Eine Bürgermeisterin, die nicht aufgibt
Constance Arndt, eine Oberbürgermeisterin, die nicht aufgibt.
© Dirk Dießel

Engagement

Warum Kommunalpolitiker mehr Mut brauchen

Sie stehen im Mittelpunkt des täglichen Lebens – und mitten im Sturm. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister berichten in KOMMUNAL, warum sie ihr Amt lieben und welche Kraft sie daraus ziehen, ihre Städte, Gemeinden und Dörfer voranzubringen. Trotz Kritik, Anfeindungen oder gar Bedrohung.

„Für mich ist Bürgermeisterin zu sein genau der Job, der einfach zu mir passt.“

Bürgermeisterin Donaubauer

Gudrun Donaubauer, Bürgermeister von Hauzenberg, Bayern, 12.000 Einwohner

Schon immer habe ich als Diplomgeografin für Kommunen gearbeitet, seit 2012 als Bürgermeisterin für meine Kommune. Es erfüllt mich, wenn wir es in Verwaltung und Politik schaffen, die vielfältigsten Aufgaben anzupacken. Natürlich gibt es auch Rückschläge, unvorhergesehene Hindernisse oder Momente, in denen ich denke „warum tu ich mir das an?“ – aber gerade dann hilft der Blick auf vieles, was bereits geschafft ist.

Was mich antreibt, ist die Möglichkeit, wirklich etwas zu gestalten – Projekte anzustoßen, die wichtig für uns sind, und sie bis zur Umsetzung zu führen. Gerade die Sacharbeit begeistert mich: Zu sehen, wie aus einer Idee ein fertiges Vorhaben wird, das unsere Stadt stärkt und voranbringt, gibt mir Kraft und Motivation. 

Für mich ist es selbstverständlich, als Frau eine Führungsrolle zu übernehmen. Kompetenz, Engagement und Professionalität werden nicht an Geschlechtergrenzen definiert. Eine repräsentative Demokratie braucht mehr Frauen. Deshalb engagiere ich mich für die Initiative „bavaria ruft!“. Für mich ist Bürgermeisterin zu sein genau der Job, der mich herausfordert, mir Freude macht, jeden Tag spannend ist, einfach zu mir passt – trotz der harten Zeiten, die es auch oft gibt.

„Ich sage, was ich denke, auf wenns unbequem ist.“

Deshalb bleibt Boris Palmer Oberbürgermeister

Boris Palmer,  Oberbürgermeister von Tübingen, Baden-Württemberg, 92.000 Einwohner

Ans Aufhören habe ich nie gedacht. Ich habe das schönste Amt der Welt – und das meine ich wörtlich. Bürgermeister zu sein heißt, Verantwortung zu übernehmen, wo man die Folgen sofort sieht. Wenn wir in Tübingen Energie selbst erzeugen, neue Bäume pflanzen oder junge Familien eine Wohnung finden, dann weiß ich: Politik kann funktionieren – wenn man will.

Ja, der Ton ist rau geworden. Kritik gehört dazu, manchmal auch persönliche Angriffe. Aber wer immer nur nach Applaus schaut, hat im Amt nichts verloren. Ich sage, was ich denke, auch wenn’s unbequem ist. Und ich halte aus, dass das nicht jedem gefällt.

Mich treibt an, dass Tübingen zeigt, wie Fortschritt konkret geht: Klimaschutz, Digitalisierung, sozialer Ausgleich – nicht als Schlagwort, sondern als Alltag. Diese Stadt ist lebendig, streitbar, mutig.

Erfahrung lehrt mich: Man kann viel erreichen, wenn man standhaft bleibt. Rückschläge gehören dazu, Kompromisse auch. Am Ende zählt, dass etwas besser wird für die Menschen, die hier leben. Dafür lohnt sich jeder Streit – und darum mache ich weiter.

