Anna-Luise Conrad, Bürgermeisterin von Naunhof in Sachsen in ihrem Büro.
Anna-Luise Conrad, Bürgermeisterin von Naunhof in Sachsen.
© Benjamin Lassiwe

Bürgermeisterin des Monats

Corona beschert Kleinstadt Bauboom

Sie ist 31 Jahre alt und trat ihr Amt als Bürgermeisterin im ersten Lockdown an. Corona beschert dem Ort einen Bauboom durch den Run auf das Landleben und unerwartetem Zuzug. Unser Portrait des Monats über Anna-Luise Conrad, Bürgermeisterin im ländlich geprägten Naunhof in Sachsen.

Den Amtsantritt vor einem Jahr hatte sich Anna-Luise Conrad ganz sicher anders vorgestellt. Mitten in der Corona-Pandemie bezog sie ihr Amtszimmer im modernen, in den 1990er Jahren neu errichteten Rathaus von Naunhof bei Leipzig. Das war vor einem Jahr. Als „Sachsens jüngste Bürgermeisterin“ stellten die Medien die 31-Jährige damals vor. Heute ist Conrad im neuen Job angekommen – und muss mit ungeahnten Corona-Folgen kämpfen.

Bauboom: Menschen wollen Haus mit  Garten

Denn die Pandemie beschert der Kleinstadt mittlerweile einen Bauboom. „Gerade durch Corona gab es einen Boom für Wohnraum in den ländlichen Regionen“, sagt Conrad. „Die Leute wollten einen Garten und stellten durch Corona fest, dass es attraktiv ist, auf dem Land zu leben.“ Zum Beispiel in Naunhof. Wenn Conrad von ihrer Stadt spricht, spricht sie gern vom „grünen Herz bei Leipzig“. Wer durch den 8.700 Einwohner zählenden Ort geht, merkt schnell: Hier fehlen die großen Mietshäuser. Zwei, drei Etagen haben die Gebäude, die Straßen sind gepflastert und in einer Nebenstraße beim Rathaus findet sich noch ein kleiner „Tante-Emma-Laden“. „Wir sind nicht mehr ganz dörflich, aber noch ländlich geprägt“, sagt Conrad.

Wir sind nicht mehr ganz dörflich, aber noch ländlich geprägt."

Bürgermeisterin Anna-Luise Conrad, Naunhof



Das schätzen die coronamüden Städter – und sorgen in Naunhof für echte Wachstumsschmerzen. „Die gesamte Infrastruktur muss angepasst werden“, sagt Conrad. „Das ist die große Herausforderung, weil wir ein entsprechendes Tempo an den Tag legen müssen.“ Die Grundschule soll fünfzügig werden, es gibt dringenden Erweiterungsbedarf in der Oberschule. „Wir planen mindestens den Neubau eines Kindergartens, idealerweise benötigen wir sogar noch zwei Kindergärten – obwohl wir schon neun haben“, sagt die Bürgermeisterin. „Wir versuchen auch den Bedarf der Umlandgemeinden mitabzudecken.“ Dazu braucht es günstige Seniorenwohnungen: Eine Reihe von Eigenheimbesitzern sei im Rentenalter angekommen, wolle gern verkaufen, aber in Naunhof bleiben. Für sie müssten günstige Wohnungen geschaffen werden.

Steuerausfälle - Kampf um die Fördermittel

Bei der Frage, ob die Stadt bei all diesen Aufgaben vom Land Sachsen hinreichend finanziert werde, muss die Bürgermeisterin lachen. „Die kommunale Kasse sah schon vor Corona sehr schlecht aus“, sagt Conrad. „Wenn wir uns auf die Pflichtaufgaben reduzieren, bedeutet das natürlich Schulausbau, Kitaausbau und so weiter.“ Die kommunalen Kassen seien leer. „Wir haben Steuerausfälle in Größenordnungen“, sagt die Bürgermeisterin. „Das macht sich extrem bemerkbar, vor allem in unseren Investitionen.“ Naunhof sei dringend auf Unterstützung des Bundes und des Freistaats angewiesen. „Die Schlacht um die Fördermitellandschaft hat sich verstärkt.“ Doch ein Großteil des Geldes geht in die großen kreisfreien Städte Sachsens. Gerade für die kleineren Gemeinden sei es schwierig, „ein Stück vom Kuchen abzubekommen“.

Naunhof
Das Rathaus in Naunhof.                                                                                      Foto. Benjamin Lassiwe

Vor ihrer Zeit als Bürgermeisterin war Conrad in der Verwaltung des Landkreises tätig. Doch dann suchte Naunhof ein neues Stadtoberhaupt und die parteilose Beamtin entschloss sich, unterstützt von CDU und einer Wählervereinigung, zur Kandidatur. „Ich finde, dass Frauen in der Politik immer noch eine sehr untergeordnete Rolle einnehmen, besonders jüngere Frauen“, sagt Conrad. Gleichzeitig musste sie im Wahlkampf gegen jede Menge Klischees kämpfen: „Ich bin im Wahlkampf immer wieder gefragt worden, was denn die Kinder machen würden, wenn ich Bürgermeisterin werden würde.“ Tatsächlich bekommt die Bürgermeisterin Beruf und Familienleben gut zusammen: „Meine Familie bietet mir einen sehr guten Rückhalt und für meinen Mann und mich war immer klar, dass wir beide unseren Karriereweg gehen wollten.“ Was Anna-Luise Conrad in der praktischen Arbeit aber aufgefallen ist: „Frauen haben oft ein diplomatisches Fingerspitzengefühl, das manchen Männern fehlt.“ Das helfe, wenn es ans Verhandeln geht, sagt die Bürgermeisterin.

Und was macht aus Sicht von Anna-Luise Conrad nun eine gute Bürgermeisterin aus? „Die Bürgernähe“, sagt die Naunhoferin. „Man sollte sich nie zu groß vorkommen für die kleinsten Anfragen.“ Oft sei eine Bürgermeisterin nur eine Zuhörerin, die ein Ohr hat für die Sorgen der Menschen. „Ich erlebe es oft, dass Menschen zu mir kommen und sich einfach nur dafür bedanken, dass ich da bin und ein Ohr für die Sorgen der Menschen habe.“ Nichts sei schlimmer, als den Bürgern den Rücken zuzudrehen, „und alles war nur Schall und Rauch.“ Egal, wie hart die Zeiten auch seien – von einer Bürgermeisterin erwarteten die Menschen, dass sie nicht aufgebe. Was für das energische Stadtoberhaupt von Naunhof aber sowieso keinesfalls in Frage kommt.