Professor Manfred Güllner spricht über Kommunalpolitik

Kommunalpolitik: Bürgernähe statt Ideologie

Kommunalpolitik ist nur dann erfolgreich, wenn sie ein Gegenmodell zur Politik auf Landes- und Bundesebene darstellt, meint Forsa-Chef Manfred Güllner

Bei den drei letzten Landtagswahlen in Bayern (2008, 2013 und auch aktuell im Oktober 2018) konnte die CSU nur noch weniger als 30 Prozent aller Wahlberechtigten im Freistaat als Wähler gewinnen – eine für die lange Zeit dominante politische Kraft in Bayern mit enormer Bindekraft von rechts bis weit ins Mitte-Links-Spektrum der Wählerschaft schwache Mobilisierung. Dass die CSU ihre einstige Bindekraft und somit auch ihre absolute Mehrheit im Landtag eingebüßt hat, ist angesichts der hohen Zufriedenheit der Bayern mit den Lebensverhältnissen in ihrem Wohnort eigentlich verwunderlich.

Schließlich sagen gut zwei Drittel der Bayern, ihr Wohnort habe sich in den letzten Jahren zum Vorteil verändert, während das in einem Land wie Nordrhein-Westfalen nur die Hälfte der Bürger angibt. Auch mit fast allen Lebensbedingungen in ihrer Stadt bzw. Gemeinde – vom Angebot an Parks und Grünanlagen, der Gesundheitsversorgung und den Schul- und Bildungseinrichtungen über die Sauberkeit in der Stadt, die kulturellen Angebote und das Angebot an Arbeitsplätzen bis hin zum Zustand der Verkehrswege – sind die Bayern zum Teil deutlich zufriedener als die Bevölkerung in allen anderen alten Bundesländern.

Auffällig ist bei einem Vergleich des Zufriedenheitsgrades zwischen den einzelnen Wählergruppen, dass die Anhänger der AfD generell nicht nur unzufriedener sind als die Anhänger der CSU, sondern auch als der Durchschnitt aller Bürger – und das, obwohl die ökonomische Lage der AfD-Anhänger objektiv besser ist als die des Durchschnitts aller Wahlberechtigten.

Kommunalpolitik: Was macht die Bürger zufrieden?

Ganz besonders groß ist der Zufriedenheitsvorsprung der Bayern bei der Sauberkeit, dem Angebot an Arbeitsplätzen, dem Zustand der Straßen und der Sicherheit in ihrer Wohngemeinde. Dass sich die Bayern in ihrer Stadt bzw. Gemeinde sicherer fühlen als die Bundesbürger in den anderen westlichen Bundesländern, dürfte damit zusammenhängen, dass über die Hälfte der Bayern (56 %) den Eindruck haben, dass in ihrer Gemeinde genug für die Sicherheit getan wird. In Nordrhein-Westfalen glauben das hingegen nur 30 Prozent der dort wohnenden Bürger. Und während an Rhein und Ruhr nur 18 Prozent angeben, es gäbe in ihrer Stadt bzw. Gemeinde genügend Polizisten, sagen das von den Bayern 44 Prozent.

Die im Vergleich zu den anderen westdeutschen Flächenstaaten zum Teil deutlich höhere Zufriedenheit der Bayern mit den lokalen Lebensbedingungen dürfte auch etwa damit zu tun haben, dass die Bayern die Finanzkraft ihrer Gemeinden erheblich besser einschätzen als die Bewohner anderer Bundesländer. So glauben 54 Prozent der Bayern, dass ihre Wohngemeinde genügend Geld zur Verfügung hat, um alle anstehenden Aufgaben auch gut erfüllen zu können, während diesen Eindruck nur 22 Prozent der Nordrhein-Westfalen haben.

Deutlich zufriedener als die Nordrhein-Westfalen sind die Bayern auch mit ihrer Stadt- und Gemeindeverwaltung (nur die Berliner und die Bremer sind mit ihrer Verwaltung vor Ort unzufriedener als die Bürger an Rhein und Ruhr). Dementsprechend empfinden auch rund drei Viertel der Bayern das Verhältnis zwischen Bürgern und Verwaltung als weitgehend gut und harmonisch. Dieses positive Urteil dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass der Kontakt zu den kommunalen Mandatsträgern intensiver ist als z.B. in Nordrhein-Westfalen und dadurch auch über die Hälfte der Bayern (52 %) den Eindruck haben, dass die Politiker vor Ort sich in ausreichendem Maße um das kümmern, was die Menschen bewegt.

Da die CSU in den meisten der über 2.000 Gemeinden des Freistaates den Bürgermeister stellt, wird die CSU vor Ort von recht vielen Bürgern für besser gehalten als die CSU insgesamt. Das gilt allerdings nicht für die beiden urbanen Metropolen in Bayern, München und Nürnberg. In Gemeinden mit einem CSU-Bürgermeister wird das Verhältnis zwischen Bürgern und Verwaltung auch besser eingeschätzt als in Gemeinden, in denen der Bürgermeister einer anderen Partei angehört – wobei die Bürger in Gemeinden mit einem Bürgermeister der Grünen das Verhältnis Bürger-Verwaltung am wenigsten gut bewerten.

Kommunalpolitik: Bürger zufrieden mit der Politik vor Ort

Während die Bayern mit den Lebensbedingungen in ihrem Wohnort und der Politik vor Ort außerordentlich zufrieden sind, ist man mit der CSU auf Landesebene und deren Repräsentanten aber äußerst unzufrieden. So gehörte der langjährige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer schon vor 3 Jahren zu den unbeliebtesten Ministerpräsidenten in allen 16 Bundesländern. Und kurz vor der Übergabe des Amtes an Markus Söder waren Ende 2017 nur noch 31 Prozent der Bayern mit seiner Arbeit zufrieden, die große Mehrheit von 63 Prozent aber unzufrieden. Mit der Arbeit seines Nachfolgers waren allerdings auch nur 33 Prozent der Bayern zufrieden und ebenfalls wie bei Seehofer 63 Prozent nicht zufrieden. Auch mit der bayerischen Staatsregierung war die Mehrheit der Bayern (55 %) kurz vor der Landtagswahl nicht zufrieden. Zudem haben auch viele Bayern das Gefühl, dass sich die CSU auf Landesebene nicht mehr in ausreichendem Maße um die Belange der Städte und Gemeinden kümmert.

Trotz der großen Unzufriedenheit der Bayern mit der CSU-Spitze hat das große Vertrauen der Bayern in die CSU-Repräsentanten vor Ort der CSU noch ein Ergebnis von 37,2 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen gebracht. Ohne diesen positiven Einfluss der lokalen Politikebene wären die Einbußen der CSU noch deutlich größer als am Wahlsonntag ausgefallen.

Die beschriebenen Diskrepanzen zwischen den Erwartungen der Bürger an die kommunale Politikebene und der immer stärker durch ideologische Dogmen geprägten Politik der Parteien auf Landes- und Bundesebene findet sich aber keinesfalls nur in Bayern, sondern so gut wie flächendeckend in der gesamten Republik. Anders aber als in Bayern kann die Politik vor Ort oft dem Druck der „großen“ Politik nicht mehr standhalten und verliert dann – anders als in Bayern – auch in dem Maße Vertrauen wie die gesamte Politik. Umso wichtiger ist es, dass die Politik vor Ort nicht der ideologischen Verbohrtheit der zentralen Parteilinien folgt, sondern sich an den Erwartungen und Bedürfnissen der Menschen in der jeweiligen Stadt und Gemeinde orientiert.

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