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Stabile kommunale Haushalte

15. Dezember 2014
Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Georg Fahrenschon berichtet aus seiner Sicht über die Schritte, die Kommunen für stabile Haushalte tun müssen - und wirft einen Blick nach vorn.

Es gibt in einzelnen Regionen eine sinkende finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen:

Die Kassenkreditverschuldung hat eine Rekordhöhe von rd. 48 Mrd. Euro erreicht, innerhalb der letzten zehn Jahre hat sie sich mehr als vervierfacht. Auch für die kommenden Jahre befürchten auch die kommunalen Spitzenverbände, dass der Abbau der Kassenkredite nicht in entscheidendem Umfang gelingen wird. Hiervon sind insbesondere die Länder Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Rheinland-Pfalz und Teile von Hessen in erheblichem Maße betroffen.
Das ist insofern Besorgnis erregend, da mittels der Kassenkredite hauptsächlich laufende Ausgaben beglichen werden. Die kommunalen Ausgaben sind in hohem Maße fremdbestimmt und die Kommunalhaushalte zugleich regional sehr unterschiedlich durch Sozialausgaben belastet. Somit belasten die Kassenkredite insbesondere strukturschwache Kommunen, die Heterogenität zwischen den Regionen in Deutschland nimmt zu.
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Das KfW-Kommunalpanel 2012 bezifferte den Investitionsstau in den Kommunen auf bundesweit ca. 128 Milliarden Euro. Darin sind die notwendigen Ausgaben etwa für die Energiewende noch gar nicht eingerechnet. Das Problem ist aber, dass nicht nur zu wenig investiert wird, es wird auch falsch investiert.
Im Rahmen der DSGV-Initiative „Kommunale Verschuldungsdiagnose“, haben wir in den letzten drei Jahren die Schuldensituation von über 1.000 Kommunen und 150 kommunalen Unternehmen im Umfang von rd. 60 Mrd. Euro untersucht. Wir haben dabei zutage gefördert, dass gerade in den westdeutschen Bundesländern die Investitionen nicht „fristen-kongruent“ finanziert wurden. Das bedeutet, dass die Tilgungsanteile in den Darlehen nicht dem tatsächlichen Werteverzehr der Infrastruktur entsprechen. Das erschwert die Situation drastisch: Die Kommunen haben nicht nur Aufholbedarf bei den Investitionen und Sanierungskosten, die sie mit Neuverschuldung finanzieren. Sie müssen auch noch Altschulden abbezahlen, denen kein adäquater Gegenwert mehr gegenübersteht. Das erschwert die Aufrechterhaltung und Refinanzierungsmöglichkeiten bei künftigen Investitionen.
Wir hören von unseren kommunalen Kunden Sorgen über die ab 2016 für den Bund und ab 2020 für die Länder geltende Schuldenbremse. Sie könnte die finanzielle Situation der Kommunen noch verschlechtern, wenn es in ihrer Folge zu geringeren Umlagen im Finanzausgleich oder der Übertragung weiterer Aufgaben kommt.
Im Ergebnis ist der kommunale Überschuss von rd. 1,7 Mrd. EUR auf Gesamt-deutschland bezogen sehr erfreulich, dennoch bestehen bei zahlreichen Kommunen erhebliche Haushaltsdefizite auch für die kommenden Jahre fort.

  1. Solidarität für Kommunen im Zeichen der europäischen Schuldenkrise

Diese Entwicklung vollzieht sich in einer Zeit, in der sich aufgrund der Auswirkungen der europäische Schuldenkrise, öffentliche Schuldtitel von manchen Marktteilnehmern nicht mehr als uneingeschränkt risikolos angesehen werden und auch eine Diskussion über ein Ende der Nullgewichtung von Staatstiteln entstanden ist. Diese Debatte ist – mit Blick auf die Interessen der Kommunen – unnötig und schädlich. Denn bislang genießen die Kommunen bei der Finanzwirtschaft höchstes Vertrauen als Schuldner, es gibt dafür drei gute Gründe:

