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Die Herausforderungen sind groß

Dr. Franz Dirnberger hat im November vergangenen Jahres die Geschäftsführung des Bayerischen Gemeindetags übernommen. Christian Erhardt-Maciejewski sprach mit ihm im KOMMUNAL-Interview über große Fußstapfen, große Herausforderungen und große Haushaltslücken in den Kommunen.

Dr. Franz Dirnberger

Ich übernehme von Jürgen Busse ein wohlbestelltes Haus. Das Team der Geschäftsstelle ist hoch motiviert, die zentralen Aufgaben unseres Verbandes für unsere Mitglieder weiterhin fachlich kompetent und verlässlich auszuüben. Natürlich sind die Fußstapfen groß, aber Sie kennen ja das Zitat: „Wenn man versucht, in den Fußstapfen seines Vorgängers zu gehen, hinterlässt man keine eigenen Spuren – und man bewegt sich rückwärts.“
Das Reizvolle an der neuen Aufgabe ist für mich vor allem die Vielseitigkeit der großen kommunalen Themenpalette. Ich möchte unsere Mitglieder bestmöglich dabei unterstützen, in allen Fragen, die sich den Gemeinden stellen, tragfähige Lösungen vor Ort zu finden.
KOMMUNAL: die größte Herausforderung für die Kommunen ist in diesen Tagen die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen. Aus Ihrer Erfahrung vor Ort: Hat die Bundeskanzlerin recht, schaffen wir das?
Die Flüchtlingskrise erfordert von den Städten und Gemeinden seit langem eine enorme Kraftanstrengung und von uns allen auch Ruhe und Besonnenheit. Am Beispiel dieser Krisen-Normalität zeigt sich sehr anschaulich, dass es in Bayern mit ein großer Verdienst der Gemeindeverwaltungen ist, dass die Situation bis jetzt so gut gemeistert wird. Für unsere Mitglieder geht es aber erst richtig los, sobald die Asylsuchenden ihren Aufenthaltsstatus erhalten haben. Dann sind unsere Gemeinden gefordert, Wohnraum und Plätze in Kindergärten und Schulen bereitzustellen. Die größte kommunale Aufgabe bleibt aber die Integration, damit das Miteinander mit den Neuankömmlingen im Rahmen unserer demokratischen Grundordnung und unserer Kultur gelingt.
Veranstaltung in der Oberpfalz
©Bayerischer Gemeindetag

Voraussetzung für das „Wir schaffen das“ ist es, dass die Gemeinden handlungsfähig bleiben. Im Augenblick fehlen dazu aber noch die geeigneten Instrumente und ausreichend finanzielle Mittel. 2016 ist vor allem die Bundespolitik gefordert, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die uns befähigen, die gestellten Aufgaben zu bewältigen.
KOMMUNAL: Aktuell diskutiert wird in dem Zusammenhang die Unterbringung der Flüchtlinge per Zwangsbescheid in einer Kommune. Ist der bisherige Verteilungsschlüssel nach dem Königsteiner Schlüssel überholt?
Es geht hier gar nicht so sehr um den „Königsteiner Schlüssel“. Wir wissen um die hohe Bereitschaft aller Gemeinden zur Mitwirkung bei der Unterbringung der Flüchtlinge. Wir waren daher überrascht, als uns die Nachricht ereilte, dass in Bayern die Landratsämter nun gesetzlich ermächtigt werden sollen, ihren kreisangehörigen Gemeinden bei Bedarf Asylbewerber zuweisen zu können. Wir brauchen keine gesetzlichen Zwangsinstrumente. Wir appellieren an die Solidarität aller bayerischen Gemeinden, ihre Möglichkeiten vor Ort zu prüfen und Flüchtlingsunterkünfte bereitzustellen. Es darf aber zu keiner Überforderung kommen. Sondern es muss gerecht zu gehen. Es bedarf eines tragfähigen Handlungsrahmens, in dem alle Betroffenen genügend Spielraum erhalten, um die Aufgaben erfolgreich lösen zu können.
KOMMUNAL: Wenn Sie an Ihre Aufgaben als neuer Direktor des Bayerischen Gemeindetags denken – ist das gleichzeitig Ihre größte Herausforderung oder welche weiteren Themen wollen Sie nach vorne bringen?
Durch das alles dominierende Thema Asyl und Flüchtlinge scheinen tatsächlich andere zentrale kommunale Politikfelder aus dem Blickfeld zu rücken. Aktuell gibt es unter unseren Mitgliedern aber auch Gemeinden, die ganz grundsätzlich mit einer angespannten Haushaltslage zu kämpfen haben und notgedrungener Maßen Investitionen verschieben. Es gibt Gemeinden, die dringend Wohnraum schaffen müssen, denen dazu aber Flächen fehlen. Ebenso befassen wir uns z.B. mit dem Kommunalen Investitionsförderungsgesetz, den Straßenausbaubeiträgen, der Breitbandförderung und auch mit den Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben. Kurzum, der Bayerische Gemeindetag widmet sich allen Themen, wo aktuell der kommunale Schuh drückt.
KOMMUNAL: Wenn Sie an die Herausforderungen der Gemeinden in Bayern in den kommenden 10 Jahren denken – wie werden Ihre Mitgliedskommunen im Vergleich zu heute im Jahr 2026 dastehen – welche Perspektiven und Probleme werden sie haben?
„Prognosen sind eine schwierige Sache. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Gerne schließe ich mich in diesem Punkt Mark Twain an. Ich bin mir jedoch sicher, dass die Kommunen in Bayern auch in zehn Jahren zentrale Aufgaben unseres Zusammenlebens erfolgreich gestalten. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Präsidiums und des Landesausschusses des Bayerischen Gemeindetags und mit tatkräftiger Unterstützung der Geschäftsstelle aber natürlich auch unseres Dachverbands des Deutschen Städte- und Gemeindebunds werden wir alle kommunalen Themen kritisch analysieren und passende Strategien entwickeln.
Zusatzinformation: 
Der Bayerische Gemeindetag ist einer von vier kommunalen Spitzenverbänden in Bayern mit Sitz in München. Ihm gehören 2026 der insgesamt 2031 kreisangehörigen Gemeinden, Märkte und Städte an.

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