„Es gibt auch Bürger, die meine Arbeit für unsere Stadt zu schätzen wissen.“

Constance Arndt über Dankbarkeit in ihrem Amt

Constance Arndt, Oberbürgermeisterin von Zwickau, Sachsen, 87.000 Einwohner

Meine Erlebnisse als Geschäftsleiterin im Einzelhandel haben mir gezeigt, dass es viele Bereiche in der Kommunalpolitik gibt, die meinen Arbeitsalltag beeinflusst haben. Ich wollte nicht nur an der Seitenlinie stehen und beobachten, sondern selber als Stadträtin mitentscheiden. 

Als Oberbürgermeisterin vergrößerte sich der Wirkungskreis nochmal um ein Vielfaches. Man hat eine große Verantwortung, wenn man eine große Verwaltung führt, Prioritäten setzt und seinen Einfluss in vielen kommunalen Gesellschaften geltend machen kann. Mein Amtsverständnis bedeutet, für alle ansprechbar zu sein.

Natürlich bekommt man persönlich oder auch als Verwaltung kritische Rückmeldungen. Entgleisungen oder auch so eine extreme Erfahrung, wie die Morddrohung im Frühjahr sind aber Einzelfälle. Generell bewege ich mich frei in Zwickau. Es gibt durchaus auch positive Feedbacks an mich, in denen meine Art der Amtsführung oder konkrete Entscheidungen gelobt werden. Das motiviert mich und zeigt mir, dass es auch Bürger gibt, die meine Arbeit für unsere Stadt zu schätzen wissen!

„Mich motiviert die Überzeugung, dass kleine Schritte Großes bewirken.“

Torben Blohme erklärt, was ihn als Bürgermeister motiviert

Torben Blome, Bürgermeister von Lügde, NRW, 9.350 Einwohner

Lügde ist meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen, hier kenne ich die Menschen und genau deshalb möchte ich Verantwortung übernehmen. Bürgermeister zu sein ist sicher kein leichter Job – er fordert Zeit, Ausdauer und oft auch ein dickes Fell. Doch jeder Tag zeigt mir: Es lohnt sich.

Mich motiviert die Überzeugung, dass viele kleine Schritte Großes bewegen. Wenn wir gemeinsam anpacken, entsteht Veränderung. Selbst komplexe Förderverfahren oder bürokratische Hürden bremsen mich nicht aus. Im Gegenteil: Sie machen deutlich, wie wichtig Ausdauer und Verlässlichkeit sind.

Was mich trägt, ist die Nähe zu den Menschen. Vor Ort erleben wir Demokratie unmittelbar – im Gespräch, in Projekten, in Momenten, in denen Engagement sichtbar wird. Diese Erfahrungen stärken meinen Glauben daran, dass wir Lügde lebendig halten und weiterentwickeln können.

Ich habe den Aufruf zur Staatsreform unterzeichnet, weil starke Kommunen die Basis unserer Demokratie sind. Trotz aller Herausforderungen überwiegt für mich die Freude, gemeinsam mit vielen engagierten Menschen unsere Stadt zu gestalten.

Darum mache ich weiter. Weil Lügde voller Potenzial steckt und ich fest daran glaube, dass wir eine positive Zukunft schaffen können.

„Die Motivation ist stärker als die Sehnsucht nach einem Leben ohne Genörgel.“

Elfi Schmitt-Sieben, Bürgermeisterin von Vendersheim

Elfi Schmitt-Sieben, ehrenamtliche Bürgermeisterin von Vendersheim, Rheinland-Pfalz, 600 Einwohner 

Warum ich weitermache – trotzdem?

… weil ich Freude an Herausforderungen habe – wie beim Marathon braucht man einen langen Atem, Kondition, eine gewisse Leidensfähigkeit, es gibt Hindernisse, aber wenn man das Ziel erreicht, kann man stolz darauf sein, dass man durchgehalten hat.

… weil ich den Vorteil habe, durch meine berufliche Vorerfahrung in der Kommunalverwaltung trotz finanzieller und bürokratischer Begrenzung Chancen und Möglichkeiten für die Gemeinde erkennen zu können.

… weil ich die Möglichkeit habe, eine weibliche Sichtweise in politische Entscheidungen einbringen zu können.

… weil ich es schaffe, optimistisch und realistisch zu bleiben ohne naive Vorstellungen über meine Möglichkeiten für die Gemeinde. 

