsbau, Naturschutz und Biodiversität zusammen denken: Das versucht ein Forschungsteam der Technischen Universität München. Mit den Prinzipien des Animal Aided Designs (AAD) sollen Tiere in der Stadt Heimat finden und Menschen mehr Wohn- und Lebensqualität erleben.

Städteplanung hat sich mehr und mehr auch dem Umweltschutz verschrieben. Noch ist es um uns herum nicht gänzlich still geworden, aber es summt, brummt und krabbelt in Deutschland von Jahr zu Jahr weniger. Auch wenn es gerade im urbanen Raum noch erstaunlich viele Tiere gibt und immer weitere Arten sich in die Städte zurückziehen. In den Ballungsräumen gibt es einfach mehr Nahrung, weniger Pestizide, keine Überdüngung oder Jäger auf der Pirsch. Artgerechte Quartiere, natürliches Nistmaterial und ungestörte Futterplätze sind für die Tiere infolge von Nachverdichtung und Flächenversiegelung allerdings nicht leicht zu finden. In einem Forschungsprojekt der Technischen Universität München und mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz wollen der Biologe Wolfgang W. Weisser und der Landschaftsarchitekt Thomas E. Hauck von der Universität Kassel herausfinden, wie die Bedürfnisse unserer tierischen Mitbewohner bereits in der Planungsphase eines Bauprojekts berücksichtigt werden können. Der Biologe ist überzeugt: „Viele Studien beweisen, dass wir Menschen uns einfach wohler fühlen, wenn es um uns herum brummt und zwitschert. Also wird es Zeit, das Bauherren, Architekten und Landschaftsarchitekten zum Wohl von Mensch und Tier gemeinsam kreativ werden.“  

Städteplanung

Städteplanung: Wie sichtbar das Projekt ist oder auch nicht...

Und das wurden sie – erstmals in einem Pilotprojekt. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG hat im Frühjahr 2020 in München drei fünfgeschossige Wohngebäude nach dem derzeitigen Stand des Animal-Aided-Designs errichtet. Die Ergebnisse sind auf den ersten Blick eher unscheinbar: In den Fassaden sind längliche Einlässe für Fledermäuse eingebaut und Nistplätze für Mauersegler eingerichtet. Bei den Außenanlagen der Gebäude wurden Staubbäder für Haussperlinge, Durchlässe und Überwinterungsquartiere für Igel oder Spechtbäume aus Totholz geschaffen. Zudem dienen die ausgewählten Pflanzen, Hecken und Sträucher als Buffet für die heimische Tierwelt.

Für das Unternehmen war die reibungslose Integration des AAD-Konzepts in den Planungs- und Bauprozess eine große Herausforderung. Klaus Michael Dengler, Sprecher der Geschäftsführung: „Die Abläufe sind natürlich sehr gut durchorganisiert, aufeinander abgestimmt und eingespielt. Das AAD kann man dabei wie ein neues, zusätzliches Gewerk betrachten. Ohne eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von unterschiedlichen Planern, Baugewerken und den Forschungspartnern wäre es nicht gegangen.“ Ein Beispiel: Begrünte Dächer sollten Vögeln und Insekten ungestörte Futterplätze bieten. Eine Aufgabe, mit der die üblichen Fachleute keine Erfahrung hatten: „Dachdecker, Haustechniker und Blitzschutzfachleute mussten sich mit ökologischen Ansprüchen auseinandersetzen und auf ungewohnte Weise mit Landschaftsarchitekten, ökologischer Baubetreuung und Forschungspartnern zusammenarbeiten“, erläutert Klaus Michael Dengler.

Bei der Stadtplanung Interessen der Tiere mitdenken 

Wir befruchtend für alle Beteiligten diese Form der interdisziplinären Zusammenarbeit sein kann, weiß Wolfgang W. Weisser aus eigener Erfahrung: „Mein Kollege Thomas E. Hauck hatte als Landschaftsarchitekt zunächst eine völlig andere Perspektive als ich. Er sagt bisweilen scherzhaft: Wir kleben in unsere Wohnungsbauprospekte ein Eichhörnchen, aber wir fragen das Eichhörnchen nicht, ob es dort auch leben kann und will, wo wir es im Bild zeigen.“ Daraus leitete sich für ihn die Erkenntnis ab: „Wenn wir Tieren in der Stadt Raum geben und die Artenvielfalt erhalten wollen, dann müssen wir in jedem Bauprojekt die Tiere von Anfang an mitplanen und in der Planung ihre Bedürfnisse berücksichtigen.“  

Letztendlich werden allerdings Haussperlinge, Mauersegler, Grünspechte, Zwergfledermäuse und Braunbrustigel selbst darüber entscheiden, ob das Pilotprojekt in München zu einem Erfolgsmodell wird. Schon deshalb verbindet Klaus Michael Dengler mit dem Projekt noch keine konkrete Erwartungshaltung. „Das wäre aus meiner Sicht zu früh. Es ist ein Forschungsvorhaben und das Produkt Animal-Aided-Design muss seine Marktreife erst noch erlangen. Die Bedeutung von Artenschutz und Biodiversität beim Planen und Bauen hat mittlerweile aber deutlich zugenommen – zumindest in der Stadt München und bei der GEWOFAG. Ich denke, dass das AAD-Konzept Potenzial hat, auch als Inspirationsquelle für die zukünftige Gestaltung des urbanen Raums.“ Und Wolfgang W. Weisser ergänzt: „Ich hoffe, dass unser Forschungsprojekt zeigen wird: Bereits mit einfachen und kostengünstigen Maßnahmen können wir die Artenvielfalt in der Stadt bewahren und gleichzeitig die Lebensqualität der Menschen erhöhen. Langsam spricht sich unser Ansatz herum. Manche Stadtplanungsämter zeigen sich sehr aufgeschlossen. In Ingolstadt sind wir mit dem Stadtrat im Gespräch. Aus Berlin und Hamburg gibt es Interesse. Und wir haben schon Arbeiten in mehreren Metropolen – Berlin, München und Hamburg – erstellt.“