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Unter Strom

In Deutschland agieren rund 800 Stadtwerke auf dem Strommarkt. Gab es vor der Liberalisierung des Marktes im Jahr 1996 keinerlei Wettbewerb in diesem Bereich, hat sich das Bild der Stadtwerke in den vergangenen 20 Jahren massiv verändert. Christian Erhardt-Maciejewski im Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Rheinenergie, Dr. Dieter Steinkamp über die Zukunft deutscher Stadtwerke.

KOMMUNAL: Die Energiewende stellt alle Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen – welche Bedeutung haben Stadtwerke aus Ihrer Sicht in diesem Marktumfeld?

Dr. Dieter Steinkamp
©Rheinenergie

In meinen Augen haben leistungsfähige Stadtwerke, vor allem die größeren in Deutschland, eine gute Chance in der Zukunft. Wir müssen uns aber alle tüchtig anstrengen und uns systematisch neu orientieren. Denn die angestammten und teils mehr als 60 Jahre alten Geschäftsmodelle der Branche stehen insgesamt zur Disposition; die „Commodity“, das alleinige Liefern von Energie und Wasser, ist ein Auslaufmodell. Wir bauen neue, digitale und immer komplexere Dienstleistungen auf, wir wandeln uns vom Versorger zum umfassenden Energiemanager.
Schnelligkeit, Flexibilität, Sinn für Bündnisse und Kooperationen – das alles sind entscheidende Faktoren. Und Stadtwerke besitzen eines der wertvollsten Güter in der heutigen Zeit: Sie haben den direkten Kundenzugang und in aller Regel eine gute Kundenbasis.
Viele Kommunen erwägen den Rückkauf von Energienetzen. Sie haben aber meist keine Erfahrung im Unterhalt und Betrieb einer Stromversorgung. Welche Möglichkeiten sehen Sie für solch kleinere Kommunen?
Die Übernahme des Netzbetriebes oder die Gründung eines eigenen Stadtwerks sind anspruchsvolle Aufgaben, die viel Erfahrung verlangen. Wer heute glaubt, als kleines Stadtwerk eigenständig und alleine alle Anforderungen der Zukunft bewältigen zu können, der könnte bald in wirtschaftlich schwieriges Fahrwasser geraten. Wer dazu einen Partner braucht, der muss auch Ergebnisse teilen, und gerade im regulierten Netzgeschäft ist dazu nicht allzu viel Spielraum.
Die Fragen stellte Christian Erhardt-Maciejewski

Es gibt auch Energieunternehmen, die in finanzieller Schieflage sind – sie müssen dann von den ohnehin oft klammen Kommunen als Eigentümer gestützt werden – sehen Sie, dass sich diese Gefahr verstärkt?
Wir erleben, dass einst prosperierende große Energieversorgungsunternehmen – aber auch Stadtwerke – von der Wucht und Schnelligkeit des Wandels der Märkte durchgeschüttelt sowie zum Teil überrascht werden. Das kann erhebliche negative Folgen haben. Ich sehe aber keinen durchgängigen Trend; gerade für eher regional ausgerichtete Stadtwerke ergeben sich auch neue Chancen, und die Mehrzahl der deutschen Stadtwerke steht gesund und sicher da. Wer beizeiten offen für neue Rollen im Markt ist, wer beizeiten partnerschaftlich kooperiert, der wird auf Sicht auch wirtschaftlich bestehen.
Angesichts der Flüchtlingsströme – welche Rolle spielt das für Stadtwerke und wie können Stadtwerke hier ihre Kommunen unterstützen?
Der Zustrom der Flüchtlinge stellt uns alle vor große Aufgaben; wir müssen den Menschen helfen, die aus Not, Elend und unter Lebensgefahr haben fliehen müssen. Es ist keine direkte Stadtwerke-Aufgabe, sondern eine gesamtgesellschaftliche. Stadtwerke können mit ihrem Know-How zu Infrastruktur und fachlicher Unterstützung dazu beitragen, dass dies gelingt. Und wir können einen Teil der Menschen als Arbeitnehmer, Auszubildende, Praktikanten und Trainees integrieren.
Das Geschäftsmodell verändert sich stark – neue Geschäftsfelder, mögliche Fusionen - wo sehen Sie die kommunalen Energieunternehmen in 10 Jahren?
In einem Wort?: Vorne. Kundennutzen, Kundennähe, zuverlässiger und umfassender Service bei moderaten Preisen: Das ist unsere DNA, und das werden unsere Kunden honorieren. Von unserer Arbeit und unseren Erträgen prosperieren die Kommunen und Menschen. Das ist ein Zukunftsmodell.
Zur Person:
Dieter Steinkamp ist 55 Jahre alt und seit dem Jahr 2009 Vorsitzender des Vorstandes. Zuvor gehörte er unter anderem dem Vorstand der Stadtwerke Krefeld an, war bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft tätig und zuvor Beigeordneter der Stadt Duisburg.. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.

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