
Sicherheit
Bundeswehr an der Schule: Bildung oder versteckte Werbung?
Seit 2011 ist die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt, doch nun wird sie angesichts der neuen Bedrohungslage in Europa wieder diskutiert. Die Bundeswehr ist bislang auf Freiwillige angewiesen. Um den dringend benötigten Nachwuchs zu gewinnen, hat die künftige Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt: "Wir verankern unsere Bundeswehr noch stärker im öffentlichen Leben und setzen uns für die Stärkung der Rolle der Jugendoffiziere ein, die an den Schulen einen wichtigen Bildungsauftrag erfüllen."
Bundeswehr an Schulen - was ist erlaubt?
Doch was darf die Bundeswehr in den Schulen? Der Stadtrat im sächsischen Zwickau hatte Anfang des Jahres ein Werbeverbot für die Bundeswehr in den Schulen der Stadt beschlossen. Oberbürgermeisterin Constanze Arndt legte dagegen Widerspruch ein. Die Stadträte befassten sich daraufhin erneut mit dem Thema - und blieben bei ihrer Ablehnung. Sie stimmten erneut mehrheitlich für den Antrag des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW). Daraufhin schaltete sich die Kommunalaufsicht ein. Das Landratsamt beanstandete den Beschluss "Zwickau - Stadt des Friedens". Denn darin war Werbung für die Bundeswehr auf städtischen Flächen ausgeschlossen worden. Eine solche Regelung, so die Kommunalaufsicht, verstoße gegen geltendes Recht.
Stadtrat überschreitet Kompetenzen
Wörtlich schrieb die Kommunalaufsicht: "Der Stadtrat überschreitet damit seine Kompetenzen unter anderem in bundespolitischen Fragen, schulischen Belangen und im Bereich kommunaler Unternehmen in privater Rechtsform." Zudem liege ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzes vor. Denn die Bundeswehr sei eine im Grundgesetz verankerte Institution. Sie sei nicht nur Arbeitgeber im öffentlichen Dienst, sondern erfülle verfassungsrechtlich definierte Aufgaben.
Werbeverbot für die Bundeswehr eine bundespolitische Frage
Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Dominik Lück, ordnet diese Argumente ein: "Die Entscheidung der Kommunalaufsicht ist alles andere als überraschend. Sie steht in einer Reihe mit den Versuchen von Kommunen in den 1980er-Jahren, sich zur „atomwaffenfreien Zone“ zu erklären oder mit Beschlüssen mehrerer Gemeindevertretungen anlässlich des Ukraine-Krieges Ende 2022, den Bundeskanzler per offenem Brief zu Friedensverhandlungen aufzurufen." Der Jurist betont: "Entscheidend ist, dass der Stadtrat der Stadt Zwickau in seiner Zuständigkeit auf Fragen begrenzt ist, „die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln“ - so hat es das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Das Werbeverbot für die Bundeswehr betreffe jedoch Fragen, die über das Gebiet der Stadt Zwickau weit hinausgehen. "Es geht um bundespolitische Fragen."
Der Zwickauer Stadtrat hat sein Werbeverbot für die Bundeswehr auf Druck der Kommunalaufsicht schließlich zurückgezogen. Bei der dritten Abstimmung votierte schließlich die Mehrheit der Stadträte dafür, den ursprünglichen Beschluss aufzuheben.
Brandenburg: Schulische Veranstaltung unterliegen Werbeverbot
Wie geht Brandenburg mit dem Thema um? Dort reagiert die SPD nach den jüngsten Landtagswahlen gemeinsam mit dem BSW regiert, war der Umgang mit der Bundeswehr auch Thema bei den Koalitionsverhandlungen. Auf Anfrage von KOMMUNAL sagte jetzt eine Sprecherin des Bildungsministeriums: "Schulische Veranstaltungen im Land Brandenburg mit Vertretern der Politik, der Bundeswehr und der Wirtschaft unterliegen grundsätzlich dem Werbeverbot. Fragen der Personalgewinnung dürfen ausdrücklich keine Rolle spielen."
"Jugendoffiziere dürfen nicht um Nachwuchs werben"
Davon zu unterscheiden sei allerdings die Bildungsarbeit der Jugendoffizierinnen und Jugendoffiziere der Bundeswehr, die – anders als die Karriereberatung der Bundeswehr – gemäß ihrer Tätigkeitsbeschreibung keine Nachwuchsgewinnung betreiben. Schon seit 1958 halten Jugendoffiziere der Bundeswehr Vorträge an deutschen Schulen. Sie finden auf Einladung der jeweiligen Lehrkraft statt und richten sich an Schüler der Klassen 9 bis 13. Behandelt werden Themen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie den Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr."
In Brandenburg entscheiden die Schulen und die Lehrkräfte selbständig, ob sie Angebote der Jugendoffizierinnen und -offiziere annehmen, so die Sprecherin weiter. Dazu gehörten Vorträge, Diskussionsveranstaltungen oder Planspiele zu Themen wie dem deutschen Beitrag zur internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie zu den sicherheitspolitischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Die Lehrkräfte müssten dabei auf die gebotene Ausgewogenheit achten. "Grundsätzlich unterliegt im Land Brandenburg die Einbeziehung externer Sachkundiger beispielsweise aus der Politik, der Bundeswehr oder der Wirtschaft in den Unterricht und schulische Veranstaltungen dem Werbeverbot", unterstrich die Sprecherin.
Karriereberatung der Bundeswehr bei beruflicher Orientierung
Andere Regelungen gelten bei der beruflichen Orientierung. Dabei informieren Schulen im Rahmen von speziellen Veranstaltungen zur beruflichen Orientierung über die Maßnahmen der Schule und ihrer Partner sowie über die Vielfalt der Berufs- und Karriereperspektiven. "An diesen Veranstaltungen könnte sich grundsätzlich auch die Karriereberatung der Bundeswehr beteiligen", stellte die Ministeriumssprecherin klar. Im Koalitionsvertrag haben SPD und BSW festgelegt: "Eine Nachwuchswerbung der Bundeswehr kann in der Unterrichtszeit, aber nicht im Unterricht stattfinden." Die Schulen entscheiden eigenständig und freiwillig, ob und wie sie die Angebote nutzen. Neben der Bundeswehr sollten die Schulen parallel auch Vertreter der Zivilgesellschaft einladen.