10 Praxistipps
So stärken Kommunen das Ehrenamt
„Keine Zeit, kein Interesse“. Zunehmend wird es komplizierter, Kandidaten für unsere Orts- und Gemeinderäte zu finden. Dazu kommt, dass für gute Kommunalpolitik eine angemessene Repräsentation der differenzierten Lebensperspektiven aller Menschen notwendig ist, die in einer Gemeinde leben. Sind es nicht gerade junge Mütter und Väter, die maßgeblich das Bild und die Zukunft in einer Kommune prägen müssen? Gerade die Perspektive junger Frauen fehlt. Der Frauenanteil in den kommunalen Vertretungen liegt insgesamt durchschnittlich bei deutlich unter einem Drittel. Und nach wie vor gilt: Je ländlicher die Region, desto stärker ist die politische Repräsentation männlich dominiert. Und woran liegt es? Ein kommunales Ehrenamt ist nicht attraktiv genug und es lässt sich nicht hinreichend mit Familie und Beruf kombinieren. Es ist also, um mit Herbert Grönemeyer zu sprechen, wirklich „Zeit, dass sich was dreht“. Kommunale Selbstverwaltung funktioniert nicht ohne kommunale Selbstverwalter.
Kommunales Ehrenamt: Positive Entwicklungen
Doch lasst uns zuversichtlich bleiben. An vielen Stellen wurden die Botschaften verstanden. Viele Landesgesetzgeber veränderten und verändern Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungsgesetze, um die Attraktivität der kommunalpolitischen Ehrenämter zu erhöhen. Die beinahe flächendeckende Einführung der Möglichkeiten von hybriden Gremiensitzungen ist Beispiel dafür. Auch die Diskussion um temporäre Vertretungsmöglichkeiten kommunaler Mandatsträger bei familiären oder beruflichen Zwängen gewinnt an Kraft.
Unabhängig davon muss es aber und gerade auch Ziel der kommunalen Ebene sein, den Zugang zu und die Ausübung von kommunalen Ehrenämtern attraktiver zu gestalten. Diejenigen, die bereits aktiv sind, müssen in ihrem Engagement gestärkt und gehalten werden. Diejenigen, die ein kommunalpolitisches Engagement in Erwägung ziehen, dürfen keine übermäßigen Hürden und Hemmnisse erfahren.
10 Tipps zur Stärkung des kommunalen Ehrenamts
Deshalb: 10 Tipps und Vorschläge zur Diskussion und zum Probieren auf kommunaler Ebene. Und aufgemerkt: Geschäftsordnungen und Hauptsatzungen können nicht nur im Rahmen von konstituierenden Sitzungen geändert oder angepasst werden.
1. Sichtbarkeit und Wertschätzung erhöhen
Wie ist das mit Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit vor Ort? Die Tätigkeit in Orts- und Gemeinderäten benötigt deutlich stärkere und positive Sichtbarkeit. Dazu können auch lokale Informationskampagnen dienen. Überparteiliche Informationsveranstaltungen und Mitmachformate können nahbar vermitteln, dass demokratische Gestaltung vor Ort gelingt und die Möglichmacher das ehrenamtlich tun.
2. Gestaltungsmöglichkeiten schaffen
Ratsmitglieder sind kein Stimmvieh und möchten nicht nur über Sparlisten und Haushaltskonsolidierungszwänge diskutieren. Die Bürgermeister haben sie an strategischen Themen zu beteiligen, dürfen zu Strategietagen und Klausurtagungen einladen und mit den Ratsmitgliedern gemeinsam an den großen Zukunftsthemen unserer Städte und Gemeinden arbeiten.
3. Sitzungszeiten flexibel festlegen
Familienfreundliche Sitzungszeiten sind in vielen Kommunen ein Fremdwort. Weiteres Hemmnis ist die mangelnde Planbarkeit. Deshalb sind klare Regeln zu Beginn und Ende von Sitzungen und Terminabsprachen notwendig. Es gibt eben keine „ideale Sitzungszeit“. Flexibilität ist gefragt. Was spricht gegen wechselnde Sitzungstage, rotierende Uhrzeiten oder Sitzungstage mit mehreren kommunalen Gremiensitzungen?
4. Ineffiziente Abläufe abstellen
Kommunale Gremiensitzungen kommen vielerorts noch sehr tradiert daher. Es fehlt an guten Vorbereitungen durch die Verwaltungen und vollständig digitalisierte Abläufe. Nötig sind dazu auch gute technische Ausstattungen: Tablets, digitale Ratsinfosysteme und DMS. So wird Zeit und Aufwand gespart, die Arbeit macht mehr Spaß.
5. Sitzungskultur und Schutzräume für konstruktive Zusammenarbeit
Verhinderte Parlamentarier nutzen die Ratssäle, um „Redeschlachten“ aus dem Bundestag zu kopieren. Die Art, wie Debatten geführt werden, ist nicht immer wertschätzend. Wie gehen die kommunalen Mandatsträger miteinander um? Fairness und Diskussionskultur auf Augenhöhe sind unerlässlich. Stereotypische Verhaltensformen sollten erkannt und eingeschränkt werden. Und wenn die öffentliche Bühne weiter für das verbale Verprügeln genutzt werden muss, schafft Schutzräume für konstruktive Zusammenarbeit. Setzt Euch mal ganz ohne Öffentlichkeit und Presse zusammen!
6. Hybride Formate
Hybride Sitzungsformate bieten zeitliche Entlastungsmöglichkeiten und tragen ganz erheblich zur Attraktivitätssteigerung für ein kommunales Ehrenamt bei. Die durch die Landesgesetzgeber in beinahe allen Bundesländern geschaffenen Rahmen bleiben leider in vielen Orten ungenutzt. Verwaltungen legen unrealistische und zu hohe Kostenschätzungen vor, Ratsgremien haben Angst vor Veränderung. Hier werden Chancen verpasst und die bestehen auch darin, durch das Streamen von Sitzungen (live und on-demand), Interesse an Themen und Lokalpolitik zu schaffen.
7. Sitzungsleitung und Moderation
Die Gremienarbeit leidet oftmals unter unzureichend geschulter Sitzungsleitung in Räten und Ausschüssen. Liegt diese bei ehrenamtlichen Mitgliedern, ist besondere Aufmerksamkeit dem Thema Schulung und Qualifikation zu widmen. Gute Moderation und Sitzungsleitung verkürzt Sitzungen und verbessert die Sitzungskultur.
8. Qualifikationen vermitteln
Die kommunalpolitischen Themen werden komplexer. Fachwissen zum Kommunalrecht (ordnungsgemäße Beschlussfassung, Antragsrechte, digitale Gremienarbeit etc.) und zu spezifischen Themen wie beispielsweise Bauleitplanung und Haushaltsrecht sind notwendig, helfen ehrenamtlichen Mitgliedern wie der Verwaltung und machen damit die Ratsarbeit effizienter und attraktiver.
9. Kinderbetreuung
Und selbstverständlich werden Ratsmitglieder mit kleinen Kindern in der Wahrnehmung ihres Mandates beeinträchtigt, wenn Kinderbetreuung über die Kommune während Sitzungszeiten nicht sichergestellt werden kann und Kosten nicht übernommen werden. Diese Thematik gilt im Übrigen auch bei pflegebedürftigen Familienangehörigen. Engagement darf nicht an familiären Realitäten scheitern.
10. Ratsarbeit macht stark
Kommunen können die Ratsarbeit stärker als persönliche Weiterbildung erlebbar machen. So erleben Ratsmitglieder ihr Engagement nicht nur als Dienst für die lokale Gesellschaft, sondern auch als Investition in die eigenen Kompetenzen: Rhetorik, Kommunikation und Zeitmanagement sind Beispiele. Das alles führt zu höherer Motivation und der Stärkung von Selbstbewusstsein.


