Kinder auf dem Fußballplatz: Der Lärm stört viele Anwohner. © Dusan Kostic/fotolia.com

Sportlärm ist keine Ruhestörung

21. Oktober 2014
Anwohner oder Allgemeinheit? Am Beispiel Sportplatznutzung zeigt sich zunehmend die Tendenz zum Konflikt. Es geht um Lärm. Verunsicherte Kommunen verhängen immer häufiger Nutzungseinschränkungen. Oftmals trotz Einhaltens der Richtwerte.

Anwohner agieren auch auf Kosten der Allgemeinheit

Die heranrückenden Wohnbebauungen gefährden zudem auch den Bestand bereits lange existierender Sportanlagen. Auch der „Altanlagenbonus“ bestehender Sportanlagen läuft zunehmend bei notwendigen Sanierungsmaßnahmen ins Leere.
Es ist eine Tendenz festzustellen, dass Anwohner verstärkt versuchen, ihre individuellen Interessen auch zu Lasten der Allgemeinheit durchzusetzen. Dies entspricht nicht der herausragenden gesellschaftspolitischen Bedeutung des Sports. Die Anwendung der geltenden Rechtslage wird dazu führen, dass Sportanlagen zunehmend aus den wohnungsnahen Bereichen verdrängt werden. Das jedoch widerspricht der Zielsetzung, den Sport für viele Bevölkerungsgruppen leicht zugänglich zu machen.

Kinder brauchen Bewegung

Die zunehmend ältere Bevölkerung braucht zudem Sport- und Bewegungsmöglichkeiten in der Nähe ihrer Wohnung, schon um längere Anfahrtswege durch die nachlassende Mobilität zu vermeiden.
Auch Kinder und Jugendliche sind aufgrund des zunehmenden Ganztagsschulbetriebs auf kurze Anfahrtswege zu den Sportstätten angewiesen, die immer häufiger auch am späten Nachmittag und am Abend genutzt werden. Die Politik erwartet einerseits vom organisierten Sport Kooperationen im Ganztagsschulbereich, begrenzt jedoch durch ein zunehmend sportunfreundliches Immissionsrecht zugleich die Handlungsmöglichkeiten.

Mauern zum Schutz vor Kinderlärm?

Während eine moderne Stadtentwicklung bei heranrückender Wohnbebauung für Industrie und Gewerbe, zum Beispiel auf Grundlage der TA Lärm, ermöglicht wird, ist dies im Bereich der Sporträume immer weniger möglich.
So droht in Städten die Ausweisung von Sportanlagen bzw. -gelegenheiten trotz benachbarter Straßen mit hoher Lärmbelastung zu scheitern. Diese Tendenz zeigt sich auch bei anderen Sport- und Spielflächen. Die unschöne Folge sind innerstädtische Lärmschutzanlagen mit oft bis zu fünf Meter hohen Mauern zum Schutz vor Kinderlärm.

Übertreiben wir es mit dem Immissionsschutz?

Sport und Bewegung unterstützen gesundheitsbezogene Lebensstile. Diese gesundheitsfördernden Wirkungen des Sports können sich jedoch nur entfalten, wenn die notwendigen wohnortnahen Sport- und Bewegungsräume vorhanden sind und auch genutzt werden können.
Die zunehmenden Nutzungseinschränkungen durch ein sportunfreundliches Immissionsschutzrecht sowie die Verlagerung von Sportanlagen an städtische Randbereiche laufen den Präventionsansätzen und den Gesundheitswirkungen des Sports zunehmend entgegen.
Es gibt eine weitere nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung: Die politischen Kinderlärm-Initiativen haben zur Privilegierung des von Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen ausgehenden „Kinderlärms“ geführt. Danach ist der Lärm von Kindern auch im Wohnumfeld „sozial-adäquat“. Eine richtige und überfällige Entscheidung.

Der Bund muss die Interessen des Sports berücksichtigen

Diese „Vorfahrtsregelung“ gilt aber nur für Kinder (nicht für Jugendliche) und nur für Kinder, die in Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen sportaktiv sind, während dieselben Kinder auf dem unmittelbar benachbarten Sportplatz im Vereinstraining nur im Rahmen behördlicher Einschränkungen Sport treiben dürfen bzw. die durch sie verursachten Geräusche zu einer Einschränkung der Sportplatznutzung für alle Aktiven führt.
Was muss geschehen? Die Bundesregierung muss die Interessen des Sports in immissionsschutzrechtlichen Konfliktlagen angemessen berücksichtigen und in diesem Sinne die Sportanlagenlärmschutzverordnung überarbeiten.

Regionale Besonderheiten sollten berücksichtigt werden

So könnte eine Anpassung der Lärmschutzverordnung an die TA Lärm der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Sports weit besser Rechnung tragen und die derzeitige strukturelle Benachteiligung des Sports beseitigen.
Der Bundesrat hat auf Initiative Hamburgs entsprechende Forderungen beschlossen, die jetzt zügig umgesetzt werden sollten. Auch sollte durch eine Länderöffnungsklausel die Möglichkeit geschaffen werden, regionale Besonderheiten besser zu berücksichtigen.
Schließlich ist es zwingend erforderlich, die derzeitige Ungleichbehandlung von Kindern und Jugendlichen auf und außerhalb von Sportanlagen durch eine Erweiterung des sogenannten „Kinderlärmprivilegs“ auf Kinder und Jugendliche auf Sport- und Freizeitanlagen zu beseitigen.

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