  1. Es gilt bei der Kreditvergabe aufgrund der Solvabilitätsverordnung bzw. neu die Kapitaladäquanzverordnung und –richtlinie–CRR/CRD IV die „Nullgewichtung“. Danach ist für Forderungen an die Bundesrepublik Deutschland sowie regionale Gebietskörperschaften ein Risikogewicht von null Prozent anzusetzen. Das heißt, dass Kreditinstitute an inländische Kommunen und inländische Gemeindeverbände ausgereichte Kredite nicht mit bankaufsichtlichem Eigenkapital unterlegen müssen.
  2. Hintergrund der Nullgewichtung ist, dass Kommunen insolvenzunfähig gemäß § 12 der Insolvenzordnung sind.
  3. Es ist aber nicht vorstellbar, dass Kommunen keine finanzielle Unterstützung erfahren, wenn sie ihre wichtigsten Aufgaben nicht mehr aus eigener Kraft erfüllen können. In der Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat stehen alle staatlichen Ebenen in klar definierten Verfahren füreinander ein. Insofern ist im Gegensatz zur Europäischen Union als Staatenverbund eine Gesamtbewertung/-rating Deutschlands angemessen.

Es besteht daher weder für ein Kreditinstitut ein zwingendes Erfordernis, eine Kommune zu raten, noch für die Kommune, ein externes Rating zu beauftragen. Dennoch ist es angesichts der Diskussionen über die Bonitätssituation der Kommunen unabdingbar, dass die Länder Kommunen im Allgemeinen und notleidende Kommunen im Besonderen rechtzeitig, bevor einmal der Fall der tatsächlichen Haftungsübernahme ansteht, mit den nötigen finanziellen Mitteln ausstatten werden. Denn gerade am Beispiel der Kassenkredite zeigt sich deutlich, dass Kredite, die eigentlich zur Überbrückung von kurzfristigen Liquiditäts-engpässen gedacht waren, nun zu Dauerschulden geworden sind. Vor allem erscheint es insgesamt nicht vernünftig, „weiche“ Ausgaben auf „Kredit“ zu finanzieren und die Rückführung der Kredite hinten anzustellen.
2. Rahmenbedingungen der Kommunalfinanzierung
Neben der Schuldenkrise ist die Bankenregulierung ein wichtiger Grund, sich intensiv mit der Situation bei der Kommunalfinanzierung auseinanderzusetzen.
Die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe nehmen in diesem Kontext seit einiger Zeit auch eine intensivierte und sensibilisierte Nachfrage durch die Bankenaufsicht wahr. Die typischerweise hohen Ausleihungen der kommunalen Sparkassen an ihre kommunalen Träger wurden dabei im Sinne einer Konzentration in einigen Instituten angemerkt. Ein möglicherweise kritischer Blick auf ein zu hohes Engagement des Einzelinstitutes kann dann zu einer Reduzierung der Ausleihungen und damit zu einer Reduktion des Angebots insgesamt führen. Bereits heute stellen wir als Folge der Krise und mit Blick auf kommende Regulierungslasten einen Rückzug von Banken bei der Kommunalfinanzierung fest.
Neue Instrumente im kommunalen Finanzmanagement wie Schuldscheine und Anleihen können durchaus helfen die Finanzierungsbasis und die Gläubigerstrukturen zu verbreitern, aber werden nach heutiger Einschätzung den kommunalen Kredit als Hautfinanzierungsmittel nicht ersetzen können.
Zudem wird die Kommunalfinanzierung durch die Basel-III-Regeln vermutlich weiter erschwert werden. Wesentliche Elemente sind hierbei

  • eine erhöhte Eigenkapitalausstattung bei zugleich verschärften Kapitalanforderungen für Kreditinstitute;
  • die Einführung einer risikounabhängigen Verschuldungsobergrenze (Leverage Ratio). Sie könnte begrenzende Wirkung auf die Vergabe von lang laufenden Kommunaldarlehen haben, weil dort nur die Volumen, nicht aber das Risiko eine Rolle spielen. Das kann innerhalb der jeweiligen Bank zur Konkurrenzsituation zwischen dem großvolumigen Kommunalfinanzierungs- geschäft und der für die örtliche Entwicklung ebenfalls wichtigen Mittelstandsfinanzierung führen;
  • eine erweiterte Liquiditätsreserve zur Sicherung der kurzfristigen Zahlungsfähigkeit unter Stressbedingungen. Sie erschweren lange Laufzeiten bei Krediten etwa für Infrastrukturmaßnahmen.

Die Folgen werden für Kommunen gleich in mehrfacher Hinsicht zu spüren sein, so werden die Kreditkosten steigen, die Kreditlaufzeiten kürzer werden und sich das Kreditangebot insgesamt weiter verknappen.
3. Sparkassen – Hausbank der Kommunen
Das aber trifft die Finanzierung der Kommunen im Kern. Denn aktuell finanzieren sie sich zu fast 100 Prozent über Bankkredite (Kassenkredite und Investitionskredite). Das Gesamtvolumen der Kredite bezogen nur auf die Gemeinden inkl. Zweckverbände beträgt 173,8 Milliarden Euro. Die Sparkassen-Finanzgruppe unverändert der wichtigste Kreditgeber der Kommunen im Umfang von rd. 82 Mrd. EUR, dies entspricht einem Marktanteil von rd. 48 % an der Gesamtverschuldung der Gemeinden (ohne Bund/Länder, aber inkl. Zweckverbände). Von den 82 Mrd. stellen die Sparkassen rd. 36,4 Mrd. (21 %) und die Landesbanken rd. 46 Mrd. (27 %) zur Verfügung. Wettbewerber sind: Förderbanken mit rd. 40 Mrd. (23 %), Realkreditinstitute mit rd. 19 Mrd. (11 %), Privatbanken rd. 15 Mrd. (8 %), Geno.banken mit rd. 3,2 Mrd. (1,9 %).
Beachtenwert und das das Engagement der Finanzgruppe unterstreichend ist die Tatsache, dass in den letzten 5 Jahren die Sparkassen um rd. 8,8 Mrd. EUR ihr Engagement ausgeweitet und die Landesbanken trotz einer deutlichen Re-duzierung im Jahr 2013 netto 2,9 Mrd. zugelegt haben. Damit hat die Finanzgruppe rd. 70 % der angestiegenen Verschuldung im kommunalen Bereich finanziert[1].
Angesichts dieser Zahlen ist es zutreffend, von der Sparkassen-Finanzgruppe als der „Hausbank der Kommunen“ zu sprechen
Um sich optimal auf die Bedarfslage der kommunalen Kunden einzustellen, hat die Sparkassen-Finanzgruppe systematisch eine strategische Neuausrichtung des Betreuungsansatzes für die kommunale Ebene entwickelt und umgesetzt. Die Sparkassen-Finanzgruppe verfügt über einen breit gefächerten, exzellenten „Handwerkskasten“, um gemeinsam mit den Kommunen passgenaue Lösungen für (fast) alle Vor-Ort-Probleme entwickeln zu können. Dazu gehören das vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) initiierte „Sparkassen-Finanzkonzept Kommunen und Institutionelle“, diverse Leitfäden und Studien zu besonders relevanten Handlungsfeldern sowie die „Kommunale Verschuldungsdiagnose (KVD)“ und die neue Softwarelösung „S-Kompass“.
4. Fazit
Angesichts der sich abzeichnenden haushalts- und finanzwirtschaftlichen Perspektiven, des vielfältigen Handlungs- und enormen Finanzierungsbedarfes sowie des ungewissen Finanzierungsumfeldes steigt die Notwendigkeit, dass sich Kommunen, Länder und der Bund über eine zukunftsgerechte Finanzierung der Kommunen verständigen. Nur so können strukturelle Finanzierungsdefizite nachhaltig verhindert werden.

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