Die Reform der Grundsteuer bleibt umstritten

Grundsteuer-Reform bleibt Zankapfel

9. August 2016
Bei einer der ältesten kommunalen Steuern der Welt steht eine umfassende Reform an. Die Finanzminister von Hessen und Niedersachsen, Thomas Schäfer und Peter-Jürgen Schneider, haben einen Reformvorschlag für die Grundsteuer vorgelegt. Im KOMMUNAL-Gastbeitrag erläutern Sie, wie die Reform aussehen soll.

Grundsteuer muss verlässliche Einnahmequelle bleiben

Es wird bereits vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt, dass die Steuer auf jahrzehntealten Wertverhältnissen beruht. Im Westen wird auf Werte aus dem Jahre 1964, im Osten gar auf Werte aus 1935 abgestellt. Um jeden Zweifel auszuräumen, müssen wir die Grundsteuer auf ein aktuelles und dann fortzuschreibendes Wertefundament stellen.

Die Reform der Grundsteuer ist Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider ein Herzensanliegen

Der zweite Grund ist ebenso wichtig. Über mehr als 50 Jahre Wertveränderungen auszublenden, hat Auswirkungen darauf, wie die Belastungen auf die Bürger verteilt werden. Vereinfacht gesagt zahlen gegenwärtig manche zu viel und andere zu wenig. Das wieder gerade zu rücken ist eine Frage der Gerechtigkeit.
Der erste Schritt ist die Neubewertung aller rund 35 Millionen Grundstücke und land- und forstwirtschaftlicher Betriebe. Wir wollen nie wieder in einen solchen Bewertungsstau geraten. Daher haben wir das neue Verfahren möglichst einfach ausgestaltet. Das erleichtert eine komplette Neubewertung in regelmäßigen Abständen. Dies muss zwangsläufig auf Pauschalierungen setzen. Trotzdem ist es gelungen, wichtige Wertfaktoren zu berücksichtigen. Wir finden: Ein guter Kompromiss zwischen Einfachheit und Genauigkeit. Bei unbebauten Grundstücken wird auf die Bodenrichtwerte abgestellt. Bei bebauten Grundstücken wird zudem noch der Wert des Gebäudes erfasst, wobei die Art des Gebäudes und das Baujahr berücksichtigt werden.

Die neuen Grundsteuer - Werte sind heute noch nicht kalkulierbar

Der Stichtag für die erste Bewertung soll der 1.1.2022 sein. Heute lässt sich noch nicht abschätzen, welche Werte sich dann ergeben. Die dann gültigen Bodenrichtwerte und anzusetzenden Baupreise kennt noch niemand. Die Bewertungsarbeiten werden um den Jahreswechsel 2022/2023 beginnen und einige Jahre in Anspruch nehmen.
Aber auch wenn die neuen Werte vorliegen, lässt sich daraus noch nicht die Höhe der neuen Grundsteuer ableiten. Wie schon heute werden auch die künftigen Werte mit einer gesetzlich festgelegten Steuermesszahl multipliziert. Erst auf den sich so ergebenden Steuermessbetrag wird dann der jeweilige gemeindliche Hebesatz angewandt, um die tatsächlich zu zahlende Grundsteuer zu ermitteln. Die Steuermesszahlen und die Hebesätze sind damit die Stellschrauben, um das Ziel „Aufkommensneutralität“ zu erreichen. Bei einem flächendeckenden Anstieg der Werte wegen der Neubewertung werden die Steuermesszahlen entsprechend abgesenkt.

Hessens Finanzminister Thomas Schäfer hat den Kompromiss zur Grundsteuer federführend ausgehandelt

Wie hoch die Messzahlen sein müssen, kann erst in einem zweiten Reformschritt berechnet werden. Die auf bundesweiter Basis  ermittelten Steuermesszahlen werden nicht in jedem Land eins zu eins passen. Daher schaffen wir eine Öffnungsklausel, die es den Ländern erlaubt, eigene Steuermesszahlen festzulegen. Damit erhalten die Länder eine bisher nie dagewesene Freiheit, Einfluss auf die Höhe der Grundsteuer zu nehmen. Heterogene Wertentwicklungen innerhalb eines Landes können  schließlich auf der Ebene der gemeindlichen Hebesätze ausgeglichen werden.
Angesichts dieser landesspezifischen und kommunalen Handlungsmöglichkeiten ist es nicht nachzuvollziehen, wie Bayern in der Reform eine Steuererhöhung erkennen will.
Aufkommensneutralität bedeutet jedoch nicht, dass jeder Bürger genau die gleiche Grundsteuer zahlen wird wie bisher. Denn dafür haben sich die Werte in den letzten Jahrzehnten zu weit auseinanderentwickelt.  Wenn innerhalb einer Gemeinde Grundstücke in manchen Lagen stärker an Wert zugelegt haben als in anderen Stadtteilen, wird und muss sich dies in der Verteilung der Steuerlast widerspiegeln. Denn nur mit einer Grundsteuer, die an aktuelle Werte anknüpft, lassen sich die verfassungsrechtlichen Probleme dauerhaft ausräumen.

Einige Grundbesitzer werden mit Mehrbelastungen rechnen müssen

Einer Mehrbelastung einzelner Grundbesitzer steht bei Aufkommensneutralität immer eine entsprechende Entlastung anderer Grundbesitzer gegenüber. Wir müssen auch an Gerechtigkeit für diejenigen denken, die heute viel zu viel Grundsteuer zahlen, weil ihr Grundstück in Relation zu einem Grundstück in anderen Stadtteilen seit 1964 eben nicht so stark im Wert gestiegen ist. Diese Hausbesitzer zahlen heute einfach viel zu viel – und das ist nicht gerecht und eben deshalb liegen die heutigen Einheitswerte auch dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Wer mit der Ausrede, jegliche Mehrbelastung vermeiden zu wollen, die Hände in den Schoß legt, muss den Hausbesitzern in den weniger gefragten Vierteln erklären, warum sie weiterhin Jahr für Jahr die Steuer für Hausbesitzer in den besseren Vierteln mitzahlen sollen. Das ist für uns eine ganz elementare Frage der Gerechtigkeit! Jeder, der die Reform auf die lange Bank schieben will, gefährdet wegen der drohenden Feststellung der Verfassungswidrigkeit  nicht nur die kommunalen Haushalte, sondern beharrt auf der heutigen ungerechten Lastverteilung.

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