…. weil mich die positiven Rückmeldungen bestärken, ein tolles Ergebnis bei der dritten Wiederwahl und wir bei der Beantragung von Zuschüssen und bei Wettbewerben wie „Unser Dorf hat Zukunft“ erfolgreich sind.

All das lässt mich immer noch gern Bürgermeisterin sein, trotz stets wachsender Ansprüche von Bürgern und meinem Wunsch nach mehr Freizeit und weniger Verantwortung. Die Motivation durch das überproportionale ehrenamtliche Engagement und die große Unterstützung ist stärker als die Sehnsucht nach einem Leben ohne Genörgel und Anmache. 

„Macht habe ich als Bürgermeisterin nicht, aber Einfluss und den will ich nutzen.“

Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg

Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg, Brandenburg, 21.500 Einwohner

„Meine Stadt“, die Perle der Lausitz, denn so nennen wir unsere Stadt Spremberg/Grodk, steht, wie so viele Kommunen, vor vielfältigen Herausforderungen. Da sind der Strukturwandel, der Kohleausstieg, der dramatische demografische Wandel, die Herausforderung, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum zu sichern, um nur einige Themen zu nennen. Alles ist komplex, aber für die Bürger ist es individuell und konkret. Und so werden die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oft genug zum Jongleur zwischen den vielen Themen. Alle Bälle in der Luft halten, keinen fallen lassen, die leichten nicht und erst recht nicht die schweren.

Ich bin angefeindet worden, weil ich mich zu rechtsextremen Vorfällen klar geäußert habe. Viele befürchteten, dass damit das Image der Stadt Schaden erleidet. Doch wie sagt Morgan Freemann?  „Es ist die Verantwortung von allen, die in Freiheit leben, ihre Meinung zu äußern. Immer!“ Macht habe ich als Bürgermeisterin einer ostdeutschen Kleinstadt nicht, aber EINFLUSS und den kann und will ich nutzen.

Ohnmächtig sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht. Wie jede und jeder von uns diesen Einfluss nutzt und damit wirksam wird, muss selbst entschieden werden. Ich bin fest davon überzeugt, je klarer wir uns positionieren, umso mehr grenzen wir uns positiv von allgemeinen politischen Sprechblasen ab. Die Menschen wünschen sich das und sie brauchen es!

„Drei Viertel der Wähler wählen nicht rechtsradikal.“

Prof. Dr. Christoph Landscheidt, Bürgermeister von Kamp-Lintfort

Prof. Dr. Christoph Landscheidt, Bürgermeister der Stadt Kamp-Lintfort, NRW, 40.000 Einwohner 

Ich mache weiter. Warum? Die Antwort ist einfach. Sie lautet: weil das Positive überwiegt! Du bilanzierst. Wenn die Bilanz positiv ausfällt, sagst du ja. Entscheidend war für mich die „Wiederwahl“-Stimmung in der Stadt. Viele der etwa 76 Prozent, die mich gewählt haben, haben mich früh zur erneuten Kandidatur aufgefordert. Hinzukommt die Motivation, wichtige Stadtentwicklungsprojekte zu Ende zu führen. Außerdem macht es Spaß, mein Verwaltungsteam zu motivieren, unsere Stadt Tag für Tag ein Stück voranzubringen. Das ist auch nötig. Die Negativseite der Bilanz ist lang: dramatische Unterfinanzierung, wachsende Unzufriedenheit, bis hin zu Hass und Hetze, die durch ihren rechtsradikalen parteipolitischen Arm in die Gemeinderäte gefunden haben. Und wenn du und deine Familie auf brutalste Weise mit dem Tod bedroht wirst und unter Polizeischutz stehst, weil du im Europawahlkampf 2019 menschenverachtende Plakate von Neofaschisten hast abhängen lassen, fragst du dich schon, ob du noch weitermachen sollst. Eine Solidaritäts-Demo mit hunderten Bürgern hat’s mir leicht gemacht. Drei Viertel wählen nicht rechtsradikal. Ihnen eine Stimme zu geben, ist auch Aufgabe der Bürgermeister vor Ort. Alles andere regelt Artikel  21 GG.