Rekruten vor einer Kaserne der Bundeswehr
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Konversion von Militärflächen gestoppt

Kasernenbau: Bundeswehr hält Liegenschaften zurück

Ob in Kiel, Bamberg oder vielen andere Städten: Wo neue Wohnungen, Gewerbegebiete oder Naturschutzflächen entstehen sollten, sollen wieder Wehrdienstleistende einziehen. Der Aufwuchs bringt kommunale Großpläne ins Wanken.

Die Wiedereinführung des Wehrdienstes ist beschlossene Sache. Ab Anfang 2026 sollen junge Männer wieder Post von der Bundeswehr bekommen und zu Musterungen eingeladen werden. Bis 2031 soll die Zahl der Wehrdienstleistenden dramatisch steigen: Statt derzeit 15.000 Wehrpflichtige pro Jahr will die Bundeswehr dann bis zu 40.000 Rekrutinnen und Rekruten einberufen.

Doch wohin eigentlich? Wo einst Infanteristen ausgebildet worden, finden sich heute oft Büroräume von Startups. Statt Stuben, Schießständen und Mannschaftsmessen sind auf ehemaligen Kasernengeländen heute bundesweit Gründerzentren, Wohnparks oder Industriegebiete entstanden. Die Konversion von alten Militärflächen war in den letzten drei Jahrzehnten für viele Kommunen ein lohnendes Projekt. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steht deshalb vor einem Problem: Die für den Aufwuchs der Bundeswehr benötigten Liegenschaften und Gebäude hat er gar nicht mehr in seinem Portfolio.

Pistorius' Doppelstrategie: Modulbau und Verkaufsstopp

Bei einer „Fachkonferenz Infrastruktur“, die Anfang Oktober im Berliner Bendlerblock stattfand, präsentierte er deswegen zwei Pläne: 270 neue Kompaniegebäude sollen ab 2027 in modularer Bauweise auf bereits bestehenden Bundeswehrliegenschaften geschaffen werden. Und: Der Verkauf von Liegenschaften der Bundeswehr wird vorläufig gestoppt. „Wir können in diesen Zeiten nicht auf bestimmte Liegenschaften verzichten“, sagt Pistorius. Eine KOMMUNAL vorliegende Liste zählt zahlreiche Grundstücke auf, die die Bundeswehr möglicherweise weiternutzen will, von Sylt im Norden bis Mittenwald im Süden. Manche davon sind noch aktive Bundeswehrstandorte, viele andere sind im Portfolio der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIma). Viele Kommunen in Deutschland stellt das vor Herausforderungen. Denn der Veräußerungsstopp betrifft auch Grundstücke, auf denen teils schon seit vielen Jahren Anderes geplant wird.

Fallbeispiel Bamberg: Kampfmittel verzögern Gewerbeflächen

Zum Beispiel die ehemalige Heeresmunitionsanstalt in Bamberg. Die so genannte MUNA sollte eigentlich zivil weitergenutzt werden, sagt Oberbürgermeister Andreas Starke. Man wollte auf dem Gelände „Ökonomie und Ökologie vereinen“: Geplant waren ein erweitertes Naturschutzgebiet mit 15 Hektar und 20 Hektar für gewerbliche Entwicklungsflächen. Für die Haupterschließung sowie für weitere Wald- und Grünlandbereiche waren 23 Hektar angesetzt. „Es wurde uns angekündigt, dass Lösungen geprüft werden, die die militärischen Belange und kommunalen Interessen in Einklang bringen sollen“, sagt Starke. Dieses Angebot des Ministeriums werde die Stadt gerne aufgreifen. „Wir wollen in nächster Zeit über einen Weg verhandeln, der uns in die Lage versetzen soll, eine Gewerbefläche zu realisieren, ohne die militärische Nutzung zu vernachlässigen.“ Die Fläche sei insgesamt groß genug. Zumal eine Entwicklung der Fläche auch einen gewissen Aufwand mit sich führen dürfte: Denn das Gelände der ehemaligen Munitionsanstalt ist – wie es bei einem solchen Standort eigentlich auch gar nicht anders zu erwarten ist - stark mit Kampfmitteln belastet.

