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Technische Innovationen sind wichtig

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe im KOMMUNAL-Gespräch über die nächste Stufe der Pflegereform und die Rolle der Kommunen in der Pflege.

Ende des Jahres hat der Bundestag das Zweite Pflegestärkungsgesetz beschlossen. Was ändert sich damit für Pflegebedürftige und deren Angehörige?

Hermann Gröhe
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Gröhe: Das neue Begutachtungsverfahren wird die verbliebenen Fähigkeiten genauer und die körperlichen Einschränkungen sowie geistigen und seelischen Beeinträchtigungen der Menschen gerechter erfassen und den neuen fünf Pflegegraden zuordnen. Damit wird dem individuellen Pflegebedarf besser Rechnung getragen. Außerdem setzt die Unterstützung früher an: In Pflegegrad 1 werden künftig Menschen erfasst, die im bisherigen System noch keine Leistungen bekommen. Dadurch können in den nächsten Jahren rund 500.000 Menschen zusätzlich unterstützt werden.
Wer Ende 2016 bereits pflegebedürftig ist, erhält Bestandschutz und wird automatisch in einen Pflegegrad übergeleitet. Alle erhalten künftig Leistungen mindestens im gleichen Umfang weiter, viele erhalten mehr Unterstützung. In stationären Einrichtungen werden alle Bewohner ab Pflegegrad 2 den gleichen pflegebedingten Eigenanteil zahlen, er steigt also nicht mehr mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Dazu kommen wie bisher die Kosten für Unterbringung und Verpflegung im Haus. Ab 2017 stehen durch die beiden Pflegereformen insgesamt jährlich 5 Milliarden Euro – das ist ein Plus von 20 Prozent - für die Pflege zur Verfügung.
Für pflegende Angehörige verbessern sich bereits ab 2016 die Beratungsmöglichkeiten. 2017 wird ihre soziale Absicherung in der Rentenversicherung, in der Arbeitslosen- sowie in der Unfallversicherung ausgeweitet.
Bereits heute fehlen in den Pflegeberufen Fachkräfte. Wie wollen sie mehr Menschen dafür gewinnen, in der Pflege zu arbeiten?
Gröhe: Das Bundesgesundheitsministerium ist auf vielen Ebenen aktiv, um für attraktivere Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte sorgen. Schon mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz wurde deutlich mehr Geld für die Beschäftigung sogenannter Betreuungskräfte – sie kümmern sich um die soziale Betreuung der Pflegebedürftigen und unterstützen so auch die Pflegefachkräfte – in den stationären Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Es wird für Einrichtung zudem einfacher, ihre Mitarbeiter nach Tarif zu bezahlen. Denn jetzt ist gesetzlich geregelt, dass die Kostenträger Tariflöhne nicht als unwirtschaftlich ansehen dürfen. Das BMG unterstützt darüber hinaus die Einrichtungen dabei, die Dokumentationspflichten auf das Notwendige zu reduzieren, damit den Mitarbeitern mehr Zeit für die Pflegebedürftigen bleibt. Gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium arbeitet das BMG außerdem an einer Reform der Ausbildung der Pflegefachkräfte. Die Reform modernisiert die Ausbildung und sorgt dafür, dass diese für die Schüler kostenfrei wird. Das ist derzeit leider noch nicht überall so.
Welche Rolle werden technische Innovationen spielen? Sind Pflegeroboter die Zukunft? Können sie helfen, den Fachkräftemangel in diesem Bereich auszugleichen?
Gröhe: Technische Innovationen sind wichtig: Eine sichere digitale Kommunikation im Gesundheitswesen bedeutet einen enormen Nutzen für die Versicherten, für Patienten und Pflegebedürftige. Es geht es um die sichere Bereitstellung von Patientendaten in einen Notfall, um Arzneimitteltherapiesicherheit oder den sicheren Austausch von Diagnosen. Technischer Fortschritt macht Medizinprodukte besser und langlebiger, er nützt der Forschung und der Entwicklung neuer Arzneimittel und Therapien. Technische Geräte können auch Menschen, die unter körperlichen Einschränkungen leiden, in vielerlei Hinsicht unterstützen.
Für die Pflege am Krankenhausbett und die Versorgung und Betreuung von Pflegebedürftigen können Geräte menschliche Nähe und Zuwendung jedoch nicht ersetzen. Deshalb verbessert das Bundesgesundheitsministerium die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, stärkt pflegende Angehörige und Ehrenamtliche, die sich um Pflegebedürftige und Schwerstkranke kümmern und baut die Leistungen in der Pflege sowie in der Palliativversorgung und der Hospizbetreuung weiter aus.
Pflege findet vor Ort, in den Städten und Gemeinden statt. Was wollen Sie tun, um die Rolle der Kommunen zu stärken?
Gröhe: Mit dem PSG II wird bereits eine finanzielle Förderung von selbst organisierten, regionalen Netzwerken für eine strukturierte Zusammenarbeit in der Versorgung durch die Pflegekassen ermöglicht. Außerdem arbeitet das BMG an einem kommunalen Pflegestärkungsgesetz. Dabei geht es z.B. um eine weitere Stärkung der Pflegestützpunkte und darum, wie eine bessere Abstimmung des regionalen Angebots und eine bessere Zusammenarbeit in der Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen vor Ort erreicht werden kann. Letzteres soll u.a. in bis zu 60 Modellkommunen erprobt werden.

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