Schub für den Breitband-Ausbau

Ein Schub für den Breitband-Ausbau soll es werden. Millionen Haushalte sollen über Vectoring endlich schnelle Internetzugänge bekommen. Die Pläne waren lange umstritten. Nun gibt es einen Kompromiss. Die Bundesnetzagentur hat sich mit der EU geeinigt. Kernstück der Einigung: Die Konkurrenten der Telekom sollen in mehr Gebieten die Technik einsetzen können als bisher vorgesehen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund nennt den Ausbau ein Konjunkturprogramm für den ländlichen Raum. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, gibt dem DStGB im Interview mit Christian Erhardt recht.

Herr Homann, was konkret versprechen Sie sich von Vectoring?


Vectoring leistet einen wichtigen Beitrag für den Breitbandausbau. Gegenüber VDSL2 ermöglicht VDSL2-Vectoring deutlich höhere Bandbreiten. Schon die erste Vectoring-Entscheidung aus 2013 hat dazu geführt, dass in den vergangenen anderthalb Jahren der Breitbandausbau Fortschritte gemacht hat und viele Endkunden ein besseres Breitbandangebot erhalten können. Mit der Öffnung der Vectoring-Technologie auch für die Nahbereiche werden 1,4 Mio. Haushalte in Deutschland erstmals Anschlüsse mit einer Geschwindigkeit von mind. 50 Mbit/sek erhalten können. Insbesondere ländliche Gebiete profitieren überproportional davon.

Der Präsident der Bundesnetzagentur Jochen Homann

Kritiker sprechen von „Kupfer-Schmu“ und sagen, die Vectoring Technologie sei nicht zukunftsträchtig sondern verzögere nur den Breitband-Ausbau. Was sagen sie denen?

Vectoring wird von vielen Marktakteuren als Zwischenschritt hin zu vollständigen Glasfasernetzen gewertet. Wir sehen dabei auch keine Verdrängung von FTTB/H-Investitionen – im Gegenteil: Die Deutsche Glasfaser hat z.B. erst kürzlich angekündigt, dass sie schnellstmöglich eine Million Endkunden mit FTTB/H anschließen möchte. Im Übrigen wird Vectoring bereits heute nicht nur von der Telekom, sondern auch von den Wettbewerbern eingesetzt. Hierzu haben bereits erhebliche Investitionen in Glasfaser stattgefunden. Denn für Vectoring ist es notwendig, Glasfasern weiter in Richtung Endkunden zu verlegen – konkret bis zum Kabelverzweiger. Die Erlöse, die über Vectoring erwirtschaftet werden, können dann mittel- bis langfristig als Investitionsmittel genutzt werden, um bei einer weiter ansteigenden Bandbreitennachfrage die vollständige Glasfaseranbindung der Kunden zu finanzieren.

Trotzdem gibt es in einigen Bereichen schon jetzt deutlich schnelleres Breitband als das, was die Telekom mit bis zu 100 Mbit/Sek verspricht – mit Blick auf immer größere Datenmengen – ist das wirklich längerfristig ausreichend?

Längerfristig ist sicher von steigendem Bandbreitenbedarf auszugehen. Aber wie gesagt: auf dem Weg hin zu FTTB/H-Anschlüssen ist Vectoring bereits jetzt ein sinnvoller Zwischenschritt. Letztendlich entscheiden aber die Netzbetreiber über ihre Ausbaustrategie. Und die hängt ab vom Bandbreitenbedarf und von der Zahlungsbereitschaft der Endkunden.

Die Konkurrenten der Telekom sprechen von einem massiven Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen. Hebeln Sie mit Ihrer Entscheidung Wettbewerb aus?

Nein. Der Vorwurf der Re-Monopolisierung ist aus unserer Sicht falsch.
Die Telekom darf zwar grundsätzlich alle Nahbereiche ausbauen, aber ihr Ausbaurecht kann unter bestimmten Voraussetzungen von Wettbewerbern „verdrängt“ werden. Ein Wettbewerber darf vorrangig ausbauen, wenn er sich bislang deutlich stärker in dem Ort außerhalb des Nahbereichs beim Breitbandausbau engagiert hat als die Telekom.  Und außerdem muss die Telekom den Wettbewerbern angemessene alternative Vorleistungsprodukte anbieten, wenn sie Vectoring einsetzt. Unsere Entscheidung würde daher auch die aktuelle Angebotssituation für Endkunden verändern und neu ausrichten: Künftig könnten Endkunden Produkte mit 100 Mbit/s nicht nur von dem einen Kabelnetzbetreiber buchen, der in ihrer Region aktiv ist. Sie hätten solche Produktangebote auch von der Telekom – und über die Zugangsprodukte, die die Telekom den Wettbewerbern gewähren muss – auch von weiteren Anbietern, was sich sicher zum Vorteil der Endkunden auswirken wird.

Christian Erhardt befragt den Chef der Bundesnetzagentur zum Breitbandausbau

Bisher halten Sie von der Telekom lediglich ein Versprechen in den Händen, dass sie in wirtschaftlich sonst unattraktive Netze investiert. Was passiert, wenn die Telekom das Versprechen nicht einlöst?

 
Wir gehen davon aus, dass die Telekom ihr Versprechen, das sie ja notariell beurkunden lässt, einlöst. Bei Nichteinhaltung drohen ihr ansonsten empfindliche Vertragsstrafen und letztlich sogar Klagen auf Erfüllung ihrer Ausbauzusage.

Kommunen, die nach wir vor unter langsamen Leitungen im Ort leiden – bis wann glauben Sie, haben alle Kommunen garantiert ihren Breitband - Anschluss mit mindestens 100 Mbit/sek?

 
Das kann Ihnen niemand zuverlässig  beantworten und hängt nicht zuletzt von der Nachfrageentwicklung ab. In den Entscheidungen zum Vectoring geht es nicht um die Planung eines bundesweiten Breitbandnetzes oder die Förderung von Maßnahmen zur Breitbandversorgung, sondern um  die Frage, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen die Telekom anderen Unternehmen Zugang zu ihrem Netz gewähren muss. Dieser Zugang ist für Unternehmen, die vollkommen eigenständige Netze ausbauen, nicht relevant.
Hinweis: Das Interview entstand vor der Einigung mit der EU. Inhaltlich hat sich in der Positionierung jedoch seither nichts verändert. 

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