Ohne diese Belastung wäre die MUNA schon längst in die städtische Trägerschaft übergegangen, ergänzt Stadtsprecher Michael Memmel. „Wir waren hier schon kurz vor der Ziellinie.“ Doch dann wurde über die Räumung des Geländes verhandelt: „Zuletzt standen wir vor den komplizierten Fragen, was die Kampfmittelsanierung des Geländes kostet und wer sie bezahlt, also ob wir das Gelände mit oder ohne Belastung übernehmen.“ Aus Sicht der Stadt lohne es sich aber, an der Thematik dranzubleiben: Denn auch für eine Kaserne sei ein mit Kampfmitteln belastetes Gelände vielleicht nicht der ideale Standort. Memmel betont: „Wir hoffen darauf, dass sich die Liste des Ministeriums noch einmal verkürzt.“

Kiel: Marinestandort mit Flächenproblem

Die Pläne des Bundes betreffen auch Kiel. Die Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein ist traditionell Marinestandort. Mit dem „Gruß an Kiel“ gibt es sogar einen eigenen Marinemarsch, der der Fördestadt gewidmet ist. Und dass der Hafen bei allen Truppenverlegungen in Richtung Polens und des Baltikums eine relevante Rolle spielt, ergibt sich schon durch seine Lage am östlichen Ende des Nord-Ostsee-Kanals. Doch Kiel hat durch seine Lage an der Förde auch ein Flächenproblem. Auf den Flächen des ehemaligen Marinefliegergeschwaders 5 in Holtenau-Ost plant die Landeshauptstadt schon seit mehr als 10 Jahren einen „Zukunftsstadtteil“, sagt der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfert. 2.000 Wohnungen sollten dort entstehen, dazu eine Fördepromenade und Gewerbegebiete. „In Kiel sind wir jetzt nicht nur vom Verkaufsstopp des Ministeriums betroffen“, berichtet der Oberbürgermeister. „Die Bundeswehr hat auch angefragt, ob sie weitere Flächen, die sich bereits im Eigentum der Stadt befinden, zurückkaufen kann.“ Denn das Seebataillon der Marine soll mittelfristig in Kiel stationiert werden. Für die Stadt ein Problem: „Der Standort Eckernförde platzt aus allen Nähten“, sagt Kämpfert.

Aus Sicht der Landeshauptstadt ist es dabei gar nicht mal so schlecht, wenn die Bundeswehr in Kiel investiert – denn auch durch neue Kasernen entstünden Arbeitsplätze, und die Soldaten brächten Kaufkraft in die Stadt. „Aber wenn wir die Wohnungen für die Kieler nicht bauen können und eine geplante Durchwegung des Geländes nicht möglich ist, dann haben wir natürlich ein Problem", beklagt der Oberbürgermeister.

Verhandlungen auf Augenhöhe statt Enteignung

Die Stadt verhandelt deshalb mit der Bundesehr über eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung. Das sieht Kämpfert positiv, denn die Bundeswehr könnte sich die nötigen Flächen theoretisch auch durch Enteignungen beschaffen. Er unterstreicht: „Aber bisher reden wir auf Augenhöhe miteinander.“ Was er anderen Bürgermeistern und Kommunen rät, die ebenfalls von der Zurückhaltung von Flächen betroffen sind? „Wichtig ist es aus meiner Sicht, dass man sehr frühzeitig das Gespräch miteinander sucht", sagt Kämpfert. „Und dass man sich darüber im Klaren ist, was man voneinander will.“ Dazu gehöre auch, sich auf die Positionen des jeweilig Anderen einzulassen, sagt der Oberbürgermeister, der vor seinem Wechsel in die Politik als Familienrichter und Mediator tätig war. „Wenn zwei Maximalpositionen aufeinander knallen, kann es keine gute Lösung